Nachdem ich gestern einen leicht erschwerten 100m Test im Schwimmen absolviert habe, hat sich die Chefin für heute gleich wieder ein Laufprogramm ausgedacht. Ich habe das Gefühl, sie kriegt auch nie genug. Ich dagegen habe heute früh tatsächlich genug. Nachdem es gestern spät wurde, steht der Wecker auf 5h, aber ich kann heute tatsächlich nicht aufstehen. Und wollen tue ich es auch nicht. Das ist ja auch immer so ein Faktor. Wenn ich wollte, würde es bestimmt gehen, aber ich will heute auch einfach nicht. Der Herbst ist über uns hereingebrochen, bei uns sind es heute Nacht nur 3°C gewesen und ich bin auch einfach nicht fit.

Es ist stockdunkel draußen. Ich drücke den Wecker weg und drehe mich einfach noch mal um. Einerseits deprimiert, weil ich den Lauf jetzt nicht noch vor dem Frühstück durchziehe, anderseits zufrieden, weil Schlaf nicht überbewertet ist und ein ausgeruhtes Training auch mehr bringt, als ein unausgeschlafenes. Richtig ausgeruht werde ich auch später nicht sein, aber alles ist besser als jetzt aufstehen und es auf Teufel komm raus durchzuziehen. .

Nach dem Frühstück, als das Mittagessen für heute vorbereitet ist und ich die ersten Emails abgearbeitet habe, checke ich den Verkehr zum Büro. Ein Laster hat sich entschieden sich auf die Seite zu legen und der Stau ist bereits zu früher Stunde beeindruckend. Die Emails, die ich jetzt schon abgearbeitet habe, regen mich allesamt auf. Wieder einmal wurden vorab festgelegte Dinge einfach, ohne Rücksprache oder Vorwarnung, und vor allem ohne Information, abgeändert und irgendwie ärgere ich mich über mich selbst, dass ich beschlossen habe, mich nicht mehr zu ärgern. Ich bin eigentlich jemand, dem nicht alles egal ist, ich kann gut mit Anweisungen, aber ich hinterfrage sie und „das ist mir egal“ kommt mir wirklich nicht oft über die Lippen. Im Bezug auf den Wahnsinn im Büro im Moment aber leider im öfter. Weil ich es nicht ändern kann. Und schon rege ich mich wieder auf.

So bringt das nichts. Ich ziehe mich um, und gehe laufen. Es steht auf dem Trainingsplan, ich glaube, es würde mir gut tun, den Kopf durch zu pusten und wenn ich am Schreibtisch sitze, löse ich die Probleme im Moment eh nicht. Und vielleicht höre ich ja auf mich über mich selbst zu ärgern. Mal sehen. Als der Zeugwart also zur Arbeit fährt, laufe ich los. Ich höre Tim Bendzko und er gibt sich wirklich Mühe all meine Gedanken in seine Lieder einzubauen. Ich bin auch keine Maschine und hinter dem Meer stelle ich es mir auch gerade viel fairer vor, als hier. Und ein bisschen Leichtsinn wäre für mich auch nicht verkehrt.

Ich laufe mich nach Plan warm, in rund 7:05min/km und finde, dass es mit Tim und mir heute ganz gut läuft. Die Musik ist berieselnd, sie passt nicht zu meinem Laufrythmus und seine Worte treffen es heute einfach. Er erklärt mir netterweise, warum er Lieder singt und ich könnte ihm antworten, warum ich laufen gehe. Es macht den Kopf frei. Zumindest hoffe ich das. Nach dem Einlaufen stehen 8x 1 Minute sehr schönes Laufen auf meinem Trainingsplan. Die Chefin schreibt, dass ich das gelernte Lauf ABC umsetzen soll. Sie findet, dass ich den Kniehebelauf, das Anfersen und die Sprints nun zusammensetzen kann. Eine Minute lang. Dann mache ich eine gleichlange Gehpause und so weiter.

Tatsächlich wird es von Mal zu Mal flüssiger. Die erste Minute denke ich wieder daran, dass etwas Leichtsinn, statt schwerer Gedanken und Sorgen, sicherlich vieles einfacher macht. Ich laufe 6:25min/km und brauche gefühlt keine Gehpause nach dem schönen Laufen. Die zweite Minute gehe ich, die dritte Minute überlege ich mir, dass es viel viel schlimmere Sachen gibt, als einen chaotischen Büroalltag und laufen 6:15min auf den Kilometer. Und während ich meine Nerven auftanke, während Tim mir Mut zusingt und behauptet, dass das Ende noch nicht in Sicht ist, laufe ich meine schönen Minuten immer flotter. Die Letzte schöne Minute ist deutlich unter 6min/km.

Fühlt sich gar nicht so schnell an, aber natürlich lügt die Uhr nicht. Und weil ich ja jetzt nun mal warm bin und Tim netterweise all meine Kopfthemen weggesungen hat, renne ich zurück nach Hause. In einer krassen Geschwindigkeit. Also für mich. Vielleicht auch für Tim, das kann ich nicht sagen, ich kenne ihn ja schließlich nicht. Und eigentlich höre ich ihn auch nicht so oft. außer vielleicht jetzt, immer wenn mir was auf der Seele liegt. Denn da ist er wirklich eine super Begleitung. Ich laufe heim mit 6:35min/km und als ich die Uhr stoppe, bin ich richtig zufrieden. Mit dem Training, mit mir, mit den Durchschnittszeiten und mit Tim.

Gut, dass ich seine Musik im Kopfhörer hatte, richtig gut.