Tatsächlich regnet es heute morgen nicht mehr, als wir aufwachen. Ein Hoch auf Mallorca und auf die Wettervorhersage. Dass wir ausgerechnet am Regentag auch Urlaub haben, dafür kann ja irgendwie keiner was. Ich merke meine Beine vom gestrigen Laufen ganz schön, aber darauf können wir natürlich in einem Trainingslager keine Rücksicht nehmen, weil wir ja extra genau deshalb hier sind, weil es eben auch mal schwere Beine gibt. Wer da was gegen hat sollte sich grundsätzlich gegen ein Trainingslager entscheiden. So einfach ist das.

Heute früh ist es deutlich kälter als die letzten Tage und es bläst ein kühler Wind. Für unsere Abfahrt präparieren der Zeugwart und ich uns entsprechend. Ich gehe gefühlte 120 Mal zurück aufs Zimmer um immer neue Sachen zum anziehen zu holen. Knielinge, Armlinge, Windweste, Übergangshandschuhe und besser noch ein Gel. Man will ja vorbereitet sein und bei 12 mallorquinisch-windigen Grad Celsius kann ich mir irgendwie auch kaum vorstellen, dass ich das ganze Zeug heute irgendwann noch mal ausziehe.

Trotz dass ich ständig Klamotten nachlege, fahren wir erneut ziemlich pünktlich vom Hof und verlieren nach 10 Minuten erst mal den Gesetzeshüter und den Zeugwart. Wir biegen nämlich links ab, aber ich bin mir sicher, dass sie uns gesehen haben. Haben sie aber nicht und so fahren sie geradeaus weiter. Während wir also eine Rudelzusammenführung basteln, entscheidet sich der Zerstörer heute nicht weiter an seinem Projekt zu arbeiten und zurück zur Finca zu rollen. Nachdem wir die beiden Ausreisser wieder eingefangen haben, geht es für die Hübsche, den Zeugwart, den Gesetzeshüter, Emily Erdbeer, Sarabi und mich unter gekonnter Anleitung des Physiotherapeuten in Richtung Randa.

Randa

Bereits im letzten Jahr durften wir den überragenden Mandelkuchen in Randa genießen. Wir wissen also, worauf wir uns einlassen und so genießen wir den stetigen Gegenwind, weil der unser Freund ist und uns stärker macht. Also jetzt nicht direkt heute, aber ganz sicher irgendwann. Die Anfahrt nach Randa wird selbstverständlich mit einer leichten Planänderung gespickt, weil es sonst einfach auch keine ordentliche Ausfahrt mit dem Physio wäre. Wir nehmen eine andere Strecke, als im letzten Jahr und landen schließlich beim gleichen Strafstich, den uns der Hüne im letzten Jahr hochgejagt hat.

Ich brauche eine Pause, schaffe es aber am Berg wieder anzufahren und schon sind wir vor besagtem Café und treffen wichtige Kuchenabsprachen. Emily Erdbeer und der Gesetzeshüter entscheiden sich gegen den wahnsinnig weiten Ausblick und für das sofortige Kuchen essen, während wir anderen es uns nicht nehmen lassen, den stürmischen Anstieg zu absolvieren. Es ist eine wahre Unverschämtheit, dass ich die 5% hier hochklettern muß, während mir volle Kanne der Wind ins Gesicht bläst. Gestern habe ich noch Scherze darüber gemacht, dass ich beim Berg rauf fahre friere, wie Chuck Norris.

Heute friere ich beim Berg auf fahren, wie Chuck Norris. Dieser Wind ist wirklich unfassbar. Ich kann aber auch nicht besonders langsam machen, weil es ja dann nur länger dauert, dieses Frieren am Berg. Ich kann aber auch nicht super schnell machen, weil der Wind mich zurückhält. Frech, was der sich rausnimmt. Längst sehe ich keinen mehr vor mir, aber ganz weit oben fährt eine türkise Jacke. Das könnte die Hübsche sein. Weiß ich aber nicht und zu lange hochschauen kann ich auch nicht, weil ich mich auf den Wind und die Böhen konzentrieren muß.

Während die Hübsche dank Gel am Berg die Männer zersägt, arbeite ich mich stetig Berg an. Ich hätte niemals gedacht, dass ich es überhaupt so hoch schaffe. Oder so hoch. Oder bis hier. Und jetzt bin ich praktisch schon oben. Verrückt. Nur noch eine Kurve und dann werde ich tatsächlich von der Hübschen abgeholt. Oben ist es ihr nämlich zu kalt gewesen. Wegen des Windes, nicht weil ich so ewig gebraucht habe. Natürlich. Sarabi und der Zeugwart sind bereits oben und wir machen noch ein Erinnerungsbild und natürlich eine obligatorische Runde um die Aussicht zu genießen. Ehrensache. Niemals hätte ich gedacht, dass ich heute diesen Ausblick genieße. Alles reine Kopfsache. Ich bin so froh, dass ich es versucht habe.

Der Blick bis nach Palma ist glasklar. Die Abfahrt zurück zum Café eiskalt. Der Wind bläst wie verrückt und ich muß teilweise treten, damit ich Berg ab in die richtige Richtung fahre. Das ist doch unfassbar. Weiterhin. Nachdem wir uns im Café aus dem um uns angelegten Eisblock rausgeschnitten haben, essen wir absolut verdient ein Stück Mandelkuchen. Bis zu den letzten Krümeln.

Dann geht’s weiter. Wir fahren gegen den Wind, weil Wind im Trainingslager immer von vorne kommen muß und trotzdem Dein Freund ist, zurück nach Hause. Erfreulicherweise findet der Zeugwart in Sineu die Radrennbahn, so dass wir noch einen kurzen Kaffeestopp einlegen können. Da mittlerweile die Sonne so richtig raus gekommen ist, sitzen wir ein bischen in der Sonne, verfluchen den Wind und finden uns mit unseren bereits absolvierten Höhenmetern ziemlich klasse. Von Sineu aus haben wir noch knappe 30km bis nach Hause. Die werden wir schaffen. Hoffe ich zumindest.

Wind zehrt ganz schön an den Kräften. Und Berge auch. Aber es wäre ja gelacht, wenn wir uns davon unterkriegen lassen würden. Ich könnte heute noch ein bischen weiterfahren, obwohl wir nach 100km wieder zurück an der Finca sind. Ob das ein Trainingseffekt ist?

Meine Nachtruhe verbringe ich heute in meiner Knappmann Kompressionshose. Meine Beine sind ganz schön schwer und erfreulicherweise, hat sie es mit in den Koffer geschafft. Sie verspricht weniger Muskelkater am nächsten Tag und da wir mit Jill auf die Strecke gehen, bin ich sicher, weniger Muskelkater kann ich gut brauchen.