Die sportlichen Athleten auf der Finca stehen heute um 7:30h für die üblichen 5 Tibeter am Pool. Ich nehme auf Geheiß des Aktiven nicht an Dehnungsübungen teil, wir arbeiten ja immerhin daran, dass die Hüfte stabiler wird, da braucht es auf keinen Fall Dehnung. Kraft ist das Schlüsselwort. Aber morgens am Pool wird gedehnt, also sitze ich dabei und wache noch etwas auf.

Cappuccino

Im Anschluß frühstücken wir alle gemeinsam und erfahren, dass wir um 9:30h zum schwimmen aufbrechen. In den üblichen Gruppen. Ich bleibe Teil der Cappuccino Gruppe, erstens, weil ich ja mittlerweile ganz gerne mal einen Kaffee trinke und zweitens, weil wir mit der Hübschen, dem Gesetzeshüter und dem Zeugwart damit sowieso eine extrem gute Mischung bilden. Ich glaube, vor allem im Spaß haben, ist unsere Gruppe ganz weit vorne. Und darauf kommt es ja hauptsächlich an. Keiner von uns verdient mit Triathlon Geld.

Schilf

Heute begleitet uns der Tonangeber. Der startet dieses Jahr in Hamburg beim Ironman und weil wir dort nicht ewig auf ihn warten möchten, ist es wichtig, dass er heute auch mal mit der absoluten Powergruppe mitfährt. Ich trage ein Radtrikot vom 70.3 UK, ein auslaufendes Ironman Event und schon brechen wir auf in Richtung Schwimmbad. Geschwommen wird heute im Club Pollentia, im Freibad, der Weg dorthin führt uns durch die allseits bekannte Schilfstrasse, die eigentlich auf der Landkarte eine entsprechende Erwähnung finden sollte. Jeder Radsportler auf Mallorca kennt die Strasse und doch heißt sie auf der Karte nicht so. Unfassbar, was ein Versäumnis.

Nachdem wir am Anfang der Schilfstrasse noch einen schweren Autounfall begutachten und der Tonangeber schnell herausfindet wie der Unfallhergang war, zischen wir schnell ab in Richtung Meer. Die mallorquinischen Polizei findet es sicherlich nicht so top, wenn ein deutscher Tonangeber ihre Arbeit macht. Wir düsen dem Meer entgegen und wundern uns über die zahlreichen riesigen Rennradgruppen, die uns entgegen kommen. Macht das Spaß in Gruppen von 50 Radlern durchs Land zu fahren? Das stelle ich mir nicht nur unschön, sondern auch gefährlich vor. Aber egal. Meine Gruppe ist zehnmal so klein und schwups sind wir trotzdem in Alcudia. Weil wir doch recht flott unterwegs sind, wirft der Tonangeber noch eine seiner Flaschen auf die Strasse… so macht man Kunstpausen.

Schwimmtraining

Am Club angekommen gibt es dann ein fieses Schwimmtraining. Ich weiß nicht so wirklich, was sich der Tonangeber davon erhofft, aber wahrscheinlich einfach, dass wir besser im schwimmen werden? Wie banal.

Club Pollentia

Ob das bei mir von Erfolg gekrönt sein wird, kann ich nicht voraussagen. Ich werde nach dem Schwimmtraining aber ganz sicher ziemlich platt sein und frage mich, was mit der Androhung, ich muß danach noch zum Kloster fahren, gemeint ist. Wahrscheinlich gibt es noch ein Kloster, was nicht auf einem Berg liegt. So muß es sein. Eines, was auch zufällig Lluc heißt. Wunder gibt es ja immer wieder.

