Der Trainingsplan, den die Chefin zusammengestellt hat, sieht den nächsten Ruhetag am kommenden Mittwoch vor. Bis dahin steht jeden Tag etwas drauf, was ich abarbeiten kann. Faszinierend, wie viel man in einen freien Tag reinpacken kann, jetzt nicht nur an Sport, sondern auch an anderen Aufgaben. Obwohl wir heute erfreulicherweise keine Pläne haben, bin ich den ganzen Tag, direkt bis zum Trainingsbeginn, damit beschäftigt Sachen zu räumen, zu sortieren und zu putzen. Und nachdem ich den Teig für das Abendbrot vorbereitet habe, ist es auch schon Zeit zu trainieren.

Die Chefin hat heute 1Stunde und 5 Minuten Rollentraining auf den Plan geschrieben und so suche ich mir in den zahlreichen Touren von FulGaz eine fast passende raus. Da in der Bibliothek auch immer die Zeiten angegeben sind, kann ich die Kilometer und angegebenen Höhenmeter ganz gut einschätzen. Klar ist, dass ich sowieso viel länger brauche, als die Kameraradler, die die Strecken ursprünglich aufgezeichnet haben.

Ich wähle für heute eine Rennstrecke. Hier sind zahlreiche andere Fahrer unterwegs und weil mein Kameraradler ja je nach meiner Geschwindigkeit unterwegs ist, aber die umliegenden Radfahrer eben immer so fahren, wie sie fuhren, als das Video aufgezeichnet wurde, bin ich im Pulk. Und erfreulicherweise ist es vollkommen ungefährlich. Wenn ich jetzt wirklich auf dem Nürburgring das Rennen fahren würde, könnte ich mit den Männern logischerweise nicht mithalten. Die enge Miteinanderfahrerei wäre mir allerdings eh unangenehm.

Ich fahre also heute ein Radrennen auf dem Nürburgring mit. Keines mit Profis, sondern mit Jedermännern, es ist ein 24 Stunden Rennen, so sagt es zumindest die Beschriftung auf den Schildern am Streckenrand und ich kann mir schon nach den ersten 10km nicht vorstellen überhaupt wesentlich länger als eine Stunde hier zu fahren. Die Anstiege sind verdammt knackig, hier geht’s unfassbare 18-21% hoch und weil das Video sich in seiner Geschwindigkeit ja an meinen Kräften orientiert, fahre alle meine Geschwindigkeit, die ansonsten mit dem Kameraradler unterwegs sind.

Tatsächlich überholen mich nur ganz wenige, weil mein Kameraradler eben einfach ein schneller Radler ist. Ein imposantes Gefühl, auch wenn ich natürlich wesentlich langsamer unterwegs bin und das Video eben nur langsamer abläuft. Aber ich kämpfe mich ebenso über den Nürburgring und durch das Radrennen, wie der Kameraradler. Ich befahre alle Wellen, die berühmte Hohe Acht und erkenne sogar Teile der Strecke wieder, weil ich hier schon mal beim Auto- oder Motorradrennen angefeuert habe. Eine echte Strecke abzufahren gefällt mir weiterhin wirklich gut.

Während ich den Nürburgring befahre, fährt der Zeugwart übrigens das Stilfser Joch hoch, gezeichnet. Er sieht sich dabei selbst als Radfahrer, währenddessen ich mich komplett aus der Kameraradfahrerperspektive sehe. Und derzeit gefällt mir diese Perspektive wirklich ziemlich gut. Wahrscheinlich auch, weil ich vorgegaukelt bekomme, dass ich mitten drin bin. Der Ehrgeiz hat  mich also gepackt und ich ziehe die Runde auf dem Nürburgring bis zur Übergabe an den nächsten Radler in meinem Team beim 24 Stunden Rennen durch. Ganz schön anstrengend.