Natürlich kann es nicht immer himmelhoch jauchzend sein, aber deshalb hat man Freunde und Sachen um sich abzulenken. Der Weg nach so einem Unfall zurück ist anstrengend und oftmals nervig, nicht umsonst und niemals vergebens. Motivation und Wille sind ein großer Teil wenn es  um das Genesen geht. Der Körper wird irgendwie leichter gesund, wenn der Kopf zufrieden ist und wenn es ab und an mal Erfolgserlebnisse gibt.

Erfolge feiern

Meine Erfolge sind winzig, aber sie sind da. Letzters ist das Wichtigste, logischerweise. Ich kann immer mehr Positionen finden, in denen ich fast schmerzfrei liegen oder sitzen kann. Man glaubt gar nicht, wie erholsam das sein kann, schmerzfrei zu liegen, ohne dass etwas zwickt oder einem kurz die Luft wegbleibt (was ja wegen des Pneuemothorax- Erholungsfaktors dringend zu vermeiden ist). Ich kann mittlerweile auch meinen Lungentrainer schwerer stellen und trotzdem noch die gleichen Übungen verrichten. Irgendwie habe ich es deshalb heute im Gespür, für den Aktiven, zu dem ich heute wieder gehe, geht’s mir schon wieder viel zu gut. Er wird Mittel und Wege finden Schmerzpunkte zu erzeugen und der Stressball wird heute ganz sicher auch wieder genau wissen, warum er Stressball heißt und nicht anders. Ich ahne fürchterliches.

Waldweg

Wie schon die letzten Male, laufe ich zur Physiotherapie. Das ist quasi meine eine lange Trainingsrunde. Wie beim üblichen Lauftraining, macht man ja auch öfter mal kurz und dann eben auch mal eine lange Einheit. Meine ist heute. Da ich mein Handtuch in der Praxis gelassen habe, gehe ich nur mit meiner Bauchtasche, die seit dem ich auf den Schultern nichts mehr trage soll, als Handtasche fungiert. Mein Bauch hat ja nichts und kann deshalb tragen. Es ist heiß heute. Der Sommer bäumt sich ein letztes Mal auf, ehe der Herbst mit großen Schritten auf das Rhein-Main-Gebiet zueilt und so creme ich mich gut mit Sonnencreme ein und ziehe heute früh gleich ein Shirt an, dass die Narbe an der Schulter gut bedeckt.

Frische Narben haben es ja nicht so mit Sonne, egal ob viel oder wenig Sonnencreme und gleichwohl welcher Lichtschutzfaktor. Also lieber vorbeugen, statt sich nachher mit noch mehr Beschwerden rumquälen.

Live

Wie jedes Mal, wenn ich alleine unterwegs bin, starte ich meine Garmin Uhr mit dem Livetracker. Ich möchte irgendwie haben, dass der Zeugwart zumindest nachsehen könnte, wo ich so bin. Ich denke nicht, dass was passiert, aber vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. Am 24. Juli habe ich auch nicht gedacht, dass etwas passiert und dann? Dann gab es eine plötzliche Wendung, die uns bis heute und wahrscheinlich noch weit darüber hinaus beschäftigt. Es kann also ganz schnell gehen.

Ich gehe locker, achte auf den Weg und fühle mich gut. Wegen der vielen gebrochenen Rippen gehe ich sehr aufrecht, aber das ist hauptsächlich komisch anzusehen, weil man sonst eher etwas in sich zusammenfällt. Ich bin derzeit eher in der Abteilung Model mit Buch auf dem Kopf tätig. So laufe ich also durch den Wald und atme auch immer mal ganz tief ein um zu prüfen, dass auch alles nach Plan läuft. Ich bin mir nach wie vor nicht sicher, ob ich dieses ständige tiefe Einatmen überhaupt vor dem Unfall hätte machen können. Ein tiefer Atmer war ich irgendwie nie… wahrscheinlich nutze ich meine Lunge jetzt mehr als je zuvor? Entdecktes neues Potential also! Das klingt doch gut.

Claudi gives it a TRI - 11 Minuten

Ich bin genauso früh losmarschiert, wie beim letzten Mal und fühle mich ähnlich geschafft, während ich jetzt so durch den Wald gehe. Heute begegnet mir keiner, die Hitze hält die Menschen wohl in ihren Wohnungen? Dabei ist es im Wald wirklich angenehm und auch ansonsten möchte ich mich nicht über den kurzen Sommersinneswandel beschweren. Ein paar Tage knappe 30 Grad ist jetzt wirklich nichts, was einen europäischen Sommer unerträglich macht. Als ich bei der Physiotherapie ankomme, zeigt die Uhr wieder genau die 5km vom letzten Mal. Allerdings bin ich dieses Mal 11 Minuten schneller unterwegs gewesen, als beim letzten Mal!

Weltrekord

Das ist doch wirklich erstaunlich. Meine Lunge scheint sich wirklich gut zu erholen und -obwohl mir klar ist, dass man noch nicht von Leistung sprechen kann- sie wird leistungsfähiger. Das freut mich sehr. Der Flitzer stellt treffsicher fest, dass ich in 8 Wochen Weltrekord laufen kann, wenn ich so weitermache mit den Leistungssteigerungen und ich finde, dass da ganz sicher bestimmt etwas Wahres dran ist. Man muß einfach Ziele haben im Leben und so ein Weltrekord ist für jemanden nach einem Fahrradunfall sicherlich absolut im Rahmen der Möglichkeiten. Ich bin mir nur nicht ganz sicher, ob er mit den 8 Wochen nicht leicht übertrieben hat. Vielleicht sollte ich mir diesbezüglich nicht ganz so massiven Druck aufbauen?

Physiotherapie

Heute hat der Aktive wirklich großes Glück. Ich ertrage alle Schmerzen, die er mir zufügt mit Fassung, soweit es eben möglich ist und ich verspreche auch die Hausaufgaben nach seinen Vorgaben zu erweitern und durchzuführen. Ausreden fallen mir halt auch keine ein und der Aktive hat gute Erklärungen, was etwas bringt und warum. Gut, dass er so sympathisch ist. Heute tut es ordentlich weh und ich glaube auch meine Hausaufgaben werden mich täglich mehrfach in die Schmerzregionen von heute zurückführen. Unglaublich, was so eine Schlüsselbein Operation und ein paar gebrochene Rippen inkl. Pneumothorax so alles mit einem Körper machen. Und ich dachte, ich wäre gut trainiert!