Mittlerweile waren der Zeugwart und ich schon ein paar Mal beim Hamburg Wasser World Triathlon, also dem WTS Triathlon Hamburg, der ITU und auch in diesem Jahr hatten wir den Kurztrip frühzeitig organisiert, damit wir weder Unsummen für die Anreise oder das Hotel noch in die Versuchung geraten, dass doch etwas anderes ansteht. Und deshalb freuen wir uns in diesem Jahr umso mehr über unsere gigantische Vorabplanung, denn Lovis, Kimberly der pinke Ranger und Karla Kolumna absolvieren ihre erste olympische Distanz in der schönen Hansestadt, und wir können dabei sein.

Die Mädels sind extrem gut vorbereitet und wir verbringen einen spannenden Samstag auf der Messe, bei der Akreditierung und bei einem gemeinsamen Abendessen. Der Sugardaddy teilt als Glücksbringer die Rundenbändchen vom Marathon seines vergangenen Ironman Wettkampfes in Frankfurt aus und alle Tricamper inklusive Angehörigen und Freunden treffen sich zum frühen Abendessen zu einer privaten Pasta Party. Selbstverständlich in einem von Tricampern erprobten Restaurant. Wir überlassen nichts dem Zufall. Die Ansicht über die Vorbereitungszeit lässt übrigens bei Rookies, wie auch bei erprobten Athleten gleichermaßen ein Schmunzeln zu, denn jeder startende Tricamper ist aufgeregt und hätte selbstverständlich doch noch etwas mehr trainieren können. Darin sind sich alle Athleten gleich, egal welche Distanz.

Guter Start in den Tag

Unser Hotel serviert am Sonntag früh ein frühes Frühstück, und so können wir frisch gestärkt die Koffer packen, auschecken und wirklich sehr früh zum Jungfernstieg marschieren. Im Tricamp Dress erkennen wir auch bisher unbekannte Tricamper von Weitem und werden sofort Freunde. Der Tonangeber und die Chefin haben das mit dem Menschen aussuchen irgendwie voll drauf und so bilden wir eine große lustige Truppe über dieses komplette Wochenende, während die beiden Urheber noch nicht mal selbst vor Ort sind.

Aber der Sugardaddy hält seine Schäfchen zusammen und nachdem wir einige Athleten in die Alster zum schwimmen verabschiedet haben, kommt das Tier, der erste Tricamper, der sich heute in die Alster geworfen hat, schon in die Wechselzone gerannt. Also der ist ja mal durchtrainiert, dass es kracht und die Begrifflichkeit Wettkampf hat beim Tier auch spontan die Bedeutung zurück, für die es steht.

Aufregung regiert die Runde

Unsere drei Rookiedamen sind aufgeregt. Wir finden sie zusammengescharrt nur unweit der Wechselzone und machen noch ein Vorwettkampf-EndederRookieZeitBild. Immerhin ist das hier ein großer Schritt für diese Damen. Alle werden heute das Gelernte in die Tat umsetzen, alle werden zu Triathleten auf der Olympischen Distanz. Alle werden nach dem Zieleinlauf keine Rookies mehr sein, so viel ist sicher? Das Rookieprojekt leert sich. Praktisch jeder hat mittlerweile seinen Rookiewettkampf gemacht, oder steht kurz davor. Alle, bis auf mich. Aber heute geht’s nicht darum, was ich nicht kann, sondern darum, was die Mädels können. Und ich bin mir ganz sicher, jede kann Olympisch!

Nachdem die Wechselzone aufgebaut ist, geht’s mit den Schwimmaustattungen in Richtung Schwimmstart. Karla Kolumna bekommt noch eine Wettkampffrisur und während man Kimblery, dem pinken Ranger, und Karla Kolumna ihre Nervosität vor dem anstehenden Wettkampf richtig anmerkt, ist Lovis vermeintlich die Ruhe selbst. Aber nur äußerlich, denn ich glaube schon, dass sie aufgeregt ist. Eine Olympische Distanz ist kein Zuckerschlecken, und wenn wir schauen, woher wir alle kommen, haben alle unsere Athletinnen heute einen wirklichen Grund Respekt vor der Strecke zu haben. Respekt ist ja generell nie verkehrt, trotzdem sollte man den Spaß nicht vergessen und den Grund, warum man überhaupt an den Start gehen möchte.

Warum das alles?

Und der Grund ist für alle drei der Gleiche… ab ins Ziel. Das Ende der Rookiezeit, endlich ein Finisher auf der Olympischen Distanz sein, endlich Triathlet, endlich ernten, was der Tonangeber an Quälerei seit Beginn des Rookieprojektes auf den Trainingsplan geschrieben hat, endlich erfahren und erleben, wovon Triathleten reden, wenn sie behaupten, dass sich alle Mühen lohnen. Dass es das tollste Gefühl überhaupt ist, ins Ziel gerannt zu sein. Dass die Medaille für fast alles entschädigt und es ganz wunderbar ist, wenn einen Freunde und Familie vom Streckenrand aus anfeuern. Ich bin selbst ganz aufgeregt, weil es die Rookies sind und als sich Lovis und Karla Kolumna dann in Richtung Schwimmstart aufmachen, verschwinde ich, damit keiner die Tränen in meinen Augen sehen kann.

Es schmerzt.