Wunderkloster

Nachdem wir im Club Pollentia noch ein kleines nach-schwimm-Päuschen eingelegt haben, setzen wir uns auf die Räder und tatsächlich fährt der Tonangeber in Richtung Kloster Lluc voraus. Kein Alternativkloster in einem Tal ganz nah, nein, er fährt in Richtung Kloster Lluc. Dem Kloster. Altbekannt und auf einem Berg. Wir fahren 20km immer nur Berg auf, sagt der Tonangeber und dabei hat er noch nicht mal ein schlechtes Gewissen. Unfassbar.

Als es in den richtigen Anstieg reingeht, schert der Tonangeber aus und teilt mit, dass jetzt jeder für sich fährt und dass wir oben am ersten Gipfel aufeinander warten. Gut, bei mir und meiner Kondition ist sicher, dass ich da auf keinen warten muß, aber um ihm das mitzuteilen habe ich keine Puste. Und so befinde ich mich innerhalb von zahlreichen Kamikazeradlern auf ihrem Weg zum Meer runter und einigen anderen Rennradfahrern auf dem Weg nach oben, mittendrin im Berg. Wie letztes Jahr, nur von der anderen Seite. Es ist tatsächlich ähnlich wie im letzten Jahr, wer hätte das gedacht?

Engländer

Eine Gruppe Engländer zieht vorbei und feuert mich an. Die sind aber nett. Go Girl und Let’s do it höre ich noch, dann sind die Herren vorbei gezogen. Aber ich bin erneut motiviert und trete konsequent weiter. Mit 8 kontinuierlichen Km/h fällt man am Berg wenigstens nicht um. Ziemlich überrascht bin ich, als ich erneut von hinten Radler ankommen höre und diese mir wieder aufmunternde englische Anfeuerungen zu Teil werden lassen. Erst jetzt wird mir bewußt, dass die Anfeuerung vielleicht auf das 70.3 UK Radtrikot zurückzuführen ist. Engländer grüßen ihre vermeintlichen Landsleute offenbar. Ich werde auch von den entgegenkommenden Radlern genickt und mit Handzeichen gegrüßt. Später muß ich unbedingt die Hübsche fragen, ob ihr das auch so gegangen ist.

Ruhe am Berg

Bei Km 7 am Berg kommt mir der Tonangeber entgegen. Er fährt runter und schaut nach dem Gesetzeshüter und dann ruft er uns an, schreit er mir zu. Ahh ja. Also mich braucht er nicht anrufen, denn am Berg bin ich nicht in der Lage Gespräche zu führen und damit fallen Telefonate ebenfalls aus. Nett, dass er glaubt, dass das was wäre, aber dieses allgemeingültige Reglement sollte er ja eigentlich kennen. Egal. Ich lasse mich nicht beirren und fahre den Berg einfach weiter hoch. Ich habe ja auch noch ein gutes Stück vor mir. Es wird wieder etwas ruhiger am Berg, gerade kommen keine Autos und Radfahrer sind nicht in Sicht. Der Ausblick ist top und ich bin wirklich sehr froh, dass ich mich entschieden habe, wieder auf’s Rad zu steigen.

Radsehnsucht kann man nur mit Rad fahren heilen. So einfach ist das. Ich versinke etwas in Gedanken und mache immer mal ein Päuschen zum Durchschnaufen. Dann höre ich wieder eine Radgruppe näher kommen und ein Engländer fährt an mir vorbei und ruft mir lautstark „God save the Queen“ zu. Also dieses Radtrikot ist, was Anfeuerung am Berg angeht, wirklich hilfreich. Wunderbar. Überraschenderweise komme ich irgendwann auch tatsächlich oben am Col an, wo mich die Hübsche und der Zeugwart bereits freudestrahlend erwarten. Beide hätten wahrscheinlich niemals mit meiner Ankunft gerechnet. Aber ich habe den Berg bezwungen. Und bin jetzt am Feministengipfel, der erste Gipfel vor dem Kloster.

