Wie an einem normalen Donnerstag, klingelt der Wecker heute früh. Zwar ist heute Feiertag, aber wir fahren RTF und das mit dem besten Verein der Welt. Also müssen wir früh raus und vor den Vatertagsverrückten auf die Strecke. Da die RTF heute in Rodgau startet, fahren wir erneut mit den Rädern zum Start. Vom Prinzip her geht’s über eine ganz ähnliche Strecke wie letzte Woche, nur andersrum. Der Fremdvereinsfan macht es richtig und fährt gar nicht erst mit… der hat sich die Anstiege der letzten Woche eben ganz genau angeschaut. Ziemlich pfiffig. Er fährt allerdings in Bruchköbel und hat dort auch ordentlich Hügel vor dem Rädchen, was da besser ist, weiß ich jetzt nicht.

Wir anderen scheuen ganz offenbar keine Steigungsprozente, die wir schon von letzter Woche kennen, und so fahren der Zeugwart und ich zum Treffpunkt, stellen fest, dass heute erstaunlich viele Radler am Start stehen und noch mehr davon weiblich sind. Nachdem wir unsere statistischen Erhebungen abgeschlossen haben, treffen die Mitfahrer ein, melden sich an und schon sind wir unterwegs.

In einem Wahnsinnstempo. Ich weiß gar nicht was los ist, aber wir klotzen ganz schön ran und das, obwohl heute ja Feiertag ist und nachweislich in unserer Gruppe kein Vater mit fährt. Wir haben hier eindeutig die Situation eines Ausscheidungsrennens, zumindest kommt es mir so vor. Die Männer sind -natürlich- vorne und ich halte mich hinter Madita. Sie gibt gut Windschatten, fährt sicher und gerade und hält auch einen guten Abstand zum Seitenstreifen. Zudem trifft sie für mich nachvollziehbare und gute Entscheidungen, was die Nutzung von Radwegen oder der Wahl der Gänge angeht.

Heute machen wir öfter mal die Erfahrung, dass gestresste, aggressive Autofahrer eng überholen und hupen, obwohl kein Gegenverkehr ist und sie locker Platz gehabt hätten um weit auszuholen und einen für beide Seiten angenehmen Überholvorgang vorzunehmen. Warum die Menschen immer öfter das Gefühl haben, sie müssten anderen eine Verkehrserziehung aufdrücken, ist mir unklar. Gerade Autofahrer haben das im Bezug auf Fahrradfahrer sehr oft, so scheint es mir. Als würden die Autofahrer denken, dass die Radfahrer kein Auto fahren. Obwohl ich mir bei manchen Fahrradkollegen tatsächlich denke, dass sie das Beste dafür tun, dass Autofahrer genau so reagieren, wie sie reagieren.

Auch bei dieser RTF sehen wir ganze Pulks von Rennradfahrern bei Tiefrot über Ampeln fahren, wir sehen Radfahrer, die Autos links an der Ampel überholen um dann vorne zum stehen zu kommen und bei grün dann rechts abzubiegen. So jemand ist eigentlich überhaupt nicht verkehrstauglich, egal mit welchem Fortbewegungsmittel, finde ich. Dem Autofahrer dann auch noch den Stinkfeiner zu zeigen zeugt von wahrer Dummheit und macht ihn für nachkommende Radfahrer noch richtig aggressiv. Damit ist also tatsächlich keinem geholfen. Es sind also nicht nur die Autofahrer, die heute einen gewissen Irrsinn an den Tag legen. Ich sehe auch genug Radler, die in Gefährlichkeit, Egoismus und Missachten von Regeln absolut Vorne sind. Und sich dann noch beschweren und lautstark hinter den Autofahrern hergrölen, wenn sie selbst in Viererreihe fahrend überholt werden.

Warum das so ist? Weil bei manchen Rennradfahrern das Gehirn aussetzt, wenn sie auf dem Sattel sitzen. Zumindest scheint mir das so. Rücksicht ist da fehl am Platz, wenn sie ihren Anstieg in einer bestimmten Wattzahl hochfahren wollen. Wenn der Schnitt in Gefahr ist, dann muß man eben bei Rot drüber fahren und jeder andere Verkehrsteilnehmer, der das anders sieht bekommt einen blöden Spruch. Viele heute fühlen sich bei diesen Aktionen auch noch absolut im Recht. Unfassbar. Erfreulicherweise sehen wir im Verein das anders und halten bei Rot. Wir fahren auch weitestgehend auf Radwegen, wenn sie sich qualitativ als nutzenswert erweisen und wenn es mal nicht flott geht, weil es voll ist oder eng, dann fahren wir halt langsamer.

