Ich habe in meinem Leben schon zahlreiche Laufschuhe gekauft. Und zwar in praktisch jedem Vertriebskanal. Angefangen von reinen Laufläden, über Kaufhäuser, Messestand besuchen und auch online. Ich habe auch schon Laufschuhmodelle gewonnen. Man möchte meinen, dass ich dabei schon alles gesehen und erlebt habe, und tatsächlich fühlt es sich auch ein ganz kleines bisschen so an. Immer wieder merke ich, dass meine Erwartungshaltung, was die Laufschuhberatung angeht, übertrieben ist. Aus meiner Sicht nicht maßlos übertrieben und trotzdem so schwer zu erreichen, dass ich jedes Mal auf’s neue überrascht bin. Meisten kann ich aus einem Laufschuhkauf etwas Gutes raus holen, trotzdem muß ich mir das, was ich mir wünsche, einfach mal von der Seele schreiben.

Was Erwartungen angeht werden Menschen ja oft enttäuscht. Das ist vor allem der Fall, weil man eben etwas im Kopf hat, wie man es für sich selbst machen würde. Also wenn ich der Laufschuh – Verkäufer wäre, was würde ich tun, damit mein Kunde sich umfassend beraten fühlt? Für mich eine klare Sache. in meinem Kopf gibt’s dafür einen präzisen Ablauf, dem ich folgen würde. Und nach einem kurzen Brainstorming mit dem Zeugwart kann ich sagen, dass mein Ablauf gar nicht so ungewöhnlich zu sein scheint. Warum ist das gerade aktuell? Wir hatten kürzlich einen Laufschuhkauf – Termin. Ehe Hessen wieder in den Infektionsbereich vom kompletten Lockdown rutscht, haben wir die Gelegenheit genutzt.

Wie sieht er also aus, mein perfekter Laufschuhkauf?

In meiner Welt folgendermaßen: Nach einer freundlichen und motivierten Begrüßung möchte ich gefragt werden, was für Distanzen ich so laufe und wie oft in der Woche ich laufend unterwegs bin. Ich stelle mir vor, dass der Laufschuhverkäufer sich zwar meine alten Schuhe ansieht, aber vor allem auch nach Besonderheiten fragt. Zum Beispiel, ob mir die Schuhe Schmerzen verursachten, ob ich vielleicht leicht umknicke,  was für Strecken ich so damit laufe und für welche Untergründe ich die alten Schuhe genutzt habe und die neuen Schuhe nutzen möchte. Als Laufschuhverkäufer brauche ich doch ein umfassendes Bild vom Bedarf. Einfach nur einen Ersatz zu liefern ist ja keine wirkliche Beratung. Wenn ich als Läufer einen Schuh nur ersetzen möchte, brauche ich nicht in ein Geschäft zu gehen.

Dafür reicht dann ein Internetschnäppchen vom gleichen Modell. Da können wir ruhig ehrlich zueinander sein. Wenn ich als Läufer in ein Geschäft gehe, dann ist mir vor allem die Anamnese wichtig. Klar, kann der Laufschuhverkäufer auch auf historische Daten zurückgreifen. Ein getragener Laufschuh erzählt eine Geschichte, davon bin ich überzeugt. Aber vor allem Fragen zur aktuellen Situation sind doch ganz entscheidend um den richtigen Schuh an den Mann oder die Frau zu bringen. Beim Laufschuhkauf stelle ich, in meiner kleinen idealen Welt, den Läufer barfuß oder in hellen Socken auf den Fußboden und dann läuft der so auch auf dem Laufband oder der Bahn im Geschäft.

Den Lauf zeichne ich auf.

So eine Aufzeichnung ist mittlerweile in vielen Geschäften sowieso Standard, wird aber oft nur für die Laufschuh Anprobe verwendet. Ich glaube auch, dass vor allem die Aufnahme vom ganzen Läuferkörper hier wichtig sein dürfte. Nicht nur die Knöchel oder bis zum Knie. Und wenn ich schon alles filme und im Idealfall mit dem Läufer ansehe, dann sollte man auch nicht nur auf das Verhalten der Fußgelenke eingehen, sondern auch den ganzen Körper betrachten. Besonders toll fänd ich es ja als Käufer, wenn ich im Kaufprozess auch mal ein „falsches“ Paar laufen könnte.

