Gestern hatten wir herrliches Wetter im Rhein-Main-Gebiet. Meine Hüfte hat vom Freitagslauf geschmerzt und so habe ich auf Sport verzichtet, aber ich habe den ganzen Nachmittag auf dem Balkon verbracht. Wenn die Sonne sich schon mal die Ehre gibt, dann wäre es ja eine Beleidigung nicht draußen zu sein. Heute soll es regnen, natürlich. Was hätte diese Woche zum Abschluß auch anderes verdient?

Nägel mit Köpfen

Während es also munter vor sich hinregnet, ist für den Zeugwart und für mich aber heute klar, dass wir Fahrrad fahren gehen. Meine Hüfte schmerzt beim radeln kaum und wir möchten unbedingt die für das Wochenende vollgesperrte Autobahn anschauen fahren. Auf der A3 wird nämlich eine Autobahnbrücke abgerissen. Der Zeugwart findet es zwar maßlos übertrieben, dass nur, weil ich mich derzeit mit jedem Anstieg und damit auch mit Autobahnbrückenauffahrten, schwer tue, jetzt gleich damit angefangen wird, die erste Brücke abzureissen, aber ich finde das genau richtig. Nägel mit Köpfen machen. Ich lasse mir doch nicht von so einer Autobahnbrücke diktieren was Sache ist. Wie es mit dem Abriss dann heute so voran geht, das wollen wir aus nächster Nähe betrachten. Im Wald kann man nämlich praktisch bis genau zur Brücke hinfahren. Früher halt drüber fahren… aber das dürfte jetzt nicht mehr möglich sein.

Schneider im Regen

Wir ziehen uns an und endlich kann ich mal mein leuchtendes Regenoutfit ausprobieren. Also ich hätte das natürlich ständig schon ausprobieren können, aber heute ist mir eben danach. Heute ist genau der passende Tag und weil es auch kräftig regnet, ist leuchten zusätzlich gar nicht so verkehrt. Immerhin machen wir ja eine Baustellenbesichtigung. Warum die meisten Radjacken, so auch die des Zeugwarts, dunkel sind, habe ich ja noch nie verstanden, aber darum geht’s auch nicht. Meine leuchtet und so machen wir uns gut ausgestattet auf den Weg in den Keller. Der Zeugwart muß erst noch die Sättel montieren. Ohne kann man schlecht losfahren. Wir wechseln außerdem noch die Bereifung bei meinem Rad, denn heute ist absolutes Crosserwetter. Das war es anscheinend schon länger nicht mehr, denn in meinen Speichen sitzt ein großer Schneider und starrt mich an. Oder wie halt so ein Schneider starren kann. Ich schaffe es den Schneider loszuwerden und pumpe alle Reifen auf, und dann können wir auch schon loslegen. Derweil sitzt der Schneider im Gras und ist sichtlich unzufrieden, dass er aus dem warmen Keller wegmusste. Gut, kümmere ich mich später drum, jetzt wollen wir los.

Verwunschen

Die Brücke ist in Bieber, bzw. zumindest in dem Waldstück bei Bieber und so müssen wir eigentlich nach links fahren, da mein Rad aber schon rechts ausgerichtet ist, schlage ich vor eine Runde zu drehen und weil ich manchmal einfach keine Ahnung habe, wo es so lang geht, fahre ich nach rechts und der Zeugwart oben an der Strasse richtigerweise nach links. Ich erzähle ihm munter, was ich mir so zu dem Schneider überlegt habe und als keine Antwort kommt, halte ich Ausschau und stelle fest, dass er am anderen Ende der Strasse in der Kurve steht und abwartet, ob ich mich wohl doch dazu entscheide mit nach Bieber zu fahren. Oh man. Ich lache mich kurz kringelig, und dann können wir auch wirklich los. Der Zeugwart freut sich über meinen Orientierungssinn und wir fahren durchs Dorf, werden von der Polizei noch kurz bewundert, weil wir total hartgesotten sind und sind dann schon im Wald. Hier sieht’s total verwunschen aus.

Irgendwie müssen wir gleich beide an Herr der Ringe denken und überlegen, ob Galadriel heute wohl ebenfalls auf dem Rad sitzt und wenn ja, ob ihr Wald dann auch so passend rumsumpft, wie der unsere. Alles ist so satt grün, vermost und überall steht das Wasser im Wald, die runtergefallenen Äster sehen ganz verwunschen aus und es bietet sich hier wirklich eine gigantische Filmkulisse. Da ich ja voller Sportlust bin, halte ich natürlich nicht an, um ein Bild zu machen. Eventuell kann ich das die Tage noch mal nachholen. Sieht wirklich gigantisch aus. Im Wald denke ich immer, ich bin woanders. Gut, dass mein Garmin mitläuft, so dass ich im Ernstfall nicht vollständig verloren wäre. Aber ich habe ja auch noch den Zeugwart, der auch anderen Waldbesuchern gerne Auskunft gibt, wo sie denn derzeit sind und wie es dahin geht, wo sie hinmöchten.

Wir erreichen die Brücke, bzw. die Rampe, die mal zur Brücke führte… denn die Brücke ist tatsächlich Geschichte. Wahnsinn. Das Land Hessen hat tatsächlich die Autobahnbrücke abgerissen. Die ziehen es durch. Eiskalt, und regennaß. Und das alles nur, weil ich in den letzten Wochen lautstark lamentierend und vollkommen konditionslos hechelnd mich jeden Anstieg hochwuchte. Respekt. Mittlerweile läuft der Verkehr auch wieder und wir bestaunen nur die freie Sicht und die großen Maschinen, ehe wir uns dazu entscheiden, doch noch eine weitere Runde mit den Rädern zu drehen.

Wir entdecken ein farblich passend abgestimmtes Rapsfeld, stellen fest, dass ich es -trotz zahlreicher Kilometer auf Mallorca- an einem verregneten Sonntag daheim mit Crosser noch nicht so drauf habe und machen ein paar Fotostopps. Ich glaube, das ist auch ein gutes Training. Und wenn nicht das, so ist das Rädchen wenigstens mal gut in Szene gesetzt. Das ist auch was wert.

Den Schneider wollte ich nach unserer Heimkehr noch zurück in den Keller bringen, aber da war er schon selbst hingekrabbelt. Wir waren wohl zu langsam.