Es geht schließlich um nichts, als um das Rad fahren. Wir machen das als Hobby, da gibt es keine Notwendigkeit andere Mitfahrer zu schneiden oder wegzuschieben. Es ist absolut unnötig anderen Rennradfahrern zu zeigen, wie schnell man selbst ist. Man fährt für sich und nicht um andere nieder zu machen. Dachte ich zumindest. Heute sieht das ab und an wirklich anders aus. Und dabei ist es egal ob Männlein oder Weiblein und vor allem noch egaler, ob alt oder jung. Das Phänomen treibt seinen Pflock durch jede Altersklasse. Selbst die Alten, die es dank Lebenserfahrung noch besser wissen müssten, als die Jungen, wollen unbedingt mit dem Kopf durch die Wand, überfahren rote Ampeln, motzen, wenn man nicht schnell genug losfährt, oder es am Anstieg eben nicht so flott geht. Heute kann ich wirklich mehr als einmal den Kopf schütteln.

Und ich bin froh, dass ich den Blog habe um solche Gedanken aufzuschreiben. Ich würde sonst bei so einer Ausfahrt noch öfter fragen, ob es noch geht. So halte ich gebührend Abstand, wenn sich mal wieder ein richtiger Rennradtrottel in unsere Gruppe schmuggelt und wundere mich, wie es unsere Gesellschaft so geschafft hat, Menschen hervorzubringen, die anscheinend über Leichen gehen, wenn es um die Ausübung ihres Hobbys geht. Und mit diesem Gedanken sehe ich von weitem einen Unfall, mit Blaulicht, Polizei und gerade fährt uns ein Rettungswagen mit Martinshorn entgegen. Hoffentlich kein Fahrradfahrer denke ich mir. Obwohl mir gerade heute spontan locker 20 Radfahrer einfallen würden, die bei der Tour so gefahren sind, dass es prima zu einem schweren Unfall passen würde.

Tatsächlich ist hier ein Radfahrer mit betroffen. Die Scherben auf dem Boden zeigen einen Einschlag ins Rücklicht, die Radfahrkollegen am Straßenrad wirken betroffen und halten ein Fahrrad zu viel. Wir fahren vorsichtig vorbei, es sind genügend Helfer vor Ort und die Polizei befragt gerade, so dass wir sowieso nicht helfen können. Aber großartig verwundert bin ich nicht. Wobei man natürlich nicht alle Radfahrer über einen Kamm scheren soll. Trotzdem paßt so ein Unfall tatsächlich ins Bild, obwohl der Radfahrer wahrscheinlich die ganze Zeit vorbildlich gefahren ist. Unfälle passieren selbst den Besten und natürlich muß er auch gar keine Schuld gehabt haben.

Andere um uns rum sind durch den Unfall wenig beeindruckt. Sie fahren die letzten paar Kilometer weiterhin, als ginge es um einen Pokal und jede Sekunde zählt. Sie schneiden, überholen und schlingern sich durch die Landschaft, motzen, wenn es nicht schnell genug geht und einer spricht sogar die Empfehlung aus, das nächste Mal doch einfach daheim zu bleiben, anstatt die Strasse zu blockieren. Ich denke mir meinen Teil und beschließe, sollte ich ihn im Ziel sehen, ihn einfach anzusprechen und zu fragen, ob er jemals mit dem Radfahren begonnen hat, oder bereits mit Sattel unterm Hintern auf die Welt gekommen ist. Die arme Frau zittert nach seiner Ansprache so sehr, dass sie noch unsicherer fährt, als vorher schon. Sowas ist vollkommen unnötig.

Es bringt keinem etwas, es sorgt für schlechte Stimmung und kann einem den Tag versauen. Vielleicht wäre es schlau einfach mal darüber nachzudenken, ob es sich lohnt sich so aufzuregen? Also warum fahre ich so eine RTF? Um andere nieder zu machen? So kommt es mir manchmal vor. Erfreulicherweise für den Herrn, sehe ich ihn im Ziel nicht. Dafür pöbelt ein älterer Herr am Würstchenstand rum, dass so ein Bonsystem bescheuert ist und dass er sich noch nie einen Bon kaufen musste. Na bravo. Ist wahrscheinlich ein Vater, der von seinen Kindern heute kein Frühstück gemacht bekommen hat? Die nette Frau am Würstchenstand ist denkbar unbeeindruckt, wer weiß, was sie sich heute schon alles angehört hat?

Die prima ausgeschilderte RTF glänzt übrigens mit leckeren Verpflegungsstellen und immer freundlichen Vereinsmitgliedern, die sich absolut Mühe geben. Und die Strecke bietet tolle Anstiege, schöne Abfahrten und sehr hübsche Ausblicke! Gut ausgesucht.

Rodgau

Wir futtern noch eine Bratwurst und fahren dann noch ein Stück gemeinsam nach Hause. Für uns war auch heute das „Wir“ wieder wichtig. Ich bin froh, dass wir lieber etwas rausnehmen, als etwas zu gefährden, dass wir aufeinander achten und bei anderen nachfragen, ob alles ok ist, wenn wir sie am Straßenrand sehen, ich bin froh, dass es in unserer Gruppe auf andere Dinge ankommt. Und dass wir die Verkehrsregeln kennen… das finde ich auch ganz cool.