Endlich ist er da, der langersehnte Arzttermin, wie das Licht am Ende des Tunnels. Heute soll es endlich wieder so weit sein, die Nachkontrolle steht an. Die Hoffnung stirbt zuletzt, dass alles gut geheilt ist und dass wir einen Schritt nach vorne machen können. Allerdings war der letzte Arztbesuch ja ernüchternd und so mache ich mir mal nicht zu viele Gedanken über das „was wäre wenn“, sondern bin vorsichtig.

Bus & Bahn

Da ich weiterhin kein Auto fahren darf, nutze ich den öffentlichen Nahverkehr im Rhein-Main-Gebiet und kaufe mir eine Fahrkarte über eine Handy App. Die Welt ist sowas von fortschrittlich geworden, seit dem ich lebe, unfassbar. Als Kind habe ich noch Pappfahrkarten in einen Automaten im Bus gedrückt, die man -als Betrugsversuch- auf beiden Seiten gestempelt hat oder wegen ihrer Dicke sogar auseinanderziehen konnte um sie dann neu zusammenzukleben und heute kann man Fahrkartenautomaten links liegen lassen und wenn die Bahn einfährt auf einen Knopf auf dem Handydisplay schauen.

Überraschenderweise findet der Kontrolleur meine Handyfahrkarte ganz normal. Er hat mein Alter, scheint im Kopf aber ganz offenbar weniger blockiert zu sein als ich. Für ihn ist es ganz normal, dass ich ihm bei der Kontrolle mein Display hinhalte. Schöne neue Welt! Auch heute, wie bereits beim letzten Mal, gebe ich fleißig Auskunft welche Bahn wohin fährt, weil ich scheinbar eine der wenigen Passagiere bin, die sich in der Lage fühlt die Beschilderungen zu lesen. Die U-Bahn, die ich nehmen möchte, hat heute eine Betriebsstörung. Ich bin froh, dass ich frühzeitig losgefahren bin. Mit mehr als 30 Minuten Verspätung komme ich beim Arzt an. Aber 5 Minuten vor meinem Termin.

Ich bin ein Planungsfuchs.

Rippenprüfung

Auch mein Arzt hat heute Hoffnung und so legt er auch gleich los. Wir testen die Flexibilität der Rippen und des gesamten Brustkorbs. Wir im Sinne von, er testet und es sind meine Rippen. Ich tue ansonsten nichts, außer aushalten. Die Untersuchung ist unangenehm, aber nicht schmerzhaft, trotzdem bin ich froh, als wir durch sind. Das Ergebnis ist super… das Licht am Ende des Tunnels ist in Reichweite! Die 10 Rippenbrüche sind alle stabil verheilt und die Deformierung des Brustkorbs, die uns seit ein paar Wochen aufgefallen ist, ist ganz normal, weil jeder Bruch mit etwas Extraknochenstruktur ummantelt wird. Irgendwann, wenn mein Körper findet, dass die Zeit gekommen ist, baut er das wieder ab. Wahrscheinlich, so der Arzt, wenn er mal keine anderen Baustellen hat. Wenn das etwas dauert, habe ich da jetzt halt erst mal einen Hingucker, was aber nicht so schlimm ist, denn bei Frauen schaut jeder eher aufs Dekolletee, als auf den Brustkorb. Er wird es wissen.

Einatmen

Weiter geht es mit meiner Lunge. Die war ja zum großen Teil auf der linken Seite kollabiert und ich merke nach wie vor, dass mir Kondition fehlt, wenn ich eine Treppe hochgehe. Beim Betrachten des Bildes könnte man auch meinen, dass es sich um ein Hochzeitsbild handelt, so verzückt wird es angeschaut. Die Lunge ist voll entfaltet. So wie ich mich fühle, habe ich auch nichts anderes erwartet, trotzdem ist es natürlich schön, wenn es bestätigt wird. Zusätzlich hört sie sich gut an. Sie ist noch nicht so fit, aber bereit das zu ändern. Diesen Zustand hat mein Arzt im Dezember erwartet. Weihnachten kommt also für uns beide in diesem Jahr etwas früher als erwartet.

Mein Lungentraining geht auf jeden Fall noch weiter, denn die Vernarbungen sollen flexibel gehalten werden. Trotzdem ist das Licht am Ende des Tunnels hier deutlich zu sehen. Was man in den ersten Monaten an Flexibilität zurück erarbeitet, nimmt einem keiner mehr und die Chance dass ich mein komplettes Lungenvolumen zurückerhalte ist umso größer. Das, was ich ggf. nicht zurückerarbeitet kann, wird im besten Fall so gering sein, dass es kaum ins Gewicht fällt. Die Vermutung liegt nahe, dass ich das nichtmal merken würde.

Schlüsselbein

Die letzte Baustelle, die mein Körper derzeit so hat, ist das Schlüsselbein. Derzeit -und das vielleicht für immer- verziert mit einer Titanplatte. Die muß ordentlich verknöchert sein, damit ich meinen Arm zukünftig wieder voll belasten kann. Belasten heißt in diesem Fall nicht nur mit Gewicht (derzeit bin ich ja auf 500gr-1kg begrenzt), sondern auch eine komplette Mobilität (die liegt derzeit bei 90°). Die Besichtigung des Schlüsselbeins hat also zwei Aspekte und deshalb halte ich bei den zahlreichen Röntgenbildern auch ganz besonders still. Nicht, dass etwas verwackelt und dann die Unschärfe dafür sorgt, dass der Arzt denkt, da stimmt noch was nicht. Also bin ich die Ruhe selbst und es lohnt sich. Der Arzt schaut ganz begeistert auf die Röntgenbilder und in einem Vergleich mit den Bildern vom Unfalltag, kurz nach der OP, vor vier Wochen und heute, erklärt er mir auch, worauf zu achten ist. Das heutige Bild ist vorbildlich, fast lehrbuchwürdig.

Und so bekomme ich die Erlaubnis zur Vollbelastung und die Empfehlung, dass ich es aber nicht gleich übertreiben soll. Es gibt also tatsächlich ein Licht am Ende des Tunnels. Ich kann nun also langsam starten. Wow. Ich freue mich. Auf dem Heimweg halte ich mich gleich mal in der S-Bahn mit dem linken Arm fest. Immerhin darf er ja jetzt wieder. Richtig können tut er es allerdings noch nicht. Vielleicht ist es auch übertrieben, gleich einen S-Bahn Zug festhalten zu wollen?