Ich bin ehrlich und weil es sowieso keiner merkt, ist das auch ok. Solange man ehrlich zu sich selbst ist, ist noch Hoffnung da und es wäre einfach gelogen, wenn ich mir nicht eingestehen würde, wie viel es mir ausmacht, dass die drei am Start stehen können und ich nicht. Es wäre nicht ehrlich, wenn ich mir einreden würde, dass es nicht so wichtig ist. Natürlich dreht die Welt sich weiter, das hat sie immer getan und ob ich mitmache, oder nicht, ist dabei total egal.

Aber es wäre mir wichtig gewesen. Nicht dringend dieser Wettkampf, aber eine olympische Distanz in diesem Jahr. Irgendwie war doch das der Plan, der jetzt nicht aufgeht. Nächste Woche ist der Kontrolltermin im Krankenhaus für mein Medikament und dann gibt’s vielleicht das finale Startsignal. Trotzdem ist dann nicht alles wie vorher, denn zaubern kann keiner. Und 10km rennen können ist einfach eine unfassbar weite Strecke im Moment.

Konzentration, um keinen zu verpassen

Der Zeugwart gibt mir über Telefon Bescheid, dass Kimberly auf dem Weg in die Wechselzone ist. Wow, sie ist super geschwommen, und dass, obwohl sie so große Bedenken hatte, vor dem trüben Wasser und den Menschen. Sie kann stolz auf sich sein! Während ich also den Ausgang der Wechselzone im Auge habe, kommt auf der Radrunde Sarabi vorbei, die hier in Hamburg einen Test vor ihrem nächsten Ironman in Kalmar absolviert.

Ich schaffe es, beide Damen vor die Linse zu bekommen und bin dann fast etwas gestresst, weil Karla Kolumna aus der Wechselzone herausgerannt kommt, als gäbe es dort wilde Hunde, die sie jagen. Lovis ist ihr dicht auf den Fersen und ich möchte wetten, dass die beiden sich im Überholmanöver auf der Radstrecke ganz sicher mal begegnen. Lovis ist stark, vor allem auf dem Rad.

Stimmungsnest

Die anderen Anfeuerer finden sich hier an der Radstrecke zusammen und wir bilden ein Stimmungsnest. Wir fragen Karla Kolumna mehr als einmal, wie die Mutter von Nikki Lauda heißt und erfahren aus ihrer Antwort, dass sie noch topfit ist. Diese Damen sind wirklich sehr gut trainiert und ich habe ein wahnsinnig wohliges Gefühl, als alle ihre Räder in die Wechselzone schieben. Wir warten auf alle drei Rookies am Anfang der Laufstrecke, während Sarabi schon auf dem Weg ins Ziel ist und marschieren dann keine Sekunde zu früh selbst in Richtung Rathaus, wo der Zieleinlauf statt findet. Kimberly, der pinke Ranger wird garantiert eine ziemlich flotte Zeit in den Hamburger Asphalt brennen und tatsächlich stehen wir kaum fünf Minuten dort, da rennt eine überglückliche Rookieathletin auf den blauen Teppich und bekommt ihre wohlverdiente Medaille.

Zieleinläufe aus dem Bilderbuch

Wir warten auf Karla Kolumna, die wir im Athletentracker verfolgen und dann auch über die Poststrasse von weitem auf den blauen Teppich rennen sehen. Sie rennt nach wie vor, als wären die Hunde noch nicht abgeschüttelt und kann ihr Glück von einer weit unterbotenen voraussichtlichen Zielzeit überhaupt nicht fassen. Viel viel schneller als sie selbst erwartet hat, hält auch sie ihre Medaille in den Händen und beendet ihr Rookieprojekt mit Freudentränen in den Augen.

Die beiden Damen erwarten ihre Trainingskollegin Lovis dann nach etwas Verschnaufpause im Ziel und tatsächlich sollte bei ihrem Zieleinlauf auch dem größten Kritiker, dem, der bisher vollkommen emotionslos einem Zieleinlauf beigewohnt hat, klar werden, worum es eigentlich beim Triathlon geht. Wieviel Druck im Ziel abfällt, wie erfüllend der Zieleinlauf ist, wie sehr man sich über das Erreichte freuen kann und wie wichtig es zusätzlich ist, seine Freude teilen zu können.

Freude pur

Alle drei Rookies liegen sich freudestrahlend in den Armen und können ihren Erfolg kaum in Worte fassen. Jede für sich hat heute Großartiges geleistet. Alle sind deutlich unter ihrer selbst erwarteten Zielzeit geblieben, alle haben den Wettkampf genossen, jede hat Erfahrungen fürs Leben gemacht und jede kann extrem stolz auf sich sein. Ich brauche etwas Abstand. Einfach für mein Gemüt. Ich freue mich wahnsinnig, dass die drei nun keine Rookies auf der Olympischen Distanz mehr sind, dass ihnen mein Sport so viel Freude gemacht hat und dass bereits weitere Pläne geschmiedet werden, aber ich habe auch einen Kloß im Hals, den hoffentlich keiner merkt. Wir wünschen den Athletinnen gute Erholung, dann machen der Zeugwart und ich uns auf zum Flughafen.

Diese drei haben nun auf jeden Fall ausgerookiet. Dieses Kapitel kann der Tonangeber voller Zufriedenheit schließen. Die Anzahl meiner Mitstreiter nimmt merklich ab.