Auf dem Trainingsplan steht zweimal laufen in der Woche, plus einmal koppeln, aber da ich ja kleine Brötchen backe, übe ich erst mal laufen, ehe ich überhaupt an Koppeln denke. Es ist auch sowieso klar, dass ich derzeit nach dem Radfahren gar überhaupt noch nicht oder besser nicht mehr laufen kann. Im Moment natürlich. Vielleicht irgendwann wieder, aber zur Zeit halt undenkbar. Und zwar so undenkbar, dass ich mir vornehme den Tonangeber die Tage mal anzurufen und ihm zu sagen, dass ich den Plan für die Mitteldistanzrookies nicht umsetzen kann. Es ist ja nicht das Ende aller Tage, und vielleicht brauche ich einfach mehr Zeit? Aber er sollte es wissen.

Heute gehe ich mit dem Power Ranger, einem Kollegen von mir, laufen. Er ist jung, dynamisch und trainiert für den Ironman Frankfurt im kommenden Jahr. Und weil er ein Power Ranger ist, ist er niemals müde oder erschöpft und morpht sich raus und rein aus seinen Sportklamotten, wie andere durch Türen gehen. Er schwimmt vor der Arbeit lockere 4km, fährt mit seinem Crosser zu jeder Tages und Nachtzeit seine Trainingseinheiten und möchte heute seinen 12km Lauf inklusive Lauf ABC mit mir zusammen machen. Oder so ähnlich.

Jedem, der mit mir zu tun hat, ist klar, dass 12km außerhalb jeder Reichweite sind. Und wer den Power Ranger und mich kennt, weiß auch, dass wir lauftechnisch auf extrem unterschiedlichen Ebenen unterwegs sind. Ich bin halt weit entfernt vom Power Ranger dasein. Da muß man der Wahrheit mal ins Auge blicken. Aber das ist schon ok. Der Power Ranger ist deutlich jünger als ich, obwohl ich mich nicht alt fühle. Aber wenn er mit mir spricht, habe ich manchmal den Eindruck, ich könnte seine Mutter sein. Ganz klappen würde das zwar nicht, aber manchmal ist man ja auch einfach alt oder jung im Kopf.

Trotz des Leistungsunterschiedes, beschließt der Power Ranger heute einige Kilometer mit mir zu laufen. In meinem Kopf brodelt ein Zahlenproblem, dem ich unbedingt noch heute Herr werden möchte. Ich bin vom Power Ranger davon wunderbar abgelenkt, höre Geschichten aus dem Leben eines Weltretters, erfahre, wie das so klappt mit dem morphen und wie die Zukunft aussehen soll. In naher Zukunft bestimmt auf jeden Fall das Triathlon Training unser Leben, da sind wir uns beide einig. Aber was ist in 5 Jahren? Er wird ein Ironman sein, da bin ich mir ganz sicher. Und höchstwahrscheinlich auch noch bei der Weltmeisterschaft in Kona starten… und ich? Was mache ich eigentlich so in 5 Jahren? Bin ich dann schon mal durch ein Ironman Ziel gelaufen?

Es ist müssig darüber nachzudenken. In 5 Jahren kann so viel passieren! Der Power Ranger und ich trennen uns nach 3,5km und er läuft seine Runde weiter. Sein Lauf ABC hat er neben mir, während ich die Geschwindigkeit versucht haben „hoch“ zu halten, bereits vollständig absolviert und zack, legt er ein paar Gänge drauf und ich bin alleine. Letzte Woche begann hier der Kampf. Der Kampf um durchzuhalten und bloß keine Gehpause zu machen. Der war hart, aber er wurde gewonnen. Heute muß ich nicht kämpfen, zumindest nicht im Moment. Ich genieße die letzten Sonnenstrahlen, ich genieße, dass den Himmel praktisch kein Wölkchen schmückt und ich freue mich, dass mein Kopf so richtig frei geworden ist.

Egal, wie anstrengend es im Büro ist, wenn ich die Laufschuhe schnüre und eine Runde raus gehe, dann kann ich im Anschluß viel besser nachdenken und so frisch durchgepustet, kommen mir auch die besten Lösungsansätze. Das sollten viel mehr Chefs möglich machen, wenn ich es mir recht überlege. Ich laufe immer weiter und stehe dann tatsächlich auf einmal wieder direkt vor meinem Bürogebäude. Ich bin die ganze Runde gelaufen! Komplett. Immer gelaufen, ohne Gehpause. Das finde ich bemerkenswert, so große Fortschritte, in so kurzer Zeit. Ich bin jetzt allerdings auch ziemlich geschafft. Aber, und das ist am Allerbesten, mein Problem von vor dem Lauf, hat sich relativiert und die Lösung ist bereits vollständig in meinem Kopf. Ich muß sie nur noch aufschreiben.