Die Wege des Trainers sind unergründlich und seine Motivation ist mir manchmal auch ein Rätsel. Da gebe ich ihm die Rückmeldung am Wochenende wegen einer Familienfeier faul gewesen zu sein und er schreibt mir für heute prompt Laufen und Schwimmen in den Trainingsplan. Unfassbar. Was denkt er sich dabei bloß? Hoffentlich hat er mich nicht mit einem seiner erfahrenen und total austrainierten Profisportler verwechselt? Manchmal frage ich bei solchen geballten Tageseinheiten ja nach, heute aber nicht. Ich stelle einfach fest, dass ich ganz offenbar bereits in einer überragenden Form bin und der Trainer diese nur sinnvoll aufbaut. Deshalb schnüre ich heute bereits vor der Arbeit die Laufschuhe.

Morgens im Wald

Es ist irgendwie dämmrig im Wald, obwohl die Sonne längst aufgegangen ist. Aber durch den bewölkten Himmel kommt es einem viel früher vor, als es eigentlich ist. Leider kommt es einem zu keinem Zeitpunkt trockener vor, als es eigentlich ist. Der Waldboden trieft regelrecht. Ich habe das Gefühl, dass ich heute auf einem großen Schwamm unterwegs bin und je nach dem, wie ich so auftrete habe ich außerdem leichte Bedenken, dass ich meinen Schuh verlieren könnte. Vielleicht wäre das heute der perfekte Tag gewesen um einen Barfußlauf zu machen? Da es außerdem hochspritzt vom feinsten, kann ich mir sicher sein, dass die Dusche sich heute volle Kanne lohnen wird. Vielleicht wäre es schlau gewesen mein Flaggschiff anzuziehen? Wobei die weitere Flaggschiffgewöhnung heute Abend ja wieder ganz in Ruhe bei der Swimnight in Langen durchgeführt wird. Also hat der Neoprenanzug heute früh noch etwas Ruhe. Auch schön.

Auf einer Lichtung sehe ich ein paar Rehe. Ganz offenbar ist mein Schwammlaufen so leise, oder sie wissen, dass sie auf jeden Fall schneller sind als ich. Sie lassen sich auf jeden Fall nicht stören und ignorieren mich. Erstaunlich, dass der Wald hier anscheinend zahlreiche beherbergt, denn eigentlich ist er ziemlich eingeschlossen von der Zivilisation. Aber mein morgendlicher Blick trügt mich nicht, da stehen zahlreiche Rehe und machen keine Anstalten wie eine Fata Morgana zu verschwinden. Die denken wahrscheinlich auch, dass es früher am Tag ist, wegen dem komischen Licht und der fehlenden Junisonne, die sich erfolgreich hinter den Wolken versteckt. Wenigstens regnet es nicht. Soll es aber später noch.

Ich bin nach 5km und 30 Minuten wieder daheim und wundere mich über mich selbst. Vielleicht spinnt die Uhr? Das war ein wirklich flotter Lauf und er hat sich gar nicht so angefühlt. Immerhin war ich ja in der Tierbeobachtung, habe aufgepaßt, dass ich meine Schuhe nicht verliere und habe mir über das Zeitphänomen „Dämmerung“ Gedanken gemacht. Außerdem musste ich mir die ganze Zeit, also eine gefühlte Ewigkeit, darüber Gedanken machen, warum der Trainer zwei Einheiten in den Plan schreibt und ob das ein Koppeltraining sein soll? Dann würde ich es ja jetzt komplett versauen. Ich dusche jetzt nämlich und fahre zu Arbeit.

Abends am See

Da wir ja Ironman Frankfurt Rennwoche haben, oder neudeutsch „it’s raceweek“ verschiebt sich die Sailfish Swimnight auf den Dienstag. Früher kamen zahlreiche Profiathleten und haben das letzte Freiwassertraining im Wettkampfwasser hier mit uns Swimnightteilnehmern absolviert, heute ist die Ausbeute eher verhalten. Zumindest werden nur zwei namentlich erwähnt und eine Dame fällt uns außerdem auf. Die zwei Herren des Teams Erdinger Alkoholfrei, Michael Göhner und Andreas Dreitz, sind leicht zu erkennen. Sponsorenfreundlich tragen sie heute nämlich nicht die goldene Badekappe, wie alle von uns, sondern sie schwimmen mit blauer Kopfbedeckung. Leicht zu erkennen also. Der Windschattengeber, der Teidestürmer (der uns heute ausnahmsweise mit seiner Anwesenheit beglückt) und wir, treten in voller Montur an. Der Sommer hat sich wieder etwas verabschiedet aus dem Rhein-Main-Gebiet und bei knappen 20°C in der Luft, ist es selbst für die größten Neokritiker von letzter Woche heute in Ordnung, dass der Anzug getragen wird.

Für mich gibt es ja sowieso keine Diskussion. Das hatte ich ja bereits letzte Woche erläutert. Da ich jetzt ja sowieso kein Koppeltraining durchführen kann, weil der Lauf von heute früh längst verdaut ist, beschließe ich mit dem Windschattengeber zu schwimmen und mal zu schauen, warum er stetig langsamer wird. Da ich eigentlich ein ganz guter Mitschwimmer bin, stelle ich mir das ganz einfach vor. Ist es aber nicht. Der Windschattengeber zieht nicht richtig durch und ist außerdem mit seiner Kraft nicht gleichmäßig unterwegs. Deshalb schwimmt er ein bischen zick-zack, was es mir ziemlich schwer macht, ihn zu begleiten oder im Auge zu behalten. Dass ich die Navigation übernehme, ist für ihn offenbar keine Option, trotz Ankündigung, schaut er trotzdem öfter mühevoll nach vorne und orientiert sich an der Boje.

Der Teidestürmer verpaßt den ersten Abzweig und schwimmt deshalb zur Einstimmung heute gleich mal eine große Runde. Kann man ruhig machen, wenn man so gut trainiert ist, wie er. Immerhin ist er mit einer Meerjungfrau verheiratet, das läßt irgendwie auf große Schwimmkunst schließen. Irgendwie muß er sich die ja geangelt haben. Meerjungfrauen laufen ja bekanntlich nicht einfach so durch die Gegend. Trotzdem ist der Teidestürmer laut eigener Aussage lieber auf dem Rad oder zu Fuß unterwegs, als zu schwimmen. Ich vermute reines Understatement, wie bei den meisten Männern.

Erfreulicherweise wartet der Zeugwart mit der zweiten Runde auf mich und so lassen wir dem Windschattengeber einen Vorsprung, ich schaue mir noch die Kraulkunst von Jan Sibbersen an, weil der es einfach drauf hat was das Kraulen angeht, und schwimme dann munter hinterher. Unfassbar, was man so an Geschwindigkeit aufbauen kann, wenn man es kann. Ich habe das Gefühl, dass ich überhaupt gar nicht voran komme, wenn ich so überholt werde. Und dabei hole ich den Windschattengeber munter und ausgesprochen locker ein. Ich bin also ein gutes Mittelmaß, aber die Leistungsnuancen im Schwimmen sind offenbar gigantisch groß.

Nachdem wir uns alle am Ufer wiedergefunden haben und noch ein paar bekannten Gesichtern hallo sagen konnten, bestellen wir Pizza und fahren zur Pizzeria Tevere. Hier werden wir mittlerwiele wieder wie alte Freunde begrüßt. Die Pizza schmeckt gigantisch gut. Ich mag schwimmen, aber die Pizza im Anschluß ist irgendwie noch besser.