Ich glaube, das würde ich als Laufschuhverkäufer machen. Diese ziemlich gute Idee ist übrigens vom Zeugwart, der auch eine recht genaue Vostellung von einem perfekten Laufschuhkauf hat. Man sieht, weil man als Verkäufer Erfahrung hat, was für Schuhe geeignet wären. Und dann sucht man einfach mal mit Absicht ein ganz falsches Paar raus. So kann man die positiven Eigenschaften des passenden Laufschuhs dann viel besser herausarbeiten. Der Läufer würde den Unterschied dann noch viel deutlicher wahr nehmen, den Vergleich in den Videoaufnahmen sehen können und meine Beratung beim Laufschuhkauf auch besser verstehen. Erst ein solches Paar zu laufen, ist natürlich ein Zeitfresser. Zeit, die man in einem vollen Laufschuhgeschäft an einem normalen Samstag, abseits von Corona, vielleicht nicht unbedingt aufwenden möchte.

Zeit nehmen

Beim Terminshopping, wie es im Moment statt finden muß, würde das aber durchaus gehen, Und ich bin der Meinung, dass das auch für erfahrene Läufer hilfreich sein kann. Zusätzlich könnte die Frage, ob schon mal ein komplett ungeeignetes Paar gelaufen wurde, abklopfen ob der Läufer daran Interesse hat den Unterschied zu sehen. Ich vermute, vielen Läufern würde das gut bekommen und die fünf Minuten mehr beim Laufschuhkauf zu investieren sollte kein großer Verlust sein.

Kann ich leicht sagen, weil ich keine Ahnung und kein Geschäft habe.

Landläufig höre ich oft, dass mehr als vier Paar Laufschuhe nicht mehr gut auseinander zu halten sind vom Läufer. Man sollte also nicht unglaublich viele Schuhe ausprobieren. Die Gefahr sehe ich beim Laufschuhkauf in einem Fachgeschäft aber nicht. Ein paar komplett falsche Schuhe und einige paar Passende sollten einem Läufer eine sehr gute Auswahl und Vergleichsmöglichkeit geben. Und wenn es nicht das paar unpassende Laufschuhe sein soll, weil das aus Profisicht vielleicht doch überhaupt keinen Sinn macht, dann vielleicht auf Kundenwunsch?

Verkäuferfürsorge

Als Laufschuhverkäufer würde ich dem Kunden die Schuhkartons hinstellen und die Schuhe für den Kunden rausnehmen. Eventuelles Füllmaterial kann ich direkt entnehmen und dem Kunden den Schuh dann mit leicht geöffnetem Schaft und aufgemachten Schnürsenkeln reichen. Ich bin als Laufschuhverkäufer fürsorglich und das wünsche ich mir wirklich von den Verkäufern. Gerade, wo man wirklich überall Laufschuhe kaufen kann, ist doch das, was man in der Arbeitswelt mit Softskills bezeichnet, entscheidend. Wenn ein Laufschuhe noch einen Zettel vom Hersteller drangepatcht hat, dann würde ich den Zettel ebenfalls abmachen. Der Läufer soll den Schuh nicht mit einem störenden Infozettel, der herumwedelt, wenn er auf dem Laufband ist, probieren. Warum macht das ein Hersteller überhaupt? Eine Produktinformation an den Schuh tackern? Da muß es doch auch andere Möglichkeiten für die Informationsvermittlung geben?

Der Grund dürfte sein, dass die Information dann immer am Schuh ist.

Denn manchmal stehen die Schuhe ja separat vom Karton in der Ausstellung. Trotzdem finde ich das als Läufer, der den Schuh probieren möchte, total unpraktisch. Vor allem dann, wenn der Laufschuhverkäufer nicht das gleiche Wertegefüge beim Punkt Fürsorge hat, wie ich selbst. So bleibt das Schild dann eben öfter mal dran und klappert . Und die Befestigung pieckst, weil das mit den kleinen Plastikdingern eben immer so ist. Wahrscheinlich ist Verkäuferfürsorge vor allem vom jeweiligen Menschen abhängig. Manche Dinge kann man nur bedingt lernen. Die müssen schon in Dir drin sein. Dazu gehört auch eine freundliche Begrüßung, eine motivierte Ansprache und vor allem eine ordentliche Verabschiedung.

Der Kunde muß derjenige sein, um den es geht. Vor allem, wenn schon ein Termin vereinbart wird für eine Beratung. Das gibt es ja abseits von Corona auch manchmal. Und wenn das so ist, dann erwarte ich doch erst recht, dass ich als Kunde im Mittelpunkt stehe. Wofür sonst ein Termin?

