Ich habe diese Woche Kleiderwoche. Eigentlich nichts besonderes, weil ich jeden Tag angekleidet in Erscheinung trete, aber eben oft in Hosen und selten in Kleidern. Ich bin aber im Besitz von zahlreichen und deshalb wurde diese Woche von meinem Kleiderschrank und mir als Kleiderwoche ausgerufen. Jeden Tag ziehe ich zur Arbeit heute also ein anderes Kleid an. Fünf Kleider habe ich locker im Schrank, wobei ich bei den Sommerkleidern tatsächlich noch etwas drunter/ drüber ziehe, denn obwohl wir viel Sonne im Rhein-Main-Gebiet haben, ist es noch nicht so richtig warm. Für ein Sommerkleid zumindest reichen die 14°C mir nicht. Aber drumrum Ausstattung ist vorhanden und so spazieren das Blockstreifenkleid und ich heute nach der Arbeit zum Balletttraining. Ich könnte jetzt auch den Hopsalauf machen und mich wie ein junges Mädchen fühlen, aber ich verzichte darauf. Obwohl das gut zum Kleid passen würde.

Ballettträume

Überpünktlich betrete ich den Ballettsaal und da bereits Musik läuft, lege ich auch gleich los mit Träumen. Warm gemacht wird sich heute, wie üblich auf der Erde und ich nutze meine Planking – Erfahrungen um alle Bauchmuskelübungen locker wegzustecken. Auch alle anderen Aufwärmübungen sind mittlerweile fast schon leicht abgearbeitet und so geht es im Anschluß an die Stange. Hier machen wir heute ein paar längere Übungsabfolgen und mein Träumerkopf wird ganz schön gefordert. Ballerinas haben ja per se ein unfassbar gutes Gedächtnis. Sie merken sich ellenlange Übungsabfolgen. Ähnlich wie Klavierspieler, die ganze Stücke auswendig auf die Tasten bringen. Mir fiel es schon als Kind immer leichter Ballettübungen auswendig zu lernen, als Klavierstücke. Trotzdem kann man nicht sagen, dass ich alles aus dem Ärmel schütte. An die genauen Abfolgen kann ich mich sowieso nicht mehr erinnern und sie werden auch anders sein, als die von heute.

Stangengedächtnis

Unglaublich, was es für eine Gedächtnisleistung ist, die Übungen alle nacheinander an der Stange zu absolvieren, dabei im Takt zu bleiben, den Bauch einzuziehen, den Rücken gerade zu machen und natürlich die Kopf- und Armhaltung zu beachten. Geht das Bein nach vorne, schaut man im Ballettunterricht nämlich zur Seite. Geht das Bein dagegen zur Seite, schaut der Kopf gerade nach vorne. Und der Arm der nicht an der Stange ist? Der sieht schön rund aus, nicht eckig, ist eher länger, als zu nah am Körper dran und die Hand schaut zur Tänzerin und nirgends sonst hin. Natürlich. Klingt alles ganz einfach. Ist es ganz sicher auch. Aber in unserem Kurs sind wir halt keine Primaballerinen, sondern doch irgendwie recht weit davon entfernt. Und so bin ich immer froh, wenn ich möglichst wenig Verbesserungen zu hören bekomme.

Vergleichstaktik

Meistens soll ich meine Schultern gerade halten oder mehr Spannung in den Oberkörper bringen. So eine Ballettlehrerin sieht auch einfach alles. Jedes Fünckchen Entspannungshoffnung meines angestrengten Körpers wird sofort im Keim erstickt. Ohne Erbarmen. Sie hat ihre Augen einfach überall. Beeindruckend und angsteinflößend zugleich. Ob sie das auch im Straßenverkehr so im Griff hat? Sie wäre eine prima Polizistin, wenn das so wäre. Verrückt. Nachdem wir unsere Stangenübungen weitesgehend fehlerfrei absolviert haben und ich mir beim Passé (hier sind die Ballettbegrifflichkeiten ganz schön erklärt) auch gleich noch einen Wadenkrampf auf jeder Seite geholt habe, räumen wir die Stangen weg und begeben uns in die Mitte. Hier wird es natürlich nicht weniger anstrengend und die Koordinationsschwierigkeiten nehmen für mein Können überproportional zu. Ich bin recht wacklig unterwegs, aber immerhin weit sicherer, als der große Rest vom Kurs.

Wenn man selbst nicht gut ist, kann man sich wenigstens daran erfreuen, dass andere noch schlechter sind. Ist zwar irgendwie eine blöde Sache, weil es das eigene Können ja keineswegs besser macht, aber sich in den Vergleich zu setzen, kann diesbezüglich trotzdem motivieren. Ich sollte mir das abgewöhnen. Kommt irgendwie doof, finde ich. Na egal, es ist ja nur noch diese und nächste Woche.

Vollkommen durchgeschwitzt schleppe ich mich nach dem Training heim und hoffe, dass die Wadenkrämpfe in der Nacht nicht nochmals aufflammen.