Nachdem die Langzeitblutdruckmessung mit dem nervigsten Gerät, seit Anbeginn der Blutdruckaufzeichnungen, heute früh ein glückliches Ende nahm, blicke ich voller Tatendrang nach vorne. Der Arm ist frisch befreit und der Rucksack ist vom Wochenende noch fertig gepackt, weil Laufen für Dienstag angedacht war. Der Trainingsplan des Tonangebers zeigt mir dann mal wieder, wo der Hammer eigentlich hängen sollte und ich lese für heute 1 Stunde ebbes laufen und dazu noch Beschleunigen und was weiß ich. Warum der Tonangeber das drauf schreibt, obwohl er ganz genau weiß, dass da bei mir nichts zu holen ist, kann ich nicht nachvollziehen. Ich werde ihn aber auch nicht drauf stoßen, soll er ruhig denken, dass er da den Ton angibt. Denkt er ja auch bei der Chefin daheim und in Wirklichkeit ist die Welt eben auch einfach rund.

Großartig bepackt, mit meiner Arbeitstasche und dem Laufrucksack spaziere ich heute in Richtung Büro. Es ist dichter Nebel, ich kann nur erahnen, wo der Eingang zum Bürogebäude ist, so dicht ist die Suppe. Aber bei HR3, meinem Arbeitsfahrtbegleitradioservice, hat man mir glaubhaft versichert, dass der Himmel heute noch aufreißen wird und die Sonne den Nebel verscheuchen kann. Also ich bin ja mal sehr gespannt, ob das dann wirklich so kommt. Erst mal arbeite ich heute Vormittag, dass die Tastatur nur so glüht. Ich bestaune außerdem das neue Canyon Speedmax eines Kollegen, was ganz neu aufgebaut voller Vorfreude auf große Taten glänzt und ich schaffe es einmal mehr mir für heute eine entsprechende Begleitung für den Anfang meiner Runde zu sichern.

Selbst die richtige Geschwindigkeit zu finden, ist angstrengend und mir mit passendem Puls fast unmöglich. Mit den Herren Thacker und Mitty dagegen, geht es auf einmal prima. Die beiden eignen sich hervorragend zum Hasendasein. Sie schirmen mich auch, vollkommen unbedarft, wunderbar gegen den Wind ab, wenn denn welcher da wäre, und so komme ich mit beiden als Mitläufer für die ersten knapp 400m auf eine angenehme Reisegeschwindigkeit, die ich versuchen werde, mehr oder weniger zu halten. Ich biege ab und laufe meine mittlerweile fast schon übliche 5,5km Runde, währendessen die Herren eine weitere Runde in Angriff nehmen. Und wahrscheinlich auch nur, um wenige Minuten nach mir wieder im Büro zu sein. Aber die Herren sind auch gut trainiert und auf dem sicheren Weg zum Ironman. Wohingegen ich auf dem sicheren Weg zu meinem Ziel 5km am Stück durchzulaufen bin.

Das Wetter ist herrlich, die Sonne scheint, es weht kein Lüftchen und der Nebel hat sich tatsächlich vollständig verzogen. Ich weiß schon, warum ich HR3 höre. Heute trage ich außerdem eine neue Laufhose, die ich mir mal im Ausverkauf bestellt habe. Sie war extrem günstig und trägt sich dafür überragend gut. Manchmal bin ich trotz günstigem Preis einfach zu geizig… von dieser hier hätten es auch gleich zwei sein dürfen. Hoffentlich ist sie bis zum nächsten Lauf wieder trocken. Obenrum tut es zwar noch ein Langarmshirt und eine Windweste, aber mit kurzer Hose finde ich es dann doch mittlerweile etwas zu frisch.  Nebel hin oder her und auch wenn die Sonne auf die Beine scheint, mit langem Beinkleid bin ich heute wirklich genau richtig angezogen. Ein Treffer! Und das schon beim Rucksack packen am Wochenende. Das ist echt prima.

Ich laufe meine übliche Runde, genieße die Sonne und freue mich, dass der ganze Schlamm, der in den letzten Läufen bis hoch zum Knie gespritzt ist, heute nur noch als Staub auf dem Weg zurückbleibt. Alles ist abgetrocknet und so ist nichts mehr rutschig. Ich kann die von den Herren eingestellte Reisegeschwindigkeit auch ganz hervorragend durchhalten und erreiche die Autobahn mit ihnen fast zeitgleich. Mir fehlen ein paar hundert Meter, aber alleine, dass sie noch nicht an der Kreuzung vorbei gerannt sind, ist schon ein großer Erfolg. Wir heben kurz die Hand zum Gruß und dann geht’s konzentriert weiter. Obwohl ich heute nicht so verbissen sein muß, um einfach zu laufen. Ich denke an die Wettermelodie die Tobi mir heute früh bei HR3 vorgespielt hat und die mir nach wie vor im Kopf rumdudelt. Und die ja auch ganz offensichtlich den Nebel vertrieben hat und ich denke, dass heute vielleicht ein ganz guter Tag ist um einfach so weit zu laufen, wie es irgendwie geht.

Meine magische 5km Grenze schwirrt mir im Kopf herum. Ist sie erreichbar? Heute? Natürlich. Darüber denke ich gar nicht wirklich nach. Ich laufe einfach, immer weiter. Berg an wird es schwieriger. Klar wird es da schwieriger, es heißt ja auch Training und nicht Kindergeburtstag und mein Körper soll ruhig etwas zu tun haben. Und dann bin ich auch tatsächlich bei 5km und die ganze Zeit gelaufen. Da brat mir doch einer einen Storch. Strahlender Sonnenschein, nebelfrei und in perfekt gesetzter Reisegeschwindigkeit, laufe ich mir nichts, Dir nichts einfach mal so die 5km am Stück ohne Gehpause. Wer hätte das noch vor drei Wochen gedacht? Ich zumindest nicht. Die Strecke erschien unfassbar weit. Unüberwindbar. Fast schon unwirklich. Aber heute, heute war sie machbar. Ich musste mich anstrengen, keine Frage, aber quälen musste ich mich nicht.

Heute kein Foto für Dich.

Und es war so flüssig, dass ich noch nicht mal für ein Bild anhalten wollte. Das gehört normalerweise immer dazu. Denn ob man in einer Gehpause kurz für ein Bild anhält, oder nicht, fällt ja schließlich gar nicht auf. Aber beim Durchlaufen passt das natürlich nicht rein. Voller Stolz spaziere ich ins Büro und verkünde, dass ich gerade tatsächlich 5km unterwegs war. Die Herren Mitty und Thacker traben nur wenig später nach guten 8km herein, was meinen Erfolg nicht schmälert, wohl aber meine Geschwindigkeit in eine andere Relation setzt. Aber egal. Männer eben. Sollen die erst mal 5km in meiner Reisegeschwindigkeit durchlaufen…