Täglich bekomme ich rund 3 bis 4 mal Arztbesuch. Manchmal wird mein Zimmer von vielen Ärzten auf einmal besucht und dann wiederum kommen nur zwei. Ein Muster kann ich nicht erkennen. Aber in meinem Mikrokosmos Krankenzimmer, ist eh alles undurchschaubar und fremdgesteuert. Mein atmen durch eine Maschine, was es wann zu essen gibt, Blutabnahmen, Urinproben, Temperatur messen, Physiotherapie, Atemtraining, Röntgenkontrollen und Blutdruck messen, alles passiert, aber ohne, dass ich großartig etwas dazutue. Natürlich ist es meine Temperatur, mein atmen und mein Blut, was abgenommen wird, aber irgendwie habe ich auf das alles ja nicht wirklich Einfluß.

Fremdbestimmt

Ob meine Blutwerte gut oder schlecht sind, oder ob meine Lunge voll entfaltet ist, hat zwar mittelbar mit mir zu tun, aber beeinflussen kann ich beides in meinem Mikrokosmos nicht. Irgendwie ganz schön erschreckend. Man kann sich ziemlich fit fühlen und doch bemerkenswert krank sein.

Die erste Visite heute bringt ganz erfreuliche Tagesneuigkeiten. Heute möchte der Arzt erneut versuchen mich von der Sahara Maschine zu befreien. Ein großer Tag also. Wenn man eh keine Pläne hat, sondern alles nur von einer Minute auf die andere passiert, kommt einem so eine Abwechslung gerade recht.

2. Versuch

Nach der Visite geht es recht kurzfristig auch los. Das gleiche Prozedere wie schon vor zwei Tagen. Ich könnte fast mithelfen, aber ich bin weder gut im Blut sehen, noch im Schlauch abstöpseln. Kraft habe ich auch keine im Moment, also lasse ich es einfach geschehen. Vom Prinzip her, hat man eh keine andere Wahl. Die Ärztin stöpselt zusammen mit zwei Schwestern die Maschine an den bereits bekannten Beutel und ich bekomme alle Anweisungen von vor zwei Tagen noch mal ganz genauso. Glücklicherweise. Ich bekomme so viele Medikamente, dass ich unsicher bin, ob ich mich an alles tatsächlich genau erinnern könnte.

Also, aufpassen, dass sich der Beutel nicht aufbläht, sofort Bescheid geben, wenn Flüssigkeit reinläuft oder ich kurzatmig werde und ansonsten abwarten und ein bisschen rumlaufen. Immerhin ist das hier jetzt die Generalprobe für ein Leben ohne Maschine. Klingt ganz schön groß, was die Ärztin da so sagt. Generalprobe. Wow. Irgendwie wird mir jetzt etwas mulmig. Schafft es meine Lunge dieses mal? Eigentlich bin ich es ja, die es schaffen muß, aber manchmal spaltet man sich dann einfach von sich selbst ab. Ist wohl einfacher so.

Claudi gives it a TRI - Krankenhaus

Während ich darauf warte, dass der Termin zum Kontrollröntgenbild näher rückt, mache ich noch ein Runde Physiotherapie für meine Lunge und dann kommt auch schon der Transporter und ab geht’s zum röntgen. Wenn man die Welt nicht ändern kann, bringt es ja nichts, sich unter Druck zu setzen.

Röntgenkontrolle

In der bildgebenden Diagnostik geht’s flott, wie immer bisher. Wer mit dem Rollstuhl angekarrt wird, muß nicht lange sitzen, und nachdem die Empfangsdame geklärt hat, ob ich selbst in die Kabine komme, oder ob sie mich fahren soll, bin ich auch zackzack drin. Für die Röntgenfrau bewege ich mich heute schnell genug, obwohl ich nicht das Gefühl habe, dass ich flotter bin, als noch vor zwei Tagen. Vielleicht hat sie einfach mehr Zeit? Könnte ja auch sein.

Das Bild ist schnell gemacht und ich bin zügig wieder auf meinem Zimmer. Ich genieße noch ein bisschen die Freiheit, ohne Maschine zu sein, denn ohne dass ich es merke, kann dieser Zustand ja tatsächlich auch wieder überraschend flott beendet sein. Ist er aber nicht. Die Tür geht auf und die Ärztin inklusive Medizinstudent und Krankenschwester kommt rein um mitzuteilen, dass die Lunge voll entfaltet ist und der Drainageschlauch gezogen werden kann. Sie erklärt kurz das unangenehm klingende Verfahren und teilt mir mit, wie wichtig es ist, dass ich gut mitmache. Die Drainage zu ziehen ist kein Pappenstiel, der Schlauch ist immerhin über 1cm im Durchmesser und wenn er draußen ist, muß die Öffnung auch gleich vernäht werden. Und ich sehe hier keinen, der mir eine Narkose verpassen könnte.

Augen zu und durch

Ich habe es ja weder besonders dolle mit Blut oder Narben und alleine die Vorstellung, dass sie mir gleich einen Schlauch aus dem Körper zieht, ist kein wirklich behagliches Gefühl. Aber die Alternative ist, dass der Schlauch drin bleibt. In meinem Brustkorb. Keine Option. Also Augen zu und durch. Einatmen, Ausatmen, Atem anhalten, Einatmen, Ausatmen und da isses. Ein unangenehmes Gefühl, ein Schmerz nahe der Achselhöhle und ein kreidebleicher Medizinstudent, der sich an meinem Bett festhalten muß. Dann ist der Drainageschlauch aus meinem Körper verschwunden. Meine Lunge, mein Kreislauf und ich sind jetzt wieder selbst für einander verantwortlich.

Ein großer Erfolg.