Mein Projekt alleine Rad zu fahren und wieder zu dem Fitnesszustand zu gelangen, der es mir gestattet regelmäßig mit dem Rad zur Arbeit und auch wieder nach Hause zu radeln, läuft. Ich bin logistisch auf höchstem Niveau tätig und habe bereits gestern eine Umziehtasche mit ins Büro genommen. Die war extrem gefüllt, denn der Plan ist nicht nur, dass ich heute nach Hause mit dem Fahrrad fahre, sondern auch, dass ich morgen dann gleich wieder mit dem Fahrrad her komme.  Und die Klamotten, die ich heute den ganzen Tag bei 30°C anhatte, kann ich dann ja schlecht morgen wieder anziehen. Die Krux der Büroarbeit ist also, morgen nach dem Radeln dann ebenfalls in ordentlichen und vor allem nicht durchgeschwitzten Klamotten da zu sitzen. Die Ampel für die Radfahrerei steht also absolut auf grün.

Vorbereitung ist das halbe Leben

Die gepackte Tasche beinhaltet also die Radfahrklamotten für heute und so packe ich zum Feierabend meinen Rucksack und ziehe mich um. Erfreulicherweise fällt ein Termin aus, so dass ich etwas früher loskomme als gedacht, und schon rolle ich los. Der Live Track ist verbunden und macht sich auf meiner Uhr mit einem Auge bemerkbar. Mein Fahrradcomputernavi hab ich nämlich daheim vergessen. War ja klar, dass irgendwas nicht dabei ist, wenn man so eine Tasche packt. Wenigstens hab ich ansonten alle Radklamotten und eine Flasche, die ich auch vergessen hatte, finden wir erfreulicherweise noch im Büro. So rolle ich also in Richtung Main und bemerke, dass es windiger ist, als vom Bürofenster aus angenommen. Es ist nicht so richtig schlimm windig, aber durchaus merkbar.

Vielleicht bin ich auch einfach vom gestrigen Lauf etwas geschwächt? Weiß man ja nicht. Ich überquere den Main und reihe mich bei den Fahrradpendlern ein. Da ist auch schon die erste Ampel. Es ist im Prinzip nicht möglich hier mit einer ordentlichen Geschwindigkeit unterwegs zu sein. Wobei ordentlich ja auch immer im Auge des Betrachters liegt. Der Radweg ist schmal und Überholmanöver muß man gut abpassen. Zusätzlich gibt’s hier in den Frankfurter Stadtrandgebieten auch viel Fahrradverkehr, weil doch erfreulicherweise immer mehr Menschen das Auto stehen lassen und mit dem Rad fahren. Gerade nach Feierabend merke ich das deutlich.

Als wir mit meinem Tross die Innenstadt Region erreichen bemerke ich, dass der Radfahrer auf dem Mountainbike vor mir statt aus einer Radflasche im Rahmen aus einer kleinen Glasflasche trinkt, die er hinten aus dem Trikot raus holt. Spannend. Der trinkt also Schnaps, statt Wasser oder Iso. Sag ich da jetzt was zu? Ich komme nicht in die Situation, weil er an der Ampel abbiegt und weiß nicht, ob ich das Glück oder Pech nennen soll. Wahrscheinlich wäre eine Konfrontation eh nicht so nett gelaufen. Aber jemanden so fahren zu lassen ist auch nicht toll. Da ich aber heim möchte, fahre ich eben weiter.

Meine Radbegleitungen wechseln immer mal wieder. Ab und an reiht sich einer dieser neuen E-Roller mit ein, aber meistens sind wir nur Radfahrer. Wir fahren nicht am Mainufer entlang, sondern oben, an der Straße. Da gibt’s zwar Ampel nach Ampel, aber direkt am Mainufer sind um diese Uhrzeit und höchstwahrscheinlich auch bis zum späten Abend hinein, unheimlich viele Menschen unterwegs. Die Frankfurter lieben ihr Mainufer, das einen wunderbaren Ausblick auf die Skyline bietet, autofrei und sogar abends beleuchtet ist. Hier tummeln sich einfach alle.

