In der Ironman Frankfurt Woche verschiebt sich die wöchentliche Swimnight auf den Dienstag, weil am Donnerstag die Vorbereitungen für das große Wochenendereignis schon in vollem Gange sind. Wir planen unsere Woche immer so, dass das für uns passt, das Freiwasserschwimmen hat bei uns im Trainingsplan im Sommer eine hohe Priorität. Wir sind heute in guter Gesellschaft, es sind zahlreiche Athleten am See. Während der Zeugwart sich um die intensive Betreuung von Karla Kolumna kümmert und mit ihr durchspricht, wie es nächste Woche in Hamburg sein wird, entscheide ich mich gegen den Neoprenanzug.

Die Wassertemperatur ist mit ihren 22°C sicherlich etwas frisch, aber hier draußen ist es einfach extrem warm. Und irgendwie glaube ich auch, dass ich die 22°C gut wegstecken kann. Das ist dann auch so, nachdem ich mich ein bisschen gewunden habe, wie ein Aal. Es ist frisch und angenehm zugleich, trotzdem bin ich plötzlich unsicher, ob das eine gute Entscheidung war, mit dem „ohne“ Neo. Wenigstens ziehen der PowerRanger, Karla Kolumna und Walter Mitty mit und schwimmen auch nur im Triathlonanzug. Der PowerRanger macht heute einen finalen Test, immerhin steht er am Sonntag an der Startlinie.

Für Walter Mitty hat der finale Test noch etwas Zeit. Sein Rennen wird in diesem Jahr der Ironman 70.3 Zell am See sein, und da gibt’s auch bestimmt kein Neoverbot. Aber man kann es ja trotzdem mal probieren. Besser, man ist vorbereitet, als dass ein Neoverbot den Athleten am Wettkampfmorgen total aus der Fassung bringt. Viele schwimmen ja wegen der Wasserlage viel lieber mit Neo, und oft wird ja bereits Tage vor dem Wettkampf besorgt nach der Tendenz gefragt, die Seekenner ggf. aus Tages- , Nacht- und Wassertemperatur, sowie Wettervorhersagen bestimmen können.

Bei mir steht ja nachweislich kein Wettkampf an. Eigentlich ist eh gar nichts geplant. Der Tonangeber hat mir auf Nachfrage, nach dem Krankenhausaufenthalt mitgeteilt, dass ich genau das trainieren soll, auf das ich Lust habe. Er ist ein guter Ratgeber, statt mich direkt in Pläne reinzupressen, taste ich mich langsam wieder ran. Ich schwimme heute trotzdem mal ohne Neoprenanzug, allerdings wegen der Wärme, nicht wegen des Wettkampftests. Nachdem wir unten am See noch ein bisschen gequatscht haben, geht’s auch schon los. Heute sind viele Athleten hier, und doch ist es nicht ganz so überfüllt, wie ich es erwartet habe. Vielleicht ist die Masse einfach breiter aufgestellt?

Nachdem ich heute mal nicht so lange warte, wie sonst, lege ich los. Schon nach wenigen Metern fühlt sich das Wasser ganz angenehm an, es ist teilweise kühl und manchmal auch richtig badewannenwarm. Ich bereue die Entscheidung für den Triathlonanzug und gegen den Neo jetzt auch nicht mehr, erfreulicherweise. Heute haben sich um mich rum netterweise auch wieder zahlreiche Athleten versammelt, die sich entweder bereitwillig überholen lassen, oder genau die Idee schneller schwimmen, dass ich mich in den Wasserschatten hängen kann. Ich denke heute beim schwimmen extrem viel nach. Normalerweise singe ich. Dauerschleifen oder verschiedene Lieder. Meistens bleibe ich bei einem Interpreten, manchmal springe ich in Epochen oder Genres. Heute singe ich kaum. Heute denke ich nach.

Darüber, dass ich erst jetzt, erst seit dem Unterricht beim SchwimmGuru überhaupt richtig schwimmen kann. Darüber, dass ich erst jetzt weiß, wie sich Wasserschatten anfühlt, wie sinnvoll es sein kann, auf andere Aufzuschwimmen und dann zu überholen. Ich weiß erst jetzt, warum sich das Training alleine, nur für mich, nie ausgezahlt hat. Das ist heute wirklich ein sehr nachdenkliches Schwimmen im See. Bis zur Boje hab ich super Vorschwimmer. Ich hangel mich entsprechend entlang, weil ich das jetzt kann und frage mich dann nach der Boje, als ich auf mich gestellt weiterschwimme, weil ich rund um mich rum keinen Athleten sehe, ob ich jetzt vielleicht einfach besser für einen Wettkampf gerüstet bin? Schwimmen konnte ich bei meinem Ironman 70.3 Kraichgau ja auch. Ich bin durch den See durchgekommen, besonders flott war ich aber nicht. Aber geht’s vielleicht jetzt einfach besser, weil ich schlauer schwimmen kann? Und meine Technik besser ist? Vielleicht ist es auch nicht immer nur die Wasserlage, der Neo oder der hohe Ellbogen. Vielleicht ist es bei mir auch die Alltäglichkeit, mit der mir der SchwimmGuru die Wettkampfnahen Situationen beigebracht hat?

Mittlerweile bin ich schon längst wieder um die nächste Boje rum und schwimme in Richtung Ufer. Da steht bisher noch keiner und auch um mich rum ist keiner in Sicht. Sind die alle schon heim? Oder schwimmen alle in ihrer Wettkampfvorbereitung die große Runde? Das ist natürlich eine plausible Erklärung. Ich denke weiter drüber nach, wie schön es ist, dass ich mich mittlerweile so richtig sicher fühle und eine gute Geschwindigkeit ins Wasser bringe. Bin gespannt ob mich mein Gefühl am Ufer täuschen wird, oder nicht.

Ich bin wirklich zeitig zurück und während ich mal schaue, ob sich noch einer der Rückkehrer erneut auf den Weg macht, sehe ich den Zeugwart mit Karla Kolumna, die eine frühzeitige Wende vornehmen, und nochmals losschwimmen. Also gut, dann schwimme ich halt zu denen. Um mich rum ist erneut keiner. Dann kommt ein Neoprenanzug von rechts hinten langsam aber stetig an mich ran und ich hänge mich in den Wasserschatten. Ich verschlucke mich vor Freude, dass das so gut klappt, ruhe mich etwas am Knie des Athleten aus und ziehe dann, als er von seinem Aufholsprint auf mich erschöpft scheint, vorbei. Ich verändere meinen Kraulzug minimal, bin aber trotzdem für den Neoschwimmer unerreichbar und als ich an der Boje auf den Zeugwart warte, ist der Neoschwimmer weit hinter uns.

Mein Herz tanzt. Ich bin zusätzlich überhaupt gar nicht außer Atem. Und weil alles so gigantisch toll klappt heute, übe ich auf der Querverbindung noch ein paar Wasserstarts, wie sie mir der SchwimmGuru gezeigt hat und finde, dass ich mir die Technik gut in Erinnerung rufen kann. Zurück am Ufer ist mittlerweile etwas mehr los. Wir quatschen noch ein bisschen und spazieren dann zügig zum Auto und zur Pizzeria. Heute bin ich förmlich beflügelt, ich muß dem Tonangeber erzählen, wie toll alles mittlerweile klappt.