Bei der FulGaz Tour of Europe ist die dritte Etappe die Fahrt zum Cap Formentor auf Mallorca. 2016 sind wir mit dem Hünen zumindest bis zum Parkplatz hinaufgefahren und dann bis zum ersten weißen Aussichtsturm. Bis vorne ans Cap habe ich es im realen Leben noch nie geschafft. Ich glaube, von der Finca war die Anfahrt immer zu langwierig, so dass wir dann entweder so früh losgemusst hätten, dass es schier unmenschlich gewesen wäre, oder die Fahrt eben durch zahlreiche Touristenbusse und Autos gefährlich geworden wäre. Bei FulGaz und dieser Tour passiert einem das natürlich nicht.

Ich arbeite heute also ganz normal und weil ich kaum Mittagspause mache, mache ich früher Feierabend. Ich bin heute permanent in Telefonaten, was zermürbend ist. Normalerweise bin ich nicht so gefragt. Ich. muß nicht alle mit anhören, nicht alles wissen und vor allem nicht überall meinen Senf dazu geben. Heute ist das anders. Heute erwartet jeder meine Meinung, ich muß dabei sein, weil ich vielleicht noch an etwas Zusätzliches denke oder einfach direkt im Bilde sein soll. So spart man sich auch die berühmte stille Post, wenn gleich jeder zuhört.

Feierabend und Sport

Diese Arbeitstage sind anstrengend. Und zwar für mich deutlich anstrengender, als ein normaler Tag, wo ich mich zwar durch viele Anfragen durcharbeite, aber im Grunde in meinem Tempo. Ich muß normalerweise nicht ewig jemandem zuhören, bei seinen Monologen. Wir sind aber leider nicht bei „Wünsch Dir was“ sondern bei „Corona Krise“ und deshalb ist es eben so, wie es ist. Ein früher Feierabend passt dennoch. Und während der Zeugwart bereits zwiftet, was die Pedale so hergeben, ist bei mir heute die dritte Etappe der FulGaz Tour of Europe dran. Die Datei ist bereits runter geladen und so ziehe ich mich noch um, suche mir eine angemessene Anzahl an Handtüchern zurecht, platziere Verpflegung und Getränke in Reichweite und lege los.

Die Sache zieht sich. Der erste Anstieg bis zum Parkplatz ist mir ja gut bekannt, die darauf folgende Abfahrt ist ebenfalls ok, aber dann ziehen sich die Wellen. Der Typ, der das hier gefilmt hat, ist wirklich ziemlich cool, weil er so gut ist, dass er Radfahrer überholen kann. An den Anstiegen. Damit gibt er natürlich jedem, der diese Tour abfährt, ebenfalls das Gefühl flott unterwegs zu sein. Und das auch, wenn ich hier mit 6km/h den Berg hoch krebse. Und trotzdem eben die sportlich aussehenden Zeitgenossen einfach überhole.

Ein Gefühl, was ich ja sonst nie habe.

Denn in der realen Welt, werde ich ja immer am Berg überholt. Schließlich hat sogar Lovis schon Angst gehabt, dass sie umkippt, wenn sie in meiner Schneckengeschwindigkeit weiter Berg an fährt. Ich fahre also für gewöhnlich wirklich sehr sehr langsam. Heute ist das natürlich nicht viel anders. Es ist nur so, dass das Video, mit dem ich fahre, eben langsamer abläuft, weil es sich an meine Geschwindigkeit anpasst. Und damit fahren die, dich also am Berg mit meiner Geschwindigkeit überhole, eben noch langsamer. Eigentlich kaum möglich. Aber so ist das beim Rollentraining.

Die Aussicht vorne am Cap Formentor ist wirklich toll und ich hoffe sehr, dass ich irgendwann auch noch mal im realen Leben hier hin fahren kann. Auch wenn es von Autos und Reisebussen hier nur so wimmelt. Zumindest im Video. Der Kameramann macht einen kurzen Schwenk und zeigt mir, wie schön es hier ist, und schon geht’s zurück. Den gleichen Weg. Es gibt nur eine einzige zweispurige Straße hier. Das macht es sicherlich auch so unangenehm, wenn man als Radfahrer hier fährt, weil sich eben alles hier lang schiebt. Und schon im Video stelle ich mehrfach fest, dass manche Autofahrer auf Mallorca offensichtlich ähnlich bescheuert sind, wie auf dem Festland.

Enges Überholen geht eben überall. Die letzten Kilometer muß ich mich hier ganz schön quälen. Gar nicht mal so dolle, wegen der Steigungen oder der Streckenlänge. Ich quäle mich, wegen des Hinterns. Mit der Hose bin ich bisher immer gut gefahren. Aber anscheinend hätte mein Hintern dank der Vorbelastung von gestern doch ein besseres Polster gebraucht? Wenn ich die nächste Etappe in Angriff nehme, eine Fahrt durch Berlin am ehemaligen eisernen Vorhang entlang, werde ich zu meinem besten Pferd im Stall greifen. Bin gespannt, ob die Hose meinem Hintern dann besser tut. Falls ja, werde ich mir gleich, wenn es wieder geht, eine weitere Assos Hose im Laden kaufen.

Der letzte Anstieg ist wirklich übel. Lang und steil. Ich weiß gar nicht, wie ich es hier schlußendlich hoch geschafft habe. Aber irgendwann bin ich wirklich oben angekommen und die Abfahrt bis die dritte Etappe im Ziel ist, die schaffe ich jetzt auf jeden Fall auch noch. Das wäre ja wirklich gelacht! Natürlich habe ich deutlich länger für die Etappe gebraucht, als der Kamerafahrer. Aber wie bereits in den vorherigen Beiträgen zur Tour of Europe geschrieben, geht es manchmal gar nicht darum. Manchmal sind andere Dinge wichtig. Durchzuhalten zum Beispiel und nicht aufzugeben. Ins Ziel zu kommen. Dass der Name auf der Liste der Teilnehmer steht. Ob es dann jemand anderen gibt, der schneller unterwegs gewesen ist, was macht das schon?

Schnellere wird es immer geben.

Zumindest aus meiner Perspektive beim Rad fahren. Und das passt auch. Schön wäre es, wenn ich meine Geschwindigkeit über die Zeit verbessern würde. Und wenn ich vielleicht im nächsten Trainingslager von diesen Bergetappen auf dem Rollentrainer profitieren würde. Ob es dazu schon im Mohrenwirt in diesem Jahr kommt? Realistisch gesehen, vermute ich nein. Es ist zwar noch eine Weile hin, aber das Virus hat die Welt im Griff und lässt sich diese Oberhand sicherlich nicht so leicht nehmen. Dieser große Stillstand tut der Natur auch ganz gut. Nur vielen Menschen nicht.

Wenn ich das tolle Training nicht jetzt im Frühjahr an den schönen Bergen in der Fuschlseeregion auskosten werde, dann findet sich ganz bestimmt ein alternativer Termin.