Die ersten beiden Radgruppen unserer Finca fahren heute zu fast nachtschlafender Zeit los, um den Leuchtturm am Cap Formentor anzuschalten und den Zustand des Meeres zu überprüfen. Tatsächlich ist das eine Tour, zu der man sinnvollerweise früh aufbricht, weil die Zufahrt zum Cap spätestens gegen 10h von Touristenbussen geradezu überflutet wird. Meine Radgruppe frühstückt in aller Ruhe und dann ziehen wir uns an, um einen weiteren tollen Radtag zu absolvieren.

Heutiger Tagesplan ist es, den Lluc hochzufahren und zwar von der schönen Seite. Zumindest finde ich, dass das die schöne Seite ist. Von Selva, also Caimari. Die Anfahrt ist erneut über diesen neu aufgeschütteten Ort Campagnet. Ich bin mir ganz sicher letztes Jahr erfolgte die Anfahrt über eine flache Strecke und dann durch die Gärten, aber heute ist es dann eben anders. Campagnet geht erst mal hoch und dann stechen wir rechts runter in die Gärten und fahren leicht wellig direkt auf den Anstieg zu. Eigentlich absolvieren wir auf diesem Stück auch schon einen ordentlichen Teil der heutigen Höhenmeter, aber das entschädigt mich für die Wellen nur teilweise.

Irgendwie habe ich nicht das Gefühl, als komme ich großartig vom Fleck. Dann sitzt die Bandage auch noch nicht gut und zu guter Letzt veratme ich mich auch noch. Also ob der Anstieg heute unter einem guten Stern steht, weiß ich nicht. Erfreulicherweise kenne ich den Weg zurück zur Finca, das nimmt dann etwas den Druck raus. Wir werden von einer Männergruppe überholt, die ich bitte, den vorausradelnden Athleten mitzuteilen, dass sie doch bitte oben irgendwo warten sollen. Und so ist es dann auch. Und am Wartepunkt ziehe ich mir erst mal meine Weste aus.

Jetzt geht’s nämlich gleich durch Caimari und dann am Stoppschild rechts hoch. Zum Lluc. Lovis und ich halten am Straßenschild vom Kloster an, auf dem der Abstand mit 11km angezeigt wird. Bis zu der berühmten Tankstelle sind es von hier noch gute 8 km. Die verletzte Lovis klickt heute nur mit einem Bein ein, weil die Achillessehne nach wie vor schmerzt und ihr Probleme bereitet. Also lautet die Empfehlung des Physiotherapeuten, nicht am Pedal zu ziehen. Und Lovis ist der Meinung, dass sie das am Besten mit dem nicht einklicken ihres Fußes umsetzen kann. Da wir bereits am Berg sind, muß ich mit meinen Kräften haushalten und vor allem mit meiner Puste, aber ich hätte natürlich zahlreiche Kommentare dazu abzugeben.

Allem voran, würde ich sie natürlich erst mal für verrückt erklären. Ich habe keine verletzte Sehne, bin beidseitig eingeklickt und komme trotzdem genauso schnell voran, wie sie. Was stimmt denn bloß mit ihr nicht? Lovis und ich arbeiten uns also mit drei eingeklickten Radschuhen langsam den Anstieg zum Lluc hinauf. Wir fahren durchschnittlich knapp über 2km/h schneller, als letztes Jahr. Jedes Mal, wenn ich auf den Tacho schaue, bin ich regelrecht beflügelt. Wir machen zwei Pausen, die ich im Anstieg brauche. Meine Bandage hat heute nicht den besten Sitz und die Spraydosierung klappt zwar, aber ich muß natürlich mal nach pumpen, das liegt in der Natur des Sprays.

Lovis und ich machen noch einen dritten Stop, den wir beide aber tatsächlich nicht gebraucht hätten. Wir stoppen, weil sich vor uns eine Autoschlange auftürmt und es mir einfach zu unsicher ist, zwischen Autos und kniehoher Straßenmauer durchzufahren. Wenn da jemand eine blöde Fahrerei macht, stürzen wir über die Mauer in den Abgrund, keine Aufstiegszeit der Welt ist dieses Risiko wert. Lovis und ich harren also aus, lassen gute 15 Autos passieren und dann fahren wir vollkommen unbehelligt weiter. Wir genießen wirklich sehr schöne Ausblicke und werden zwischendurch noch in den verschiedensten Sprachen angefeuert.

Uns begegnet noch ein Radfahrer, der kleidungsmäßig wirklich den absoluten Vogel abschießt, weil einfach das komplette Outfit zum Fahrrad passt. Er ist außerdem so dünn, dass er seine Beinlinge, Armlinge, eine Weste und zusätzlich eine Windjacke trägt. Und weil ihm das Training heute anscheinend besonders am Herzen liegt, fährt er an mir vorbei, nur um dann wieder ein Stück runter zu fahren und erneut Berg an unterwegs zu sein. Hobbys haben die Leute… verrückt. Sein Gehabe erinnert mich etwas an unsere Ausfahrt nach Randa, als das Profiteam unterwegs am Berg alles gegeben hat.