Umdrehen

Die Hübsche ruft den Tonangeber an und der teilt mit, dass der Gesetzeshüter und er eine Eisdiele am Meer aufgesucht haben und er vorschlägt, dass wir jetzt umdrehen und dazustoßen. Umdrehen? Ich bin doch nicht hier rauf gefahren um das Kloster nicht zu sehen. Wie meint er das? Das kann er nicht ernst meinen. Und wieso ißt er überhaupt Eis und schickt die Engländer um mich anzufeuern? Ich werde das mit der Chefin besprechen müssen, falls ich mich später ausreichend erhole. Ansonsten halt morgen. Oder irgendwann.

Natürlich fahren wir weiter. Zum Kloster. Keine Frage! Wir fahren nicht nur zum Kloster, sondern genießen auch ein Stück Mandelkuchen und scheuchen eine Katze weg. Dann sind wir frisch gestärkt und fahren wieder runter. Allen entgegen fahrenden Radlern spreche ich Mut zu, wenn ich es geschafft habe, schaffen die es auch. Keine Frage. Und den Engländern rufe ich im Geiste „God save the Queen“ zu. Ich trage meine Windweste und bin deshalb nicht mehr so leicht als Landsmännin zu erkennen.

Eis in Sicht

Am Fuße des Berges setzt sich die Hübsche an die Spitze unseres kleines Zuges und gibt Vollgas. Mit Aussicht auf Eis in der Eisdiele des Tonangebers, geben wir alles und fahren im Gegenwind wie die Verrückten bis zum Flugzeugkreisel. Erfreulicherweise kann ich mich hauptsächlich im Windschatten aufhalten, während der Zeugwart und die Hübsche einen Affenzahn vorlegen. Alles für ein Eis am Meer, eine tolle Vorstellung. Der Tonangeber winkt uns am vereinbarten Kreisel zu und steigt auf sein Rad auf. Ich bin verwirrt…. wo ist das Eis? Die Ansage lautet, dass wir jetzt weiterfahren und zwar bis zur Finca zurück, weil wir eh schon so spät sind.

Genug ist genug

Unfassbar. Er meint es ernst. Er behauptet geradeheraus, dass es ausreicht, wenn man ein Stück Mandelkuchen pro Ausfahrt ißt. Da fährt er so lange schon Rad auf dieser Insel und tatsächlich hat er die wichtigste Regel noch immer nicht verstanden. Ein Stück Mandelkuchen ist nie genug. Überhaupt kann man Mandelkuchen und genug sowieso nie in einem Satz nennen. Während wir nun also zurück in Richtung Schilfstrasse fahren und die Herren vom Hunger getrieben beschleunigen, kann ich kaum mehr in die Pedale treten. Ich teile der Hübschen, die vor mir fährt mit, dass ich vor der Schilfstrasse eine Pause mache, egal, ob die anderen anhalten oder nicht. Sie bestätigt kurz, dass sie das genauso sieht. Wir sind ziemlich am Ende.

Erholungsmauer

Erfreulicherweise hat der Zeugwart auch einen Pausenwunsch und so halten wir an der Mauer der Erholung am Eingang zur Schilfstrasse und ruhen uns kurz aus. Der Gesetzeshüter bietet an, dass wir uns alle in seinen Windschatten hängen können und so steigen wir in den gesetzlich konformen Zug ein und fahren in angenehmer Geschwindigkeit zurück durchs Schilf. Und sind überhaupt nicht angestrengt. Also alle, bis auf den Gesetzeshüter natürlich. Der ist ja schließlich vorgefahren. Wir haben noch ein paar Kilometer bis zur Finca und tatsächlich zeigt der Garmin als ich ihn vor Ort stoppe 109km an.

Ich verschwinde sofort zur Abkühlung im Pool und verbleibe mit meinen Gruppenkollegen eine gefühlte Ewigkeit da drin, bis wir abgekühlt und der Pool richtig aufgeheizt ist. Beim Abendessen greifen wir richtig zu. Die Queen wäre stolz auf uns.

God save the Queen.