Der Räuberhauptmann wird heute 38km bergig auf Zwift fahren und im Anschluß 10km laufen. Der Zeugwart hat heute 2 Stunden Rad fahren auf dem Plan stehen und ich habe gar keinen Trainingsplan. Das Wetter ist grottig draußen und zwischen Regen, heftigem Wind und strahlendem Sonnenschein kann man sich einfach nicht wirklich auf sicheres Rad fahren draußen versteifen. Wir lassen also dem Wetter heute den Samstag draußen. Zusätzlich ist es auch noch knackig kalt und bei so viel Wind kommt einem das ja noch kälter vor, als es eh schon ist. Und so beschließen wir, dass wir alle drei zusammen fahren. Auf Zwift. Virtuell gemeinsam Rad fahren ist prima und verbindet.

Es ist nicht zu vergleichen mit dem Rad fahren draußen, das ist klar. Aber ich glaube, den Vergleich ziehen auch nur die Wenigsten. Natürlich ist es schöner, sich real zu treffen, aber auch das ist beim Räuberhauptmann und uns gerade über die Distanz nicht möglich. Gemeinsam zu zwiften ist also für heute unsere Wahl. Der Räuberhauptmann teilt mit, dass er heute bergig fahren soll, weil die Chefin ihm das so aufgeschrieben hat. Im Anschluß soll er noch einen Koppellauf dran hängen. Aha. Warum auch immer beschließe ich, dass ich die Herren begleite. Die Gemeinschaft lockt mich, nehme ich an? Der Zeugwart erstellt das Meet-up und teilt mit, dass wir in Innsbruck unterwegs sein werden. Wahrscheinlich hauptsächlich deshalb, damit dem Begriff bergig gerecht gefahren wird.

Die Zwift Welt, die sich Innsbruck nennt, glänzt mit schneebedeckten Bergpanoramen und passendem Baumbewuchs. Im Grunde fahren wir in einem Dorf los und innerhalb von wenigen Kilometern geht’s einfach immer nur Berg an. Der Anstieg ist 7km lang und zwischen 6% und 12% ist hier anscheinend alles dabei, was es bergig eben so an Steigungsprozenten zu bieten hat. Ich fahre bei Zwift ganz gerne Berg an. Das liegt daran, dass es egal ist, wie schnell oder langsam man unterwegs ist, umkippen ist nicht möglich. Das ist in der realen Welt ja etwas ganz anderes. Bei Zwift kann ich außerdem prima üben aus dem Sattel zu gehen.

Also hochschalten und aus dem Sattel gehen ist hier ein tolles Training. Und bei 7km hab ich dafür auch genügend Gelegenheit. Vor allem dank meines Rockerplates kann ich das Rad auch super unter mir hin und her bewegen. Eine wirklich prima Übung. Und ich glaube, dass mir dieses Krafttraining vor allem auch für draußen etwas bringt. Ich kann den Lluc dann sicherlich nicht ausschließlich im stehen hoch fahren, aber ich werde ganz bestimmt deutlich stärker sein, als in den letzten Jahren. Dieses aus dem Sattel gehen, das will einfach gut trainiert sein. Es bringt auch nichts, sich das Laktat in die Beine zu holen und dann fix und fertig zu sein.

Wie bei allem, macht die Dosierung hier eben das Gift.

Während die Herren scheinbar ganz locker flockig pedalieren und die 7km einfach wegtreten, bin ich ganz schön am arbeiten. Aber als ich den Gipfel sehe, kann ich noch mal gut Gas geben. Das ist es ja auch oft beim Rad fahren, die Kräfte richtig einschätzen und einteilen zu können. Das ist natürlich online noch mal einfacher, weil es eben keine äußeren Umstände gibt. Wenn man schon den ganzen Tag gegen den Wind unterwegs ist, dann ist so ein Aufstieg noch mal fieser, als online, wo es keinen Wind gibt. Hier gibt’s auch keine Straßenverhältnisse. Bei Zwift herrscht der Idealzustand.

Die Abfahrten bei Zwift lassen allerdings deutlich weniger Entspannung zu, als draußen, weil ich hier nicht einfach nur rollen lassen kann. Also etwas Beschleunigung hat das Avatar sicherlich, aber ich glaube, wenn ich ganz aufhöre zu treten, dann wird die Figur einfach am Rand stehen bleiben. Das macht für mich auch Sinn. Draußen passiert das aber natürlich nicht. Da lasse ich Berg ab rollen und meine Beine können sich ausruhen.

Vielleicht ist die Zwift Fahrerei auch deshalb ein ganz guter Trainingseffekt? Weil man eben nicht rollen lässt? Ich kenne mich da nicht aus. Kaum bin ich auf jeden Fall auf dieser Runde wieder komplett den Berg runter gefahren, gibt’s schon wieder einen Anstieg. Diesmal mitten in der Stadt. Gut, dass ich gerade ein höchst motivierendes Lied in der Playlist habe. Ich kann alles abrufen und richtig prima in die Pedale treten. Bergig war gewünscht und bergig hat der Räuberhauptmann auch bekommen. Leider ist seine Streckenvorgabe so lange, dass wir den riesigen Anstieg noch ein zweites Mal hochfahren müssen, um die Kilomater auf dem Tacho voll zu machen.

Wenn man weiß, was einen erwartet und dann zusätzlich auch schon so viele Höhenmeter in den Beinen hat, dann muß man den Räuberhauptmann wirklich sehr sehr gerne mögen, um nicht einfach abzusteigen um ihm alleine seinem bergigen Schicksal zu überlassen. Als er absteigt um sich zum Lauftraining umzuziehen, steige ich ebenfalls ab. Laufen gehe ich allerdings heute nicht mehr. Das kann der Räuberhauptmann wirklich alleine machen.