Nach so einem Unfall, wie dem meinem, bekommt man üblicherweise von allen behandelnden Ärzten entsprechende Prognosen. Ich war auch unheimlich neugierig zu erfahren, wie lange die Genesung dauert, mit was für Langzeitschäden zu rechnen ist und ob eine vollständige Erholung überhaupt wahrscheinlich und wenn ja, zeitlich absehbar, ist. Besonders interessant wird es, wenn nicht nur die behandelnden Ärzte sondern auch der Bekanntenkreis oder vermeintliche Freunde zu jedem Krankheitsbild, jedem Wehwehchen und jeder Therapieform eine Erfahrung mitzuteilen haben. Schließlich sind schon viele mit dem Fahrrad schwer gestürzt oder kennen jemanden, der jemanden kennt, der mal mit dem Fahrrad gestürzt ist, so dass ein weitreichender Erfahrungsschatz in meinem Umfeld zu finden ist.

Von „Du stellst Dich aber an“, über „Du wirst bestimmt nie wieder Fahrrad fahren wollen“, bis hin zu „da kannst Du aber froh sein, dass Du am Leben bist“ ist mir seit meinem Unfall praktisch jeder Spruch im Gehörgang platziert worden. Und die meisten natürlich, ohne dass ich danach gefragt hatte, weil die Menschen ihre Erfahrungen einfach gerne mitteilen. Da vieles im Bereich der Genesung hauptsächlich im Kopf passiert, weil jeder Körper immer nur so gut ist, wie der Kopf ihn steuert, habe ich schon nach meinem letzten Fahrradunfall gelernt, nicht so viel auf die meist negativen Bemerkungen anderer zu geben. Ja, jeder Unfall und jede Krankheit ist schrecklich. Ja, es wäre besser, wenn man ihn vermieden hätte, deshalb heißt es ja auch Unfall und nicht geplanter Abgang. Ja, ohne Narbe war es besser und hübscher und sich jetzt wieder aufzurappeln wird bestimmt schwer. Ja, ja, ja.

Ich weiß das alles.

Ich weiß, dass viele das nicht könnten oder wollten. Tägliche Physiotherapie, Schmerzen ertragen und dabei lächeln, weil man weiß, dass es irgendwann besser wird. Kleine Sportbrötchen backen, weil an große Ziele nicht zu denken ist. Ich weiß, dass die Menschen viel reden, wenn der Tag lang ist und sich die Spreu vom Weizen in Zeiten wie diesen, wo das Leben Hürden in den Weg gelegt hat und das Lächeln manchmal schwer fällt, trennt. Ich weiß, dass sich das keiner aussuchen würde, wenn man es könnte. Ich mir ganz bestimmt auch nicht. Sich Leid, Schmerzen und Lebensgefahr auszusuchen grenzt an Verrücktheit, wer also käme auf die Idee? Darum geht es aber nicht.

Man hat keine Wahl. Der Spruch, man hat immer eine Wahl, hilft hier nur bedingt. Die Wahl ist hier die Aufgabe bzw. welchen Lösungsansatz man wählt. Das Leben stellt die Aufgaben, ohne zu fragen, wie man das findet. Und wenn die Aufgabe da ist, dann will sie gelöst werden. Und während ich meine derzeitge Aufgabe löse und natürlich stets froh bin, dass ich sie lösen kann und nicht gestorben bin, hilft es mir, meinen Kopf auch immer mal mit einem anderen, aber dennoch verwandten, Thema zu beschäftigen.

Ich lese ein Buch.

Wenn der Kopf möchte, kann der Körper. Zumindest klappt das zuverlässig bis zu einer gewissen Grenze. Selbstverständlich wird auch der motivierteste Kopf niemals bei der Tour de France mitfahren, wenn das Training nicht paßt oder der Körper nicht mitmacht. Aber viel wichtiger ist, wenn der Kopf nicht mitmacht, dann kann der Körper noch so gut trainiert haben… bei der Tour de France wird die Person trotzdem nie am Start sein.

Siegen ist Kopfsache

Matt Fitzgerald hat die Leistungsfähigkeit des Kopfes und dass es auf gar keinen Fall ohne möglich ist, in seinem Buch „Siegen ist Kopfsache“ packend aufgeschrieben. Das Buch gibt entscheidende Taktiken Preis, mit denen Sportler ihren Kopf stärken können und ist auf Sport und das Leben an sich gleichermaßen anwendbar. Im Endeffekt ist es egal, ob man sich übermäßig anstrengt, oder ob einem alles zufliegt, man muß sich auf seine Gedanken verlassen können. Zum richtigen Zeitpunkt das richtige denken und den Kopf bei der Sache zu halten, das ist die wahre Kunst.

Ich kann meinen Kopf gut bei der Sache halten. Es fällt mir nicht schwer fokussiert zu bleiben, weil das große Ganze zählt und ich nur wieder zurück zu einem normalen Leben finde, wenn ich dran bleibe. Die Erholung meiner Lunge hat das gut gezeigt und mit meiner Beweglichkeit wird es ganz sicher ähnlich laufen. Meine Kondition wird nur dadurch zurückkommen oder neu trainiert werden, wenn ich es mache. Ohne Fleiß kein Preis, ohne Training kein Ergebnis und mit schlechten Gedanken kein Erfolg. Und dabei ist normales morgendliches anziehen, schmerzfreies Auto fahren und eine schmerzfreie Anwesenheit am Arbeitsplatz für meinen Vollzeitjob das Zwischenziel. Ja, ich möchte auch mal wieder hoch hinaus, aber wenn man sich zu große Ziele steckt, schafft es selbst der motivierteste Kopf nicht, einen bei der Stange zu halten.

Wer etwas Motivation im Leben braucht, egal ob für den Sport oder einfach so, kann das Buch von Matt Fitzgerald gut unter dem Weihnachtsbaum (oder auch einfach so) gebrauchen. Siegen ist Kopfsache, da hat er einfach recht und das Buch ist diesbezüglich zwar keine Therapie, aber eine angenehm zu lesende, kurzweilige Hilfe, um Zweifel zu überwinden und positiv zu denken. Ich finde es ein tolles Weihnachtsgeschenk, auch wenn man im kommenden Jahr große Sportpläne hat, denn jeder Triathlon wird irgendwann schwer und dann hilft eine gute Kopftaktik unheimlich weiter.

Das Buch „Siegen ist Kopfsache“ ist im Spomedis Verlag erschienen und kostet 18,95EUR.