Immer öfter kann ich mich entscheiden, ob ich bemitleidet werde, ob man über meine Verletzungen und das, was höchstwahrscheinlich zurück bleiben wird (oder einfach noch extrem lange dauert) hinwegwischt, weil es ja Pillepalle ist oder ob ich einfach viel zu viel Risiko eingehe. Viel dazwischen gibt es nicht. Jedes Mal, wenn ich aufs Rad steige, kann ich mir sicher sein, dass irgendjemand mir erzählt, wie mutig ich doch bin und dass derjenige selbst dieses riesige Wagnis ganz bestimmt nicht eingehen würde. Es sei ja klar, dass Rad fahren nichts für einen ist, wenn man zwei mal verunfallt. Ich sei eben unheimlich risikofreudig…

Lass sie reden

Das Gegenüber will damit vielleicht implizieren, dass ich einfach zu dämlich für’s radeln bin oder schließt von sich auf Andere oder will einfach nur irgendwas sagen? Wahrscheinlich, weil Rad fahren für manche Menschen einfach nicht so entscheidend ist? Oder weil viele einfach lieber aufgeben als zu kämpfen? Ist das denn übehraupt ein Kampf? Wenn ich mich auf’s Rad setze, dann kämpfe ich nicht. Ich freue mich, dass ich aufsteigen kann, ich freue mich über die Landschaft, über meine immer größer werdende Ortskenntnis oder über nette Begleitung. Ich lache, wenn ich mich mal wieder verfahren habe, weil die Ortskenntnis dann doch noch stark zu wünschen übrig lässt und ich freue mich über tolle Fotomöglichkeiten. Rad fahren ist für mich auch nicht kriegsentscheidend, nicht dass das falsch rüberkommt. Ich kann auch gut mal ohne Rad fahren. Genauso, wie ich auch gut mal ohne arbeiten und gut mal ohne Schnupfen kann. Ich bin ja schließlich flexibel.

Verrückt

Ich sehe das nicht verbissen. Triathlon ist ein Hobby. Es ist mein Hobby. Ich mache es einfach gerne. So wie Klavier spielen, Fallschirm springen, malen, Motorrad fahren oder Tennis für andere ein ebensolches Hobby ist. Triathlon sind drei Sportarten und alle drei funktionieren bei mir derzeit nicht besonders gut. Aber es ist auch nicht so, als wäre ich jemals vorne mit dabei gewesen. Und als würde ein schlechter Maler deshalb aufgeben müssen oder jemand der grauslig Klavier spielt, besser aufhören zu üben. Übung macht eben den Meister und man darf ein Hobby ausüben, auch wenn man nicht großartig darin ist. Es ist die Leidenschaft die zählt, nicht ausschließlich der Erfolg. Vor allem bei einem Hobby, aber auch ein Profi braucht erst Leidenschaft damit sich Erfolg einstellen kann. Beim schwimmen schmerzt meine Schulter und die Rippen zwicken, beim radeln stören die kleinsten Hügel (dabei kümmert sich das Land Hessen ja bereits vorbildlich) und beim Laufen macht das Becken im Moment nicht so 100% mit. Es zwingt mich keiner zum schwimmen, radeln und laufen. Ich möchte das machen. Und ich bin auch nicht sportsüchtig, oder verrückt. Ich bin einfach ich und ich mag Triathlon. Und aufgeben finde ich blöd.

Die Leidenschaft zählt

Es macht mir Spaß, im Verein zu schwimmen. Wir sind eine extrem tolle Truppe, wir motivieren uns gegenseitig und wenn ich eine extra Pause brauche, dann ist das vollkommen ok. Ich halte da keinen auf oder vom Training ab. Es ist absolut in Ordnung, für jeden im Verein, wenn ich das schwimme, was ich kann. Das macht unseren Verein aus. Jedes Level paßt. Ich gehe auch wieder sehr gerne Fahrrad fahren. Klar bin ich aufgeregter, wenn ich Kanten sehe und ich stoppe jetzt auch öfter mal, statt ein Risiko einzugehen. Aber ich möchte mich auch nicht verkriechen. Was wäre das denn für ein Triathlet?

Anything is possible, heißt ja schließlich alles ist möglich. Das ist doch ein wunderbares Motto und ich sehe gar keinen Sinn darin, das nicht auch für mich selbst zu nehmen. Jetzt, wo ich nicht kann, träume ich davon mal eine Stunde laufen zu gehen. Wobei es klar ist, dass als ich es konnte, selten tatsächlich eine Stunde bei raus gekommen ist. Ich freue mich also über 4km walken mit leichten, kurzen Laufpassagen. Warum auch nicht? Ich verstehe gar nicht, wie manch einer auf einen Kommentar im Sinne von „lohnt sich das überhaupt“ kommt. Was heißt denn lohnen?

Wer legt das fest?

Lohnt sich das Leben, wenn man nicht läuft? Ja. Tut es. Lohnt sich das Leben, wenn man nicht schwimmt oder kein Rad fährt? Ja. Unbedingt. Das Leben lohnt sich immer. Es ist aber durchaus in Ordnung, wenn man das Beste daraus macht. Und wenn das Beste für mich nun mal 4km walken oder eine Pause beim schwimmen ist, dann ist es das eben. Wer will beurteilen, was das Beste ist?

Viel wichtiger ist aber die Frage, warum wollen die Menschen das immer für andere beurteilen? Warum setzen wir voraus, dass wenn einer nicht gerne im Regen fährt, andere es sicherlich auch hassen und das gezwungenermaßen wegen überspitztem Eifer machen? Wieso freuen wir uns nicht einfach mit und werten nicht automatisch ab? Wahrscheinlich meinen die Menschen es nicht böse, trotzdem ist weniger manchmal mehr. Zu viel urteilen kann nicht gut sein. Warum treten wir Menschen oft einfach zu nah, denken, dass es keine Grenze gibt und mischen uns ein? Warum glauben wir oft, wir wissen es besser als die betroffene Person?

Leben und Leben lassen

Ich begebe mich in die Hände von zahlreichen Gesundheitsexperten, wie wir mit der Therapie denn nun am Besten weitermachen, damit ich so viel wie eben geht, von meiner Normalität zurück erobere. Ich brauche deshalb kein Mitleid, auch wenn ich bei den Begriffen Dauerschaden und Invalidität immer erst mal schlucken muß. Ich bin nicht in einem schlimmen Zustand, es gibt zahlreiche Menschen, denen es wirklich viel, viel schlechter geht als mir. Deshalb ist nicht immer alles Friede, Freude, Eierkuchen, aber es ist, was man selbst draus macht und nicht, was auf dem Papier steht. Und ich kann meine Ziele und Wünsche anpassen. Weil ich das möchte, oder weil ich es für klug halte, und nicht, weil irgendjemand irgendetwas dazu zu sagen hat. Mein Bauchgefühl ist entscheidend, Mut zusprechen, statt Mitleid zeigen, das ist es was mir hilft. Daran glauben. Meine Grenzen akzeptieren, nicht urteilen sondern mitmachen, mitfreuen und mitdenken.

Nicht aufgeben.