Ich habe keine Motivation im Moment. Sie ist wie weggeblasen. Ich habe den Sinn verloren, warum gehe ich dreimal die Woche schwimmen? Klar, es macht mir auch Spaß, aber ist es wirklich nötig um 5h früh aufzustehen, nach einem und natürlich auch vor einem langen Arbeitstag um rund 3km zu schwimmen? Für was? Mein Kreuz wird immer breiter, ich merke das an Kleidern und Blusen. Ist das nötig und schön?

Warum mache ich mir vor, dass walken Sport ist? Ich komme beim walken kaum in einen sportlichen Pulsbereich, das ist einfach Fakt. Und wenn, dann ist es ausschließlich, weil ich wie wild mit den Armen fuchtel, Gegenwind habe und es Berg hoch geht. Ansonsten ist walken eben wie Spazierengehen. Nicht schlecht, aber sportlich ist es auch nicht. Und das Rad fahren? Das ist mit der Bandage angenehm, aber für meinen Oberschenkel ist es, als wären wir noch nie geradelt. Der schmerzt nach ein bisschen radeln, als hätten wir eine unfassbar lange und sehr anstrengende Strecke absolviert.

Tagelang habe ich dann Muskelkater und ich bin da bestimmt nicht zart besaitet. Ich frage mich wirklich warum. Denn außer beim Athletiktraining, wo ich tatsächlich eine Besserung merke und mich leicht sportlich fühle, kommt mir das ganze Training ziemlich nutzlos vor. Es ist aber immerhin besser, als sich gar nicht zu bewegen. Aber trotzdem sollte es Spaß bringen. Oder etwa nicht?

Und es sollte etwas bringen. Ein Sportler braucht ein Ziel. Nicht, dass ich keines hätte, aber es ist eben unerreichbar. Und was nützt es dem Schwein vom fliegen zu träumen, wenn es das doch niemals können wird? Bringt es etwas an so einem Ziel festzuhalten? Ist es motivierend für das tägliche Leben, wenn einem doch eher die Grenzen vor Augen geführt werden, als die Erreichbarkeit? Motiviert das? Spornt das an? Oder demotiviert das eher? Und macht traurig?

Täglich zu merken, was alles nicht geht ist nicht schön. Es ist schwer zu ertragen und es macht traurig. Täglich Grenzen austesten macht ein motivierter Hund, bis er irgendwann gebrochen wird. Bei jedem Training merke ich, dass der Weg weit ist. Und ich habe tatsächlich das Gefühl, ich bewege mich auf dem Weg eher rückwärts, als vorwärts. Ich habe das Gefühl, dass ich zwar schneller schwimme, aber das breite Kreuz nicht schön finde. Ich habe das Gefühl, dass ich schmerzfreier Rad fahre, aber deutlich langsamer und kraftloser und dass ich versuche einen Spaziergang in Sportklamotten als Sport einzutragen.

Obwohl es ein Spaziergang in Sportklamotten ist. Das ist lächerlich und ich muß verstehen, dass ein Spaziergang eben ein Spaziergang ist und wenn die Chefin aufschreibt walken, dass sie das tut, weil wir beide denken, dass es sportlich ist. Ist es aber nicht. Ich gehe flott spazieren. Nichts weiter. Dabei trage ich eine Kniebandage, die dafür sorgt, dass mein rechtes Bein sich im Anschluß so extrem gefordert und angestrengt fühlt, wie nach einem Halbmarathon. Die Bandage zeigt mir alles, was nicht funktioniert. Sie hilft das zu reparieren, aber ob das von Erfolg gekrönt sein wird?

Wer soll das sagen? Wer kann da in die Zukunft schauen? Ich mag den Sport. Ich denke oft an den Kraichgau zurück und daran, wie schön das Training für diesen Wettkampf war und wie zufrieden ich die Ziellinie überquert habe. Und daran, dass durch einen blöden Fahrfehler dann alles anders lief, als geplant. Manchmal plant man einfach zu viel. Dabei sind Ziele wichtig. Eigentlich. Aber unerreichbar, wenn das Leben anders kommt. Muß man denn auch unbedingt ein sportliches Ziel haben?

Nein. Muß man nicht. Es gibt schließlich viel mehr Leute ohne sportliches Ziel vor Augen, als mit. Ich könnte einfach die Seiten wechseln und zu diesen Leuten gehören. Und aufhören zu träumen. Dann brauche ich auch keine sportliche Motivation. Vielleicht muß ich mich einfach auf etwas anderes konzentrieren. Malen? Backen? Und eben etwas Sport, damit das Knie im Alltag schmerzfrei ist.

Was ist schon so ein Zieleinlauf? Quälerei im Vorhinein, Müdigkeit nach langen Trainingseinheiten, eine schillernde Medaille und der Stolz, dass man es geschafft hat. Also alles. Triathleten sind Einzelkämpfer und doch passiert vieles im Team oder in Gruppen. Ich bin die Einzige im Trainingslager in diesem Jahr, die kein Ziel hat. Die Einzige, die wieder hinten an steht, die trotz viel Trainings spazieren geht und nicht rennen kann, die als Letzte den Berg hochfährt und einfach nur schwimmt, weil es das Einzige ist, was ich schmerzfrei machen kann.

Die Einzige zu sein ist ein blödes Gefühl. Genauso blöd, wie einen Spaziergang als Sport zu bezeichnen, oder an einem unerreichbaren Traum festzuhalten.