Statt mich heute früh auf die Rolle zu setzen, habe ich Lust draußen Rad zu fahren. Das liegt sicherlich daran, dass das Wetter nicht mehr ewig gut sein wird und dass ich, ohne den Wettkampf im Kopf, auch einfach gerne mal bummelig durch die Gegend fahre. Und ohne schlechtes Gewissen auch fahren kann. Der Coach hat mir für heute 40 Minuten. Rad fahren in den Trainingsplan geschrieben und die verbringe ich draußen. Am frühen Morgen bietet es sich für mich an, nicht auf der Straße unterwegs zu sein. Oder zumindest nicht so viel. Autofahrer am frühen Morgen finden Radfahrer sicherlich zum größten Teil nervig. 

Wenn schon mein Nachbar ausrastet, weil er auf den Mindestabstand zu Radfahrern hingewiesen wird und die Schuld beim Radfahrer sucht, wie soll das mit der Verkehrswende so weitergehen? Klimawandel hin oder her, mit dem Rennrad morgens auf der Straße unterwegs zu sein macht wenig Laune. Wahrscheinlich auf beiden Seiten. Ich nutze deshalb mein Gravelbike. Damit verschwinde ich nach wenigen Metern aus dem Straßenverkehr und gehe damit diesen Konflikten aus dem Weg. Graveln ist nicht gänzlich konfliktfrei, das ist auch klar, aber mit Autofahrern habe ich zumindest wenig Schnittmenge. 

Im Grunde hat ja keiner, der draußen unterwegs ist, Bock auf den anderen. Hundeführer sind genervt von Radfahrern, Joggern und wahrscheinlich auch von anderen Hundeführern, die ihre Hunde nicht so im Griff haben, wie man sich das selbst vorstellt. Autofahrer sind genervt von Radfahrern und von anderen Autofahrern, die auch einfach nicht Auto fahren können. Radfahrer sind genauso genervt von den anderen Verkehrsteilnehmern und zusätzlich auch von ihresgleichen. Und wenn ein Weg von Radlern und Spaziergängern gleichermaßen genutzt werden soll, birgt auch diese Tatsache Konfliktpotential. 

Am besten ist es deshalb einfach allen aus dem Weg zu gehen. Ich mache das immer, in dem ich früh morgens unterwegs bin. Wirklich früh steht kaum einer auf, um die Zeit auf dem Feld oder im Wald zu verbringen. Die Mittagspause und der Nachmittag wird dagegen ausgiebig genutzt, um frische Luft zu schnappen. Im Grunde sollte man darüber ja auch froh sein. Wenn die Menschen hinausgehen und die Natur genießen, ist das eigentlich ein gutes Zeichen. Oder es birgt eben Konfliktpotential. 

Mein Gravelbike und ich sind heute so früh im Wald unterwegs, dass wir nur einen einzigen Hundeführer treffen. Der ist ähnlich überrascht über die Begegnung, wie ich, aber wir haben die Situation beide im Griff, grüßen freundlich und begegnen uns für beide Seiten angenehm. Das passiert nicht allzu oft und ist deshalb ein guter Start in den Tag. Ich glaube auch, dass der Hundeführer positiv überrascht ist, dass ich schon weit vor dem Passieren der Situation bremse und dann in Schrittgeschwindigkeit vorbeifahre. Und wieder stelle ich fest, dass nicht nur ich unangenehme Erfahrungen mache, sondern eben praktisch jeder. Auf jeder Seite der Medaille. 

Die Runde, die ich heute über Felder und durch den Wald fahre, ist überschaubar. Ich integriere noch einen Botengang und drehe deshalb noch eine kleine Schleife durch das Dorf. Dann bin ich nach 40 Minuten wieder daheim und starte mit frischem Kopf in den Arbeitstag. Immerhin ist die letzte Woche vor meinem Urlaub und ich bin mir ziemlich sicher, dass noch ganz viel erledigt sein muss, ehe ich in den Urlaub fahre. Natürlich. Weil das immer so ist. Und schon immer ist das irgendwie lächerlich.