Heute machen wir einen weiteren Schritt in Richtung Normalität. Der Zeugwart, die Fahrräder und ich. Richtig. Und ich. Der Zeugwart und ich fahren zusammen in Richtung RTF, die heute in Niederrad startet. Wir stehen früh auf, wir frühstücken früh gemeinsam und dann packen wir gemeinsam die Räder ins Auto. Was ein schönes Gefühl, endlich wieder dabei sein zu können. Wir sind früh am Start und finden unsere Verabredungen dann mehr als pünktlich, nachdem wir die Startnummern angelegt haben.
Alle finden, dass das eine vollkommen normale Sonntagsbeschäftigung ist. RTF fahren eben. Alle haben ihre Helme auf, alle holen ihre Startnummern ab und jeder hält das übliche Vorstartschwätzchen. Ich bin einfach nur froh hier zu sein. Ich glaube die SKG Frankfurt wäre total überrascht, wenn sie wüßte, was nur der Start zur RTF bei mir für Emotionen auslöst. Ich bin mitten drin und zwar deshalb, weil ich mich wieder fit genug fühle heute eine RTF – Runde zu fahren. Das hat sehr lange gedauert. Sehr lange. Aber heute ist es soweit.
Während der Zeugwart mit den schnellen Jungs schon mal auf die Strecke geht, warte ich noch auf meine Begleitung. Der Mann auf dünnen Reifen hatte auch vor ein paar Wochen einen Fahrradunfall, allerdings mit einem Auto, und möchte heute ebenfalls erstmalig wieder RTF Luft schnuppern. Wir wollen ein Versehrtenradeln machen und hoffen gemeinsam, dass die Knie gut mitspielen.
Am Start bekomme ich, außer dem obligatorischen Stempel, auch noch eine Tüte Gummibärchen, weil die alle Mädchen bekommen. Das kleine Rad läßt mich unheimlich jung aussehen, nehme ich an. Die ersten Meter ohne den Zeugwart und in Mitten von vielen anderen Radfahrern finde ich komisch. Es fühlt sich unheimlich an. Ich bin mitten drin und doch alleine mit meiner Angst. Mir bleibt irgendwie die Luft weg und mein Herz pocht mir bis zum Hals. Aber ich kann ja jetzt nicht anhalten… alle um mich rum treten schließlich. Einen weiteren Unfall möchte ich nicht. Und sicherlich auch kein anderer um mich rum.
Ich lasse mich an den rechten Rand treiben und nehme etwas an Geschwindigkeit raus. Meine Atmung normalisiert sich und alle überholen. Ich bin auf eimal alleine im Wald und sehe die Radfahrer alle nur noch von hinten. Jetzt kann ich mich erst mal auf meine Atmung und meine Trittfrequenz konzentrieren und horchen, ob für das Knie alles paßt. Ich bekomme grünes Licht vom Knie, obwohl ich die Hose außen drauf nicht spüren kann. Aber Schmerzen spüre ich auch nicht. Das ist ein gutes Zeichen.
Der Mann auf dünnen Reifen läßt sich etwas zurückfallen und ich hole auf. Wir radeln nun zu zweit mit 25km/h miteinander über die Strecke. Die leichten Anstiege machen uns etwas zu schaffen, weil die Knie sich bei zuviel Druck beschweren, aber in der Ebene sind wir praktisch beschwerdefrei und können prima rollen lassen. Ich freue mich. Meine Atmung ist angestrengt, eben deshalb, weil ich mich anstrenge, nicht weil ich aufgeregt bin oder Angst habe. Ich kann gut an Ampeln anfahren und bei grün auch wieder in die Gänge kommen. Ich klicke rechtzeitig und habe ein sicheres Gefühl.
Bei der Streckenteilung entscheiden wir uns für die kurze 42km Runde. Das ist für mich eine ordentliche km Steigerung und reicht mir vollkommen. Ich will mich schließlich heute Abend und vor allem nächste Woche noch bewegen können. Außerdem habe ich in den letzten Wochen gelernt, dass kleine Schritte ohne Beschwerden besser sind als ein großer Schritt, der mich dann zurückwirft. Also: Runde 4 mit 42km.
Ich fahren nun nach vorne in den Wind und kann prima treten. Die bis zur Streckenteilung üblichen 25km/h kann ich nun auf 28-29km/h aufstocken und weil der Mann auf dünnen Reifen sagt, ich soll sogar noch jemanden überholen, beschleunige ich auf 33km/h. Das hätte ich auch gut weitertreten können, aber das Knie braucht nicht gleich eine Überdosis von beidem Geschwindigkeit und Strecke. So fahren wir also mit 28-29km/h durch Frankfurt’s Süden und ich finde es prima.
Wir kommen 10Minuten vor dem Zeugwart und seiner Gruppe wieder am Start/ Ziel an und ich bin sehr froh, dass ich heute unterwegs war. Wieder ein Schritt in die Normalität zurück. Es ist prima, mit den anderen noch bei Kuchen, Wurst und Weizen zu sitzen. So schön normal für einen Sonntag. Irgendwie wie früher.