Ich bin heute früher als sonst und deshalb ist es auch noch ziemlich dunkel, als ich mich in die Laufklamotten werfe und vor die Tür trete. Wenn es nicht so dunkel wäre, hätte ich bereits im Haus mit einem Blick aus dem Fenster feststellen können, dass es sprüh regnet und deshalb vielleicht eine Regenjacke passender wäre. Aber es ist halt so dunkel, wie es ist und ich gehe jetzt bestimmt nicht noch mal rein um mich umzuziehen. Dann muß ich mir auch die Dreckschuhe wieder ausziehen, und das ist mir alles jetzt zu kompliziert. Sprüregen ist ja schließlich kein Platzregen und für meine kleine morgendliche Walkingrunde wird mich das nicht umbringen. Wahrscheinlich kann ich bei dem Wetter sicher sein, dass mir kein einziger meiner gerade erst neu gewonnenen Morgensportbekannten begegnen, aber ich lasse mich mal überraschen. Man soll den Tag ja schließlich nicht vor dem Abend loben.

Im Sprühregen bin ich sehr froh über meine Kontaktlinsen. Mit Brille ist so ein Regen in keinem Fall ein Vergnügen, mit Kontaklinsen stört er mich überhaupt nicht. Diese Lebensqualität ist wirlich unbezahlbar. Ich marschiere einsam durch die Dunkelheit, schaue ein paar Rehen am Waldrand zu, wie sie feststellen, dass es jetzt mit den Menschen losgeht und sich deshalb wieder ins Unterholz verziehen und komme wirklich gut in den Tritt. Ich schüttel meine XCO’s und marschiere also durch den Sprühregen. Mein Puls ist genauso hoch, wie sonst beim laufen. Schön, dass ich ihn hoch kriege, deprimierend, dass er durch reines marschieren so hoch geht.

Das Feld mündet an eine Straßenengstelle, wo es aus dem Ort heraus mit Vorfahrt in den Wald hineingeht. Alle die aus dem Wald kommen, müssen also an der Engstelle anhalten und Vorfahrt gewähren, falls jemand den Ort verlassen möchte. Eigentlich eine klare Verkehrsregelung, wie ich finde. Früh morgens gegen 7h, schaut die Welt offenbar für viele Verkehrsteilnehmer doch anders aus und es wird wild gehupt. Bereits von weitem kann ich die Huperei gut hören und natürlich werde ich bei erreichen der Engstelle auch Zeuge, wie fleißig die Vorfahrt genommen wird und sich die Autofahrer gegenseitig schon früh am Tag in Rage bringen. Da scheinen heute einige Kaffees nicht geschmeckt und viele mit dem falschen Fuß aufgestanden zu sein. Es wird auf jeden Fall keinem ein Millimeter gegönnt und da es bei so einer Engstelle ja hauptsächlich auf Timing ankommt, nutze ich die Gelegenheit, wenn gerade mal wieder einer von der nicht Vorfahrtsseite sein Glück versucht und schlüpfe mit hindurch.

Ich habe großes Mitgefühl mit den vielen bereits jetzt genervten Autofahrern und ahne, dass es für meine Fahrt zur Arbeit, die zwar erst später statt finden wird, nicht besser werden kann. Wenn ein Tag so beginnt, ist selten mit Besserung über die Zeit zu rechnen. Wer weiß, wie agressiv es dann erst auf der Autobahn oder in der Großstadt zugeht? Ich laufe weiter, vorbei am Friedhof und selbst hier höre ich die Huperei noch wirklich gut, so dass ich jederzeit damit rechne, dass jemand aus seinem Grab rauskommt und fragt, ob es noch geht. Das passiert aber nicht.

Mittlerweile sind ein paar Hundeführer unterwegs und ich werde mit großen, wachsamen Hundeaugen angeschaut. So viel Sportlichkeit sind die Tiere so früh am Tag offenbar nicht gewöhnt. Ein Exemplar entscheidet sich, dass es mit mir offensichtlich netter ist, als mit Frau Hundeführerin und läuft eine Zeit lang neben mir her. Bis es Frauchen zu weit weg wird und sie den Hund zurückpfeift. Bis dahin aber, hatte ich nette Gesellschaft. Und der Hund war begeistert, dass es mal ein paar Takte schneller ging als rumspazieren.

Die Runde, die ich mir für heute vorgenommen habe, sind wieder etwas über 3km von letzter Woche und ich komme heute wieder ein bischen flotter voran. Durch das nasse Gras und ordentlich Blätterhaufen hindurch, bin ich wieder auf dem Heimweg, als mir noch ein Dackel begegnet, der ebenfalls unbedingt mit mir mitlaufen möchte. Sein Herrchen schaut derweil lieber auf sein Handy und ist am frühen Morgen auch bereits ziemlich genervt. Könnte gut sein, dass er eigentlich zu der hupenden Fraktion von der Engstelle gehört. Das weiß ich aber natürlich nicht. Die 3km sind flott abmarschiert und ich bin nach 26 Minuten wieder zurück daheim. Die XCO’s haben es geschafft meinen Puls in ordentliche, sporttaugliche, Höhen zu bringen und der Sprühregen war genau passend schwach, dass ich nicht komplett durchweicht bin. Lediglich die oberste Schicht ist richtig nass, aber dafür hat man so eine Jacke ja schließlich auch an.

Es ist wirklich schön, wieder annähernd sportlich unterwegs zu sein.