Das Rhein-Main-Gebiet versinkt heute im Nebel, als ich nach Darmstadt zum Athletiktraining fahre. Auf der Autobahn ist mal wieder ein Falschfahrer unterwegs und so zuckel ich langsam und bedächtig nach Darmstadt. Ich denke dabei an den Himmel, den ich vor lauter Nebel und Dunkelheit nicht sehen kann und an den Sandsack. Das Ziel, was ich mir am Dienstag gesetzt habe. Wann es wohl soweit ist? 
Direkt vor der Tür geparkt und flott umgezogen, setze ich mich auf die Wartecouch in den Motivationsraum und schaue der Gruppe vor mir halbherzig zu. Hier liegen Zeitungen aus und ein Bericht über Mountainbiken in Kanada bringt mich auf lustige Urlaubsideen. Dann kommt einer der Fitten vom Joggen rein und der Fußballer und er erzählen sich Geschichten übers Essen und Abnehmen. Das sind also die Männer von heute. 
Als die Gruppe fertig ist, geht’s auch für uns los. 
An der Tafel steht um was es heute geht und da steht doch tatsächlich was mit Sandsack! Uff. Das passiert also, wenn man öffentlich wünscht?! Cool. Heute bin ich bei den Großen. Wenn ich den Sandsack schaffe, dann komme ich bestimmt im Kraichgau ins Ziel. Das wäre ja gelacht. 
Wir nehmen den Sandsack auf die Schulter und setzen uns hin, nur um sofort wieder aufzustehen. Rechts geht das ziemlich gut, links ist es unfassbar schwer für meinen Oberschenkel. Ich fühle mich ziemlich groß dabei. 
Als das warm-up vorbei ist, geht’s mit einer Übungsrunde los. Wir sollen 6 Runden davon machen. Ich bin mir gleich sicher, dass es bestimmt sehr anstrengend wird, aber weil ich die Sandsack Belohnung bekommen habe, will ich mal nicht so sein. 
Wir fangen mit den Kettlebell Swings an und sofort fragt mich mein unterer Rücken, ob ich eigentlich einen Knall habe. Ich schwinge hier munter 12kg durch die Gegend, in dem ich meinen Hintern ruckartig anspanne und die Kettlebell von zwischen meinen Beinen hängend auf Schulterhöhe hochkatapultiere, ohne mit den Armen zu reißen. Rumpfstabi wird im Triathlon ja groß geschrieben und dazu gehört der Rücken eben auch… ein Glück. 
Weiter geht’s dann mit was russischem. Mal wieder. Diese Russen sind wirklich extrem kreativ im Ausdenken von fiesen Übungen, das stelle ich hier nicht zum ersten Mal fest. Die Übung ist mir neu, die Vokabel muß mit auf den Zettel, der seit Wochen unter dem Kopfkissen liegt, in der Hoffnung, dass sich alles irgendwann einprägt. 
Diese Übung wird mit ausgestreckten Armen im Kniebeugenstand durchgeführt. Ich halte eine Stange mit einer großen Gewichtsscheibe vor mir, das andere Ende steht im Sandsack. Dann führe ich die Stange an ausgestreckten Armen rechts und links vom Körper runter. Hier gehe ich übrigens dem Irrtum auf dem Leim, dass klein immer leichter ist als groß. Ingo tauscht nämlich für den zweiten Durchgang die große Gewichtsscheibe gegen eine Kleine aus und ich bin ihm so dankbar, dass er es leichter macht. Allerdings wird es schwerer, was ja sowieso schon mal vollkommen unlogisch ist. Das würde ja erstens heißen, klein ist schwerer als groß und zweitens, dass Ingo denkt, die große Gewichtsscheibe wäre zuviel und ich könnte mehr. Wow. 
Heute ist der Motivationsraum ja in voller Blüte. Erst der Sandsack und dann was kleines Schweres. Krass. 
Ich hab an dem kleinen Ding allerdings ganz schön zu knabbern. Aber weil die Jungs dem Motivationsraum alle Ehre machen, bekomme ich gut zugeredet und gebe natürlich nicht auf. Ist ja so wie einfach nur noch ins Ziel laufen. Vielleicht erinnere ich mich im Wettkampf mal daran? Das wäre cool. 
Wir machen noch lustige Spinnenliegestütz die mich viel mehr an Spiderman erinnern, als an den Aligator nach dem sie benannt sind, und kümmern uns wieder um den Dinosaurier. Hier könnte ich ja irgendwie schummeln, zumindest sowas in der Art, in dem ich den Winkel einfach nicht so weit wähle. Aber das mache ich nicht. Ich nehm einen großen Winkel, schließlich hatte ich ja die Sandsackbelohnung, und schwitze ordentlich. 
Die Aufstehkniebeugen sind heute wirklich nur Kür und trotz dem Sandsackaufsteher eine wahre Erholung. Verrückte Welt, ehrlich. 
Als Abschluss und weil es ja auch wieder einen Grund zum Übersprungs-anstrengungslachen geben muß, machen wir noch die 80er Jahre Übung. 15 Wiederholungen frei nach Jane Fonda, die ich in meiner Jugend zwar nie richtig wahr genommen habe, aber trotzdem nicht leiden kann. Die Frau quält mich und meinen Hintern. Es ist wirklich im Kurz-vor-Krampf-Stadium. Ob ich morgen noch sitzen kann. Gut, das interessiert hier ja eh keinen. Es lohnt sich also gar nicht, sich darüber Gedanken zu machen. 
Das anschließende Dehnen ist trotzdem total angenehm und wie ich dann so durch den dichten Nebel nach Hause fahre, muß ich irgendwie schwärmerisch an den Sandsack denken.