Praktisch jeder meiner Kollegen ist sportlich. Spontan fällt mir wirklich keiner ein, der nicht sportlich ist. Sport ist dabei natürlich ein breit gefächertes Wort, aber es ist immer so gemeint, dass jemand selbst Sport treibt. Zuschauen tun sicherlich auch alle gerne, aber selbst Sport machen, ist eben bei praktisch jedem auch ein großer Zeitvertreib. Jetzt ist es nicht so, dass alle Triathleten sind, oder versuchen einer zu sein, so wie ich. Es gibt Kollegen die Läufer sind, Kampfsportler, Radfahrer oder Cross Fit Athleten. Da wir ein internationales Team in verschiedenen Büros auf der ganzen Welt sind, arbeiten wir derzeit auch unter vollkommen unterschiedlichen Bedingungen, mit und ohne Kontaktverbot, mit und ohne Ausgangssperre. Alle Triathleten und Radfahrer verabreden sich deshalb um gemeinsam auf Zwift zu fahren, per Meet-up.

Ich habe da ja so meine Zweifel, ob das eine gute Idee ist. Die Herren, die sich für das heutige Zwift Meet-up angemeldet haben kenne ich zwar nicht alle persönlich, aber die, die ich kenne, sind Teufelsfahrer. Sie fahren ganz bestimmt einen ordentlich Tritt und ich werde höchstwahrscheinlich schnell abgehängt. Wenn man an einem Zwift Meet-up teilnimmt kann der der Meet-up Organisator allerdings eine sogenannte Gummibandfunktion einstellen. Die sorgt dann dafür, dass die Gruppe, egal was jeder einzelne Tritt, zusammenbleibt. Erfreulicherweise stellt mein Kollege diese Funktion ein und so essen der Zeugwart und ich heute früh zu Abend, damit ich pünktlich auf der Strecke bin.

Sammeln am Straßenrand

Natürlich online, also nur virtuell, die Kontaktsperre wird voll umgesetzt. Zwift ist eine beliebte Plattform, komplett gezeichnet. Im Gegensatz zu FulGaz fahre ich hier nicht durch richtige Landschaften, sondern bin im Comic unterwegs. Überpünktlich finde ich mich ein, finde aber die Zwift Meet-up Funktion nicht. Ich weiß also nicht, ob mich das Zwift Meet-up tatsächlich abholt oder einsaugt, oder wie ich sicher stelle, dass ich teilnehme. 5 Minuten vor dem vereinbarten Start, erscheint dann aber ein Schaltfeld am Bildschirmrand, mit der Aufschrift Meet-up. Aha. Ich drücke drauf und stehe pedalierend auf einem Rollentrainer am Straßenrand.

Um mich rum stehen noch weitere, die allerdings einfach nur stehen und ihren Rollentrainer nicht zufällig auf der Straße aufgebaut haben. Wir sehen am Straßenrand, auf der Straße selbst ist die Hölle los. Hier fahren so viele Avatare mit ihren Rädern rum, dass man wirklich froh sein kann, dass die nicht alle gleichzeitig auf der Straße unterwegs sind. Das wäre ja ansonsten wie in Kopenhagen. So richtig voll. Dann macht fahren auch keinen wirklichen Spaß. Zumindest mir nicht. Sowas kann ja jeder anders sehen.

Die Uhr für das Meet-up zählt runter und ich stelle fest, dass meine Wattzahl pro Kilogramm Körpergewicht deutlich unter denen meiner Kollegen liegt. Anscheinend funktioniert das Gummiband aber wirklich ganz ok, denn ich habe die Herren immer im Blick. Es ist zwar nicht so, dass wir stets als Gruppe zusammengerottet sind, aber ich bin auch nicht vollkommen abgehängt. Das wäre bei der Fahrerei im richtigen Leben natürlich unmöglich. Die gemeinsame Fahrt am Donnerstag haben meine Kollegen mit lockeren 20km angegeben. Montags fahren sie auch zusammen, allerdings geht’s da mehr zur Sache.

Noch mehr?

Da ich hier gerade mit 37km/h unterwegs bin, weiß ich wirklich nicht, was die mit „mehr zur Sache“ meinen. Wie viel mehr kann es denn auf dem Rad bitte zur Sache gehen, als 37km/h? Die fahren doch niemals im Leben einfach nur so zum Spaß Rad? Alle Avatare der Männer in meiner grün unterlegten Zwift Meet-up Gruppe treten zwischen 2,5 und 3 Watt/Kg Körpergewicht. Ich dachte ja, die arbeiten alle Vollzeit in meinem Unternehmen und wir sind deshalb Trainingszeitmäßig auf einem Level. Aber, dem scheint definitiv nicht so zu sein. Die Kollegen sind einfach allesamt deutlich besser trainiert.

Besonders lustig finde ich, dass bei der Ankündigung, wir fahren heute den Box Hill in London hoch, einer schreibt, dass man nicht auf ihn warten muß. Äh. Ich fänd das schon ganz nett, wenn man auf mich warten würde. Aber gut. Ich schreib dazu mal besser nichts, sondern konzentriere mich einfach auf die Fahrerei. Der Box Hill, hier in der Zwift Comic Welt, geht mit 10% Berg hoch, da kann ich nicht noch zusätzlich etwas eintippen. Ich trete also was das Zeug hält und meine grün unterlegten Kollegen sind tatsächlich gar nicht so weit weg. Das Gummiband in dieser Zwift Meet-up Gruppe, scheint also ganz gut zu funktionieren.

Es ist nämlich vollkommen ausgeschlossen, dass ich auch nur ansatzweise in der Nähe der Herren diesen Berg hochstrample. Nach 25km sind wir wieder zurück am Startpunkt und da das Zwift Meet-up genau für diese Distanz aufgesetzt wurde, verschwindet die grüne Markierung unserer Namen blitzschnell. Ich halte an. Irgendwie dachte ich, dass man das eben so macht, wenn das Treffen rum ist. Bei richtigen Radtouren sagt man sich im Anschluß ja auch Tschüss. Allerdings bin ich alleine mit dieser Meinung und stehe virtuell ganz schön im Weg herum. Das ist natürlich nicht schlimm, die anderen Avatare fahren automatisch entweder durch mich durch, oder um mich herum. Also alles gut.