Trotz Braunüle im Arm und zahlreichen nächtlichen Besuchen habe ich ganz gut geschlafen. Im Krankenhaus endet die Nacht früh. Immerhin gibt’s ja auch schon um 17h Abendessen, also ist es schon ok, wenn es relativ früh Frühstück gibt. Die Uhren ticken eben anders. Die erste Visite rollt auch schon um 9h ins Zimmer und bis dahin ist auch bereits gefrühstückt und das Zimmer durchgeputzt. Ich habe mich kaum gewaschen und angezogen, da spaziert ein Physiotherapeut ins Zimmer und teilt mit, dass er mich heute 6 Minuten auf einem Krankenhausflur hin und herlaufen lassen möchte. Gehen, nicht rennen. Ah, das ist er also, der 6 Minuten Gehtest, den ich im Trainingslager schon ein paar Mal gemacht habe. Ich bin gespannt, wie ich heute abschneide.

Im Anschluß muß ich in die Nuklearmedizin. Was ein Stress. Jetzt geht’s aber erst mal zum Gehtest. Wir sind drei Patienten, ich muß anfangen. Ich werde verkabelt und muß ein Gerät in der Hand halten, auf dem der Physiotherapeut dann immer regelmäßig meine Werte ablesen wird. Darauf abzulesen ist die Sauerstoffsättigung und der Puls. Gut, dass ich meine Turnschuhe angezogen habe, mit Schlappen würde der Wert ja komplett verfälscht werden. Obwohl es bei den meisten, die hier im Krankenhaus auf meiner Station liegen keinen Unterschied machen würde, ob Schlappen oder Turnschuhe. Wahrscheinlich würde das Zubinden der Turnschuhe viele schon an ihre körperlichen Grenzen treiben.

Auf der Rennstrecke bekomme ich förmlich einen Drehwurm. Die Strecke hat 25m und ich marschiere also zügig immer hin und her. Nach jeweils 50m halte ich das Gerät so, dass der Physiotherapeut gut draufschauen kann. Er notiert Sauerstoffsättigung und Puls. Nach 668m sind die 6 Minuten rum. Der Arzt bei der Visite heute früh hat vorgeschlagen, dass ich so 500-600m laufen soll. Ich hoffe, die kleine Zugabe ist ihm recht. Ich bekomme noch den Ratschlag, dass ich die Grenzen meines Körpers akzeptieren soll und bin mir nicht sicher, ob ich vielleicht falsch rüber komme. Ich verstehe, dass ich älter werde und ich weiß, dass ich heute bei den Bundesjugendspielen auch keine Ehrenurkunde mehr erkämpfen würde. Aber der Leistungsunterschied im Vergleich zu der Zeit vor dem Unfall in 2016 ist einfach signifikant. Ich werde mich sicherlich damit anfreunden können, wenn ich niemals einen Ironman machen kann, das wird mich traurig machen, aber nicht umbringen. Mein Leben ist nicht vorbei, wenn ich die Medaillie niemals in den Händen halten kann. Aber mit einem Lungenhochdruck ist nicht zu spaßen, der kann schlimmer werden und einen auch im Alltag richtig einschränken. Und deshalb möchte ich ihn geklärt und wenn möglich behandelt haben.

Keiner muß in seinem Leben sportliche Höchstleistungen erbringen, aber wenn die dabei helfen so ein Problem frühzeitig zu entdecken, wäre es einfach nur extrem dumm das Thema nicht zu behandeln. Als ich vom Gehtest zurück komme melde ich mich an der Zentrale der Station zurück und frage, ob ich gleich weiter in die Nuklearmedizin gehen soll, und wo die denn überhaupt ist. Eine ältere Dame muß zur Lungenfunktion, und weil das fast auf dem Weg liegt, bringe ich sie dort hin, immerhin war ich gestern ja gerade da, und marschiere dann weiter in den Keller. Die Nuklearmedizin sitzt tief im Gebäude. Ich melde mich an und bekomme seitenweise Lesestoff. Nachdem alles unterschrieben ist dauert es auch nicht mehr ganz so lange und ich sitze im Behandlungsraum, wo das radioaktive Gas hergestellt wird, was ich einatmen muß. Wir üben das Prozedere, dann spinnt das Gerät und wird nicht heiß genug, aber beim zweiten Versuch klappt es dann. Per Kamera wird gleich überprüft, ob ich genügend Radioaktivität eingeatmet habe und schon beginnt die Untersuchung. Die Gasverteilung ist gut, es ist außerdem gut zu sehen und während das Gerät die Aufnahmen macht, liege ich mit den Armen über dem Kopf ruhig da und schlafe fast ein.

Dann kommt die Ärztin dazu, fragt mich nach meiner Geschichte und spritzt mir über meine Braunüle mit Zugangsschlauch ein Mittel, was die Blutverteilung in meinem Körper darstellen wird. Die Aufnahmen starten von neuem und ich liege wieder regungslos mit meinen Armen über dem Kopf. Als die Aufnahmen irgendwann abgeschlossen sind, brauchen meine Arme ein bischen, bis sie sich wieder an ihre normale Position gewöhnt haben. Ich war Stunden hier, muß aufs Klo und habe Hunger. Erfreulicherweise alles lösbare Probleme, denn Toiletten gibt’s hier überall und als ich zurück auf meinem Krankenzimmer bin, gibt’s auch gleich was zu essen. Eintopf. Schmeckt nicht schlecht.

Ich habe Kopfschmerzen und bin total erschlagen. Bis zur Visite am Nachmittag schlafe ich, dann gehe ich eine Runde um die Klinik spazieren. Immer nur im Krankenzimmer zu sitzen macht mich depressiv, vor allem, weil es hier natürlich zahlreiche viel kränkere Menschen gibt, die ihren Lungenhochdruck auch im jungen Alter schon im Alltag merken und nur mit zusätzlichem Sauerstoff durch die Gegend laufen können. Auf die Frage, ob ich Sauerstoff brauche, habe ich übrigens geantwortet, dass ich glaube, den braucht jeder. Weil ich die Tragweite der Frage überhaupt gar nicht begriffen hatte. So weit weg bin ich von alledem. Pünktlich zum Abendessen bin ich dann wieder zurück auf der Station und erfahre, was ich für Untersuchungen morgen haben werde. Zum Ergebnis der Untersuchung von heute gibt’s noch keine Aussage. Geduld ist eben eine Tugend, die im Krankenhaus noch wertvoller ist, als im normalen Alltag.