Unser Kalender ist für den heutigen Muttertag bereits seit Wochen voll. Gleich, als ich den Termin für die heutige Streckenbesichtigung der Radstrecke im Kraichgau erfahren habe, stand er auch schon im Kalender und glücklicherweise ist meine Mutter auf großer Tour, so dass ich sowieso keine Gelegenheit gehabt hätte ihr das obligatorische Kresseherz zu übergeben. Also gibt es beim Zeugwart und mir in der kommenden Woche mal Kresse auf Salat und heute dafür eine Radausfahrt im Kraichgau.

Wir sind super in der Zeit, als wir bei uns daheim losfahren und dank der relativ frühen Uhrzeit kommen wir auch gut durch, so dass wir schon eine halbe Stunde vor der geplanten Abfahrt am Hardtsee sind. Hier geht es ja dann in vier Wochen für mich los mit der Radfahrerei, nachdem ich durch das Wasser gepflügt habe, wie nicht ganz gescheit. So zumindest die Theorie. Pünktlich um 10h gibt es ein paar warme Worte vom Renndirektor und eine kurze Vorstellung unserer heutigen Radguides, die uns streckenkundig durch das  Land der 1.000 Hügel führen werden. Es wird in drei Leistungsgruppen gefahren. Wir sind uns schon von vorne herein darüber klar, dass das heute nicht zu Training zählt, sondern zu Besichtigung und dass wir deshalb die langsamste Gruppe auswählen. Schön, dass ich mit dem Zeugwart über sowas gar nicht groß diskutieren muß… wir sind uns sofort einig.

Langsamste Besichitigungsgruppe

Eingerahmt von zwei Ortskundigen macht sich unsere Gruppe dann als letztes auf um die Radstrecke des Ironman 70.3 Kraichgau abzufahren. Wir fahren Zweierreihe und gondeln gemütlich durch die Landschaft. Der Zeugwart und ich betrachten die Strecke, achten auf Besonderheiten und ich versuche ein paar exponierte Objekte mit den Kilometern auf meinem Tacho in Verbindung zu bringen, obwohl ich weiß, dass ich mich in vier Wochen sowieso nicht mehr daran erinnern werde. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt und sicherlich ist es für manch einen Athleten genau passend, sich solche Eckpunkte zu merken. Ich erinnere mich vielleicht dann vor Ort daran, wer weiß?

Der erste extrem gefürchtete Anstieg in diesem Wettkampf ist der Schindelberg. Der ist so gefürchtet, dass ich seit Wochen von allen Leuten, die mitreden möchten, erzählt bekomme, wie schlimm er ist. Zusätzlich wird auch immer noch über Kilometer 70 gejammert und die Radstrecke als unfassbar schwer und dramatisch beschrieben. Ein giftiger Anstieg nach dem anderen soll uns Athleten hier erwarten. Ich fahre jetzt erst mal den Schindelberg rauf, ohne ihn wirklich zu erkennen, denn auf einmal steht ein Schild am Wegesrand, auf dem Schindelberg steht und ich kann die kleine Kapelle schon sehen, die auf so vielen Bildern immer wieder als Hintergrund dient. Also so zum fürchten war das ja jetzt nicht.

Gut trainiert und schon oben

Scheint wohl am Trainingslager und den dauernden Anstiegen auf Mallorca zu liegen? Egal. Nach der Kapelle geht’s Berg runter und wir schlängeln uns ordentlich in Zweierreihe durch die Landschaft. An den Anstiegen falle ich zurück. Das war ja zu erwarten, allerdings habe ich es auch schwerer als sonst, denn ich kann hier nicht mein eigenes Tempo fahren. Die Gruppe bremst ab, schaltet runter, nutzt keinen Schwung und so muß ich nicht nur hochfahren, sondern mich auch noch anpassen. Das ist anstrengender als sonst. Wobei es mir zeigt, dass ich eigentlich auch schneller den Berg hoch komme, als ich es tue, wenn ich alleine fahre. Das könnte auch ein Trick sein.

Auf dieser Radtour gibt es zwei Verpflegungspunkte, an denen Powerbar Riegel, Gels und Getränke aufgebaut sind. Das ist für mich ziemlich unerwartet, ich bin flaschenmäßig nämlich bis an die Zähne bewaffnet. Aber ich fülle trotzdem auf, denn das dürften die Produkte sein, die es im Wettkampf dann auch zu greifen gibt. Ein Verträglichkeitstest ist also nicht verkehrt.

Wellig geht’s dann wieder zurück in Richtung See, wobei wir noch ein paar Anstiege verbuchen. Auch den bei Kilometer 70, der rund 300m lang ist. Bissig finde ich den jetzt nicht, steil isser aber. Und das nicht zu knapp. Bei meiner Geschwindigkeit arbeite ich mich hier also langsam, aber sicher, hoch. Jetzt ist es ja nicht mehr weit, aber zwischen der Wechselzone 2 und mir steht jetzt erneut der Schindelberg. Hier ging es zu Anfang ja schon gefürchtet hoch und dann stark beschleunigt runter und jetzt geht’s eben wieder zurück. Also wieder hoch, die Kapelle ist jetzt links und dann rollt es in die Wechselzone zwei.

Insider Informationen

Der Ortskundige gibt noch eine kurze Einweisung, wie und wo Wechselzone, Laufstrecke und Ziel angeordnet sind und dann bringt er uns zurück zum See. Nach 98km sind wir zurück am Parkplatz und können die Räder verladen.

Das Abfahren der Radstrecke vor so einem Wettkampf ist wirklich nicht verkehrt. Ich bin froh, dass ich jetzt weiß, dass jeder Angstanstieg, alles bissige und das, was wirklich ganz ehrlich zum fürchten ist, sich als machbar herausgestellt hat. Ich werde nicht mit 25km/h die Berge hochfliegen, aber zum sterben ist es auch nicht. Und das ist ja schon mal viel wert. Danke für die Möglichkeit dieser Vorerkundung!