Wissen teilen!

Unbedingt gehört für mich beim Laufschuhkauf das Überbringen vom Laufschuhwissen dazu. Ob der Schuh von Asics oder Brooks oder On ist, das sehe ich an der Verpackung und am Logo. Was kann der Schuh denn? Stützt er viel oder wenig? Ist der eher für die Straße, für lange Distanzen, direkt, leicht oder schwer? Das alles sind Informationen, die beim Laufschuhkauf wichtig sind. Auch wenn der Läufer vielleicht noch keine Ahnung hat, ob schwer oder leicht für ihn angenehmer ist, so zeigt die umfassende Wissensvermittlung recht klar, dass der Verkäufer gut geschult und ihm der Läufer wichtig ist.

Ein hoher Anspruch. Ich weiß das. Aber ich schreibe hier ja auch, was ich mir wünschen würde. Es ist keine Schande, wenn ich nicht von 10 Schuhen diese Informationen im Kopf habe. Jeder Hersteller hat doch sicherlich so ein Hilfsblatt, wie einen Spicker in der Schule. Da kann der Laufschuhverkäufer auf jeden Fall drauf schauen, um sich die ein oder andere Besonderheit in Erinnerung zu rufen. Vor allem, wenn es um Verkaufsargumente geht, sollte das die Basis sein.

Vergleichen mit Unterstützung

Ich wünsche mir eine klare Gegenüberstellung der verschiedenen Schuhe inklusive Vorstellung der Vor- und auch der Nachteile. Und ja, ich weiß, dass das ein hoher Anspruch ist. Aber so ein Aufzeichnungsprogramm für eine Laufschuhberatung sollte diese Möglichkeit haben. Und wenn es sowas nicht gibt, dann gibt’s sicherlich IT Entwickler, die laufen und das ebenfalls sinnvoll finden. Die Aufnahmen von einem Lauf ohne Schuhe und den verschiedenen Laufschuhen neben einandern auf einem Bildschirm anzusehen ist doch kein Hexenwerk!

Ein perfektes Übereinanderlegen der Videos um die gleichen Laufphasen in den unterschiedlichen Modellen anzusehen ohne hin und her zu springen, das ist es, was ich mir wünsche. So sehe ich beim Laufschuhkauf gleich, wie stehe ich ohne Schuhe in der Abdruckphase, was macht Modell 1, was Modell 2 und wie laufe ich eben auch mit Modell 3. Ein Übereinanderlegen oder eben der direkte Vergleich hilft erfahrenen Läufern aber vor allem auch Anfängern. Zumindest ist das meine Meinung zu diesem Thema.

Und zum Schluß?

Letztendlich entscheidet beim Laufschuhkauf natürlich immer noch der Läufer und sein Gefühl. Wenn ich in einem Schuh, der laut Analyse perfekt passt, nicht so gut empfinde, wie in einem anderen Schuh, der vielleicht nur gut passt laut Analyse, dann muß mein Laufgefühl final entscheiden. Meistens helfen dann nur direkte Vergleiche und ein paar Minuten hin- und herlaufen im Laden. Der Laufschuhverkäufer kann dabei durchaus positiv mitwirken, in dem zum Beispiel das Wissen, was ich oben schon angefordert habe, geteilt wird. Jeder Hersteller denkt sich ja seinen Teil, wenn so ein Schuh gemacht wird.

Und vielleicht gibt’s das Modell an dem der Läufer hadert auch noch in einer anderen Farbe? Schon zu Beginn meiner Laufkarriere hab ich beschlossen, dass die Farbgebung meiner Laufschuhe egal ist. Ich laufe Schuhe in jeder Farbe und auch in jeder Farbkombination. Nur ein einziges Mal seit 2007 habe ich einen Laufschuh, der gut gepasst hat, wegen seiner Farbgebung nicht gekauft, sondern bin einfach in meinen alten Schuhe weitergelaufen, bis ein farblich hübscheres Modell auf den Markt kam. Ich verstehe, dass ich mir als Geschäft nicht unbedingt 5 Farbvarianten in der gleichen Größe in den Laden stelle. Aber den Hinweis auf eine andere Farbe, die bestellt und dem Läufer nach Hause geschickt werden kann, den wünsche ich mir für den Laufschuhkauf.

Ich glaube, meine Ansprüche sind zu hoch.