Narben geben Charakter, Narben erzählen Geschichten, Narben machen interessant. Narben tun weh, Narben sind unflexibel, Narben lassen Leute starren. Je nach dem wo sie sitzen und welche Geschichte sie eben zu erzählen haben. Geschichten vom Pech zum Beispiel, wie bei mir. Ich habe einige Narben und Geschichten, die damit verbunden sind.

Operationsnarben, vom geplatzten Blinddarm in den frühen 90ern und einem sich anschließenden Darmverschluss. Von einem Riss im Bauchmuskel, weil ich dachte, ein Salto Rückwärts ohne sich aufzuwärmen auf dem Schulflur sei eine gute Idee. Entfernte Muttermale, die dann glücklicherweise als ungefährlich eingestuft wurden haben ebenso Narben hinterlassen, wie mein erster Radunfall, von dem ich eine Narbe am Knie davon trage und jetzt der zweite Unfall.

Mit dem Alter werden die Narben nicht unbedingt größer, aber der Umgang mit ihnen schwieriger. Die Narbe erzählt die Geschichte, dass ich verletzbar bin. Dass nicht alles immer Friede, Freude, Eierkuchen ist und sie zeigen die Lebensgrenzen auf. Nicht nur, weil ich daran erinnert werde, immer wenn ich sehe oder spüre, was passiert ist, sondern auch, weil das Gefühl, dass die Narbe hat – oder eben auch nicht – ein besonderes ist. Narbengewebe ist nicht immer so gefühlvoll, wie gesundes. Der Körper braucht Zeit, die Nerven müssen sich erholen und ihre Verbindungen erst wieder langsam regenerieren. Wenn er es überhaupt ganz schafft.

An meinem Knie habe ich bis heute (vom November 2013) immer noch Empfindungsstörungen. Manchmal fühle ich, manchmal nicht. Manchmal ist es taub, manchmal ist kaltes Wasser kochend heiß und manchmal ist es kalt. Ich spüre, wenn ich mich eincreme und dann weiß ich auch manchmal nur, wie es sich anfühlt, wenn ich mich eincreme und weil ich meine Hand auf dem Knie sehe, weiß ich, wie es sich jetzt anfühlt. Fühlen tue ich aber nichts. Wirklich komisch. Vielleicht kommt das Gefühl wieder, sagen die Ärzte. Aber eigentlich sei es auch nicht so wichtig, ob man am Knie etwas fühlen kann, oder nicht.

Meine neusten Narbenerrungenschaften im Bereich Operation, sind unter meiner Achsel, wo der lebenserhaltende Schlauch um meine Atmung zu ermöglichen eingeführt wurde, und auf meiner Schulter, wo mir die Platte auf dem gebrochenen Schlüsselbein montiert wurde. Die beiden tiefen Schürfwunden an der Taille und auf der Schulter verheilen noch immer, werden aber, wie der Zeugwart und ich das so in unserer laienhaften Betrachtungsweise feststellen können, auch als Narbe auf dem Athletenkörper verewigt bleiben. Der Kennerblick der Ärzte bestätigt unsere Einschätzung und ein fachmännisches „wenn es nur das ist“ zeigt mir, dass Narben einfach dazu gehören.

Eine ewige Erinnerung an Geschehenes. Wie die Kaiserschnittnarbe meiner Mutter, die sie ewig daran erinnert, dass sie mich geboren hat. Narben erzählen Schöne und nicht so schöne Ereignisse, aber eigentlich geht es doch immer darum, was man selbst daraus macht.

Werde ich wieder auf’s Rad steigen? Denn Saltos habe ich nach dem Ereignis in der Schule nie wieder gemacht.

Der Bauchmuskel hat mich lange aus dem Training rausgezogen, so dass die Zeit irgendwann abgelaufen war. Ich kann höchstwahrscheinlich mittlerweile noch nicht mal mehr ein Rad schlagen, geschweige denn einen Flicflac oder eben ein Salto machen. Die Narbe und das Erlebnis haben dafür gesorgt, dass ich so eine Verletzung nicht mehr davon tragen kann.

Wie wird das dieses mal sein?

Steige ich wieder auf?

Möchte ich noch mal Fahrrad fahren? Eigentlich gehört  Fahrrad fahren zum Leben dazu. Es ist ganz normal mit dem Fahrrad irgendwo hinzufahren. Jeder fährt Rad. Alt, jung, groß und klein. Zahlreiche Leute fahren wesentlich unsicherer und schlechter Rad, als ich es zuletzt gemacht habe. Ich bin immer mit Helm gefahren und habe sehr auf den Verkehr geachtet, weil ich dort immer die Gefahr gesehen habe. Mit einem Auto zu kollidieren, oder einem LKW, Traktor oder Motorrad, ist das Schlimmste, was einem Radler passieren kann, dachte ich. Sowas gilt es unbedingt zu vermeiden. Nach meinem letzten Radunfall habe ich neu fahren gelernt, besser und sicherer als vorher. Kann ich das wieder?

Ich kann mir selbst auch gut schaden, wenn ich auf dem Rad sitze. Ich bin mir nicht sicher, ob das sein muss. Zum Triathlon gehört Rad fahren dazu. Wenn ich also nicht mehr radeln möchte, dann muß ich mit dem Triathlon aufhören. Möchte ich das? Nein. Ich bin mir sicher, dass ich das nicht möchte. Ich möchte unbedingt irgendwann mal einen Ironman machen. Das ewige Ziel aller Triathleten, die große Unbekannte im Ausdauersport. Ich möchte das für mich machen. Muss ich was beweisen? Nein. Aber man wird ja wohl Träume haben dürfen…

Heute fühle ich mich nicht danach, wieder auf das Rad zu steigen. Es gibt gute und schlechte Tage. Vielleicht ist heute einfach ein schlechter Tag? Ich darf ja noch nicht mal rennen im Moment, sollte ich dann überhaupt an Triathlon denken? Schwimmen darf ich zur Zeit auch nicht. Die Bewegungen sind noch stark eingeschränkt. Keine Sprungbelastung, keine übermäßige Belastung der Lunge, Einschränkungen wohin ich mich drehe und wende. Und selbst das ist schmerzhaft. Noch immer. Man möchte meinen, dass die zehn Knochenbrüche meiner fünf Rippen mittlerweile verheilt sind. Trotzdem tut mir alles weh.

Ich schlafe schlecht, weil ich mich nicht richtig bewegen kann, jedes Umdrehen läßt mich aufwachen. Ich kann mich nicht richtig anziehen und ich kann nicht richtig meine Haare waschen. Man man man.

Was eine Rumjammerei.

Heute ist bestimmt einfach nur ein schlechter Tag…