In einer Parklichtung wartet Este auf uns und fragt doch tatsächlich, ob wir wissen, wann Nanni kommt. Ich teile mit, dass sie vor uns war und Este hinterfragt das nochmals, weil sie sich ganz sicher ist, dass sie sie weder beim Rauffahren, noch bei der Abfahrt gesehen hat. Ich bin mir 100% sicher, dass sie vor uns den Lluc bezwungen hat. Das weiß ich unter anderem deshalb, weil sie nicht nur vor mir gestartet ist, sondern auch, weil ich gerade 9km/h fahre und stark bezweifle, dass ich Nanni, oder irgendjemanden überhaupt, mit dieser Geschwindigkeit irgendwann überholt habe.

Este, weil sie einfach jede Geschwindigkeit kann, sortiert sich hinter Lovis und mir ein, uns so haben wir die letzten Meter zum Tankstellengipfel noch eine weitere Begleitung. Schön, wenn man wirklich nicht permanent überholt wird. Da ich hier nun schon ein paar Mal hochgefahren bin, weiß ich wie weit es noch ist und kann, als die Tankstelle in Sicht ist dann noch mal Gas geben. Ich habe den Lluc ein weiteres Mal in der Tasche. Ein sehr schönes Gefühl. Wir machen noch ein paar Erinnerungsbilder und Lovis kümmert sich um ihren Fanclub, der sich bei unserer Auffahrt um sie gebildet hat. Nachdem auch hier alle Bilder im Kasten sind, fahren wir ab.

Unsere Kaffeepause machen wir im Kloster, ehe wir dann über den Feministenhügel wieder Richtung Pollenca hinabfahren. Der Gesetzeshüter hat heute zum allerersten Mal überhaupt die Tankstelle aus eigener Kraft erreicht, weil er in diesem Jahr mit anderen Waffen in den Krieg gezogen ist. In den letzten Jahren hat er mit seiner Triathlonmaschine gekämpft, wohingegen er in diesem Jahr zu einem knallroten, unfassbar hübschen Trek Rennrad gegriffen hat. Der Zeugwart wurde von der Chefin zu neuen Bestleistungen angetrieben und fuhr ganze 6 Minuten schneller als letztes Jahr den Lluc hinauf. Das ist doch der Wahnsinn. Wohin soll das denn bitte noch führen? Der Zeugwart wird, wenn er so weitermacht, einfach irgendwann schon auf dem Lluc sein, ehe wir überhaupt losgefahren sind.

Vom Kloster aus drücken wir die letzten Höhenmeter zum Feministenhügel hoch. Eine weißblonde Belgierin mit langem Zopf motzt, weil ich doch tatsächlich nur mit 11km/h hier hocheiere. Sie beschwert sich, dass sie überholen muß. Na gut, sie wird schon wesentlich besser trainiert sein, als ich. Aber ob man trotzdem gleich eine Beschwerde lostreten muß, das weiß ich nicht. Bei der nächsten Welle ziehe ich auch gleich wieder an ihr vorbei. Offenbar hat sie Kraft zum hochfahren, aber extreme Angst beim Berg abfahren? Ich teile ihr kurz mit, dass ich für absolut unnötig halte sich über andere Sportler derart aufzuregen. Und ich sage ihr, dass jeder eben so machen soll, wie er kann. Dann fahre ich weiter. Am nächsten Anstieg hat sie mich wieder. Sie entschuldigt sich. Mein Weltbild ist wieder gerade gerückt. Gerade Frauen sollten andere Frauen niemals anmotzen, sie sollten vielmehr stolz aufeinander sein, dass Frauen ihren Sport teilen. Da ist es doch viel schöner sich gegenseitig anzuspornen, als sich zu beschweren.

Für die anstehende Abfahrt vom Feministenhügel bin ich ziemlich gut vorbereitet. Immerhin habe ich meine Windjacke den Lluc mit hochgetragen und mein Bufftuch ebenfalls. Es ist also nur legitim, wenn ich die Utensilien jetzt gegen die Kälte bei der Abfahrt auch benutze. Der Zeugwart hält erfreulicherweise mein Rädchen, während ich alles anlege und schon geht’s auch los, mit der Abfahrt. Da muß man sich auch gar nicht so bitten lassen.

Ich zische den Berg hinab und werde von einer Männergruppe überholt, die mich dann einfach mitziehen. Ich glaube nicht, dass das der Plan der Herren war, dass ich mich reinhänge, aber wenn sie nun tatsächlich so fahren, dass ich locker mithalten kann, sehe ich auch keinen Grund abzubremsen um ihnen ihre Freiheiten zu lassen. Sie ziehen mich bis zum ersten Kreisel, wo ich auf meine Fincaathleten warte und mich dann deren Gruppe wieder anschließe. Nach einem Krampfzwischenfall beim Gesetzeshüter fahren wir ganz hervorragend geordnet durch das Peter Maffay Tal wieder zurück nach Campagnet und durch die Gärten zurück zu unserer Finca. Einen weiteren Anstieg fanden wir alle nicht verlockend.