Gestern, ehe ich zu früher Uhrzeit fix und fertig ins Bett gefallen bin, war schon klar, dass ich auch in diesem Jahr ein Mitglied der Cappuccinogruppe werde. Die Chefin wird diese heute leiten und als Ziel haben wir Petra auserkoren. Vor der Abfahrt kümmert sich der Zeugwart noch um die korrekten Radeinstellungen und dann rollen die ersten Gruppen vom Hof. Eine fährt heute über den Lluc, eine fährt flach und weit und dann eben noch die Cappuccinogruppe, die nach Petra umeinanderfährt. Wir haben heute bestes Wetter und wenig Wind. Die Chefin hat die Route auf dem Garmin und wir rollen dann auch langsam los.

Da Lovis heute ihre ersten Kilometer auf dem Rennrad absolviert, aber als Frau eines Räuberhauptmanns schon ganz andere Themen bewältigt hat, gehen wir noch mal die Zeichen durch und geben Tipps zum Radeln. Ganz schön mutig einfach so auf ein Rennrad zu steigen, mit Klickpedalen, und loszulegen. Wir haben zwar alle irgendwann mal angefangen, aber trotzdem kommt es mir nicht so vor. Lovis ist vollkommen angstfrei. Wir rollen aus der Finca raus und biegen an der Strasse links ab. Hier geht’s gleich mal ordentlich hoch, weil die Mallorquiner ihre Örtchen immer auf einen Berg bauen, aber weil ich den Berg kenne, schalte ich rechtzeitig und bin auch schon oben. Wir rollen auf der anderen Seite wieder runter und sortieren uns auf den autoarmen Gartenstraßen im Inselhinterland einträchtig hintereinander.

Ansagen

Die Gruppe liegt mir und auch die Chefin führt großartig. Fährt sie hinten, ruft sie zeitig und laut, wo es hingeht, fährt sie vorne, gibt sie klare Ansagen. Als wir auf den nächsten Anstieg zufahren, teilt sie mit, dass Klickpedalen außer gedrückt, auch gezogen werden kann und damit gibt Lovis Vollgas und zieht an Karla Kolumna, den Zeugwart und mir vorbei. Die Chefin ist begeistert. Klar, wenn ein Athlet eine Anweisung so präzise und mit krassem Erfolg umsetzt, lacht das Trainerherz. Lovis ist also ab sofort an jedem Anstieg bremsenlos und erinnert mich stark an die Hübsche, die auch keine Grenzen kennt, wenn es hoch geht.

Wir werden in den Gärten von einer riesigen Hürzeler Radgruppe überholt und weil es wellig ist, bin ich weit abgefallen. Einer bestellt eine Best Worscht bei mir und Lovis hängt sich an die Gruppe ran um ihnen zu zeigen, wie gute Athleten das eben so machen. Und weil sie einfach auch einen top Humor hat, fragt sie, warum die Herrschaften denn so langsam unterwegs sind und sie jetzt am Berg ausbremsen. Hätte ,ich Luft übrig, würde ich mich flott kringelig lachen. So ist hier nichts flott. Die Gruppe läßt mich schlichtweg stehen und zieht vorbei. Ich bemühe mich ruhig und tief zu atmen und im kleinsten Gang hochzufahren. Klappt auch mehrfach.

Erfreulicherweise.

In Petra zeigen wir den Rookies einmal den Marktplatz, um uns dann im ersten Café am Platz nieder zu lassen und eine wohlverdiente Pause einzulegen. Wir werden stilecht mit einem großen Teller Orangen begrüßt, bestellen Kuchen und Getränke und genießen das Leben. Wir machen eine tolle Pause in Petra, ich esse erneut ein Stück des schlichtweg besten Mandelkuchens der Insel und bemerke, dass es manchmal einfach nicht besser werden kann. Oder zumindest nur schwer. Die Wege, abseits der vielbefahrenen Straßen, lassen sich wunderbar fahren, die Sonne gibt alles, weil wir schließlich Inselwetter gebucht haben und die Gesellschaft ist der absolute Hammer. Von Petra zurück geht’s wieder hauptsächlich durch die Gärten und wir haben wirklich aufmerksame Autofahrer, die mit ordentlich Abstand an uns vorbeifahren, wenn wir mal einem Auto begegnen. Hier fliegen so viele Insekten rum, dass wir uns zeitweise fragen, ob wir ein Insektenhotel sind, oder ob das wohl einfach so dazugehört. Ständig gibt’s Fliegenschwärme oder große Puddingbrumseln, die unsere quietschbunten Trikots herzallerliebst finden und sich anheimelnd an uns schmiegen. Von Insektenarmut merkt man hier erfreulicherweise gar nichts.

Die Natur brummt.

Ein Anstieg macht mir sehr zu schaffen, es geht langsam und stetig Berg an und endet mit einer Brückenauffahrt, die mir schlichtweg die Lichter ausschießt. Das war einfach eine Idee zu viel, das hätte der Kardiologe garantiert auch so gesagt. Oben pausiere ich, bis ich genügend erholt bin und dann geht’s weiter. Den Rest der Radrunde nehme ich locker und das passt auch ganz gut. Allerdings bin ich wirklich geschafft. Die Radrunde war super schön, aber eben auch ordentlich anstrengend. Zu Hause, auf der Finca, stellen wir uns altbewährt in den Pool und kühlen die Beine, ehe ich mich dusche und hinlege. Ich schlafe eine Weile sehr erholsam und wache ohne schwere Beine auf. Die sind anscheinend besser trainiert, als das Herz-Kreislauf-System, was ja ziemlich ungewöhnlich ist.

Heute Abend erwartet uns noch ein Vortragsschmankerl. Der Tonangeber hat einen Gast organisiert, der ebenfalls sportlich unterwegs ist. Die Geschichten, die ich jetzt höre, die können nur übertrieben sein, solche Menschen gibt’s doch gar nicht. Ich bin gespannt!