Viel Betrieb

Kinder rennen durcheinander, Hunde werden ausgeführt, die Enten und neu eingewanderten Nilgänse tun ihr übriges und dazwischen gibt’s noch die Radfahrer und natürlich die Jogger. Das Mainufer ist für jeden da, aber natürlich kann man da dann nicht ansatzweise mit einer Geschwindigkeit auf dem Rad unterwegs sein, die in die Nähe von 15km/h oder mehr kommt. Wenn man ein bisschen Grips im Kopf hat, dann geht das eben einfach nicht. Die Verletzungsgefahr für einen anderen oder für mich selbst ist dabei einfach zu groß. Deshalb also direkt neben der Straße. Hier fahren die Radpendler, die vom Main hochkommen und dann in die Stadt oder in die Vororte abfahren. Oben an der Straße fährt keiner gerne. Ich denke vor allem wegen der Brücken und den Touristen, und natürlich wegen der Ampeln.

Die Stadt Frankfurt regelt auch den Radweg mit Ampeln. Unfassbar, dass das nötig ist. Da gibt’s ganz bestimmt keinen, außer mir, der da überhaupt anhält. Umso schlimmer, dass die Fußgänger damit oft gezwungen werden, auf der Straße abzuwarten, bis die Radfahrer durch sind, obwohl die Ampel auch für sie rot zeigt. Tatsächlich ist man als Radfahrer aber diesbezüglich spannend unterwegs. Ich zumindest bin heute an 9 Ampeln, die für Radfahrer rot zeigen, die Einzige, die anhält. Alle anderen Radfahrer um mich rum fahren weiter. Einer motzt mich sogar an, warum ich anhalten würde und den Verkehr aufhalte. Aha. Da ich beschlossen habe, mich nur noch aufzuregen, wenn es wirklich gravierend ist, denke ich mir einfach nur meinen Teil, formuliere eine passende Antwort in meinem Kopf und lächle einfach nur.

Sagt man da was?

Auf so eine Diskussion habe ich sowieso keine Lust. Es ist nicht so, als würde ich mich nicht gerne mit anderen Menschen austauschen, aber wenn es um eine rote Ampel geht, dann gibt’s in meiner Fahrrad- und Autowelt halt nur eine richtige Lösung und weil ich davon nicht abzubringen bin, bringt diskutieren eben nichts. Kann man sich also auch sparen, und das tue ich eben. Nachdem ich aus Frankfurt wieder draußen bin, dünnt sich das Radpendlerfeld um mich rum merklich aus. Nur noch ganz wenige sind hier unterwegs, trotz bestem Wetter. Das Mainufer hier ist auch nicht ganz so frequentiert.

Und irgendwann bin ich praktisch alleine. Der Mainbogen ist total einsam und ich muß ordentlich gegen den Wind arbeiten. Insgeheim hoffe ich, dass der Wind so bleibt, damit ich morgen auf diesem Teil der Strecke dann eben Rückenwind habe. Früher hat der Wind dann aber oft auch tagsüber gedreht, so dass ich immer Gegenwind hatte. Oder immer Rückenwind. Immer Rückenwind wäre halt viel toller, aber wer kann das schon bestimmen? Ich merke meine Beine mittlerweile ganz schön und meine Schulter auch.

Der Rucksack muß weg

Das ist viel schlimmer, als die Beine. Ich glaube, die Beine werden sich bis morgen sicherlich erholen, irgendwie, aber die Schultern? Das kommt vom Rucksack. Das ist blöd und wirklich überflüssig. Da muß ich mich unbedingt mit auseinandersetzen. Die Suche nach einem ordentlichen Fahrradrucksack. Warum mir der, den ich habe einfach nicht mehr passt, weiß ich nicht. Wahrscheinlich sind meine Ansprüche einfach höher geworden? Oder es ist das Alter? Kann alles sein. Ich bin auf jeden Fall sehr froh, dass ich auch irgendwann daheim bin. Den Gegenwind hab ich mit einer Abkürzung durch den Wald ausgetrickst und insgeheim wünsche ich mir, dass sich der Muskelkater in meinen Oberschenkeln einfach einen Tag länger Zeit lässt. Morgen fahre ich dann nämlich wieder zurück ins Büro. Mit dem Rad.

Und das wäre ohne Muskelkater ja viel schöner, als mit. Und meine emcools Bestellung ist noch nicht geliefert, so dass ich weder den Waden noch den Oberschenkeln damit eine Regenerationsunterstützung bieten kann. Es muß einfach so gehen. Ich schlafe nach dem Abendessen einfach schon mal auf der Couch vor, das sollte als Regenerationsbeginn schon mal eine gute Vorlage sein.