Fast schon traditionell treffe ich mich heute früh mit Leia, der Eisenfrau, zum Fahrrad fahren. Natürlich virtuell. Ansonsten würden wir zu viel Zeit verplempern und bei dem Wetter ist draußen radeln im dunklen auch einfach nicht ganz so verlockend. Ich weiß nicht, ob wir zusammen draußen radeln würden, wenn wir Nachbarn wären. Gemeinsam auf der Rolle fahren ist bei einem knappen Zeitbudget für mich einfach richtig praktisch. Leia wäre jetzt eigentlich im Trainingslager auf Mallorca. Obwohl die Insel kein Corona Risikogebiet mehr ist, verstehe ich die Entscheidung, nicht dort hin in den Urlaub zu fahren. Ich bin da voll bei ihr. Ihr Trainer hat ihr also ein Trainingslager zu Hause verordnet.

Ich bin mir ganz sicher, dass sie auf Mallorca und auch hier daheim krasse Einheiten abspulen wird und bin deshalb froh, dass ich für die heutige Morgenausfahrt das allseits beliebte Zwift Gummiband aktiviert habe. Das ist eine spezielle Funktion, die Athleten zusammenhält, selbst wenn der Leistungsunterschied ziemlich groß ist. So eben, wie bei der Eisenfrau und bei mir. Mit mir draußen zu fahren würde für Leia sicherlich kaum Training bedeuten, wohingegen ich bei der gleichen Ausfahrt sicherlich auf dem letzten Loch pfeifen würde. Wir sind einfach unterschiedlich fit. Virtuell ist das aber nicht ganz so entscheidend.

Wir fahren früh los und ich komme ganz gut mit. Ich muß zwar ordentlich treten, aber ich bin immer gleich auf. Verdacht schöpfe ich deshalb keinen, weil ich denke, dass ich es eben heute einfach gut drauf habe. Vielleicht war das Frühstück genau perfekt? Oder ein toller Trainingseffekt hat sich eingestellt? Ha ha… natürlich keins von alle dem. Denn nach rund 15 Minuten teilt Leia mit, dass die ruhige Einrollphase für sie nun vorbei ist und sie jetzt mit dem Training loslegen wird.

Aha. Natürlich. Einrollphase? Also ich hab hier keinerlei Einrollphase gehabt. Bei mir ging es direkt los.

So unterschiedlich ist das in der virtuellen Welt. Wir rollen durch die Wüste und durch die Mammutbaumhaine, sehen Dinosaurier und klotzen ganz schön ran. Also ich. Wie Leia sich fühlt, das weiß ich nicht. Wahrscheinlich total locker, weil ihr Trainingslager ja gerade erst beginnt? Und zum Anfang gibt’s ja erst mal ein paar Einheiten zur Eingewöhnung. Also auf Mallorca ist das zumindest so. Wie man ein Trainingslager daheim richtig aufsetzt, das weiß ich nicht. Ich würde wahrscheinlich einfach nur besonders lange Fahrrad fahren und richtig viel Mandelkuchen essen, weil das auf Mallorca auch immer meine zwei Highlights sind.

Unsere Ausfahrt bringt mich heute in Level 14 bei Zwift. Als Belohnung, dass ich mich dort hin vorgearbeitet habe, teilt mir eine Einblendung mit, dass ich nun für mein Avatar auf gemusterte Fahrradhandschuhe zugreifen kann. Na, wenn das mal kein Grund zu feiern ist! Anscheinend ist es für durchschnittliche Zwift Nutzer wichtig, wie ihre Radhandschuhe aussehen. Was mir wichtig ist, und was nicht, sieht man an meinem Avatar heute ja besonders deutlich. Es trägt ein rotes Trikot und grüne Socken. Hoffentlich schaut meine Mutter hier nicht vorbei. Noch nicht mal mein Avatar zieht sich richtig an. Obwohl sogar mir das auffällt. Nun gut. Dann muß es sehr offensichtlich sein.

Als Leia und ich nach einer Stunde vom Rad absteigen. Bzw. als ich vom Rad absteige, weil Leia, die Eisenfrau, sicherlich wegen dem Trainingslager zu Hause noch stundenlang weiter durch die virtuelle Welt pedalieren wird, bin ich richtig nass geschwitzt. Und abseits davon, dass ich mir flott was überziehe, weil ich in die Dusche hüpfen werde, ziehe ich mein Avatar auch um. Also zumindest wechselt es die Sockenfarbe. Das kann sich ja sonst keiner ansehen. Und ich vergesse das für die Freitagsausfahrt mit dem Team Zoot auf jeden Fall. Das ist mal sicher.