Die ganze Woche habe ich mich auf meiner Bergfahrt nach Alpe d’Huez und dem Finale der Tour of Europe ausgeruht. Es war irgendwie die Luft raus, als hätte ich einen Wettkampf gemacht und jetzt fehlt mir das Trainingsziel. Es war zwar kein Wettkampf und zum Training hätte ich wirklich viele Gelegenheiten, aber Motivation braucht es natürlich auch. Und Zeit natürlich. Zwar bin ich weiterhin gut ausgestattet, mit Zeit, weil mir die Fahrt zur Arbeit fehlt, aber wenn es auf Balkonien nach der Arbeit noch schön warm ist, dann bleibe ich eben gerne noch ein bisschen sitzen. Und irgendwann wird es dann auch für das kürzeste Training zu spät.

Zusätzlich sind die Themen, die wir auf der Arbeit gerade durchrechnen, alles andere als motivierend. Und da mir die Fahrzeit in diesem Fall zum Verarbeiten fehlt, nehme ich vieles eben mit heim, was ich in vor- Corona- Zeiten spätestens im zäh fließenden Verkehr auf der A3 gelassen hätte.  Das Corona Fit Training mit den Tricampern vom Montag hat mich zusätzlich fertig gemacht. Diese Woche ist also eine absolute Balkonien Ruhewoche, nach den ganzen Radtouren,  der letzten Wochen. Aber Ruhewochen brauchen auch die richtigen Athleten. Die Muskeln wollen sich schließlich aufbauen und so ein Athletenkörper kann auch nicht immer rotieren. Ganz klar.

Das Wetter spielt der Ruhewoche total in die Karten. Ich finde es nur lustig, dass die Athleten mit Trainingsplan ja schon vorher wissen, ob die Woche ruhig oder anstrengend wird, und ich es eben genau mitten drin in der Woche entscheide. Ob das im Sinne eines Trainingsplans ist? Auf jeden Fall aber spricht es für eine ordentlich Körperwahrnehmung und die ist auf jeden Fall Gold wert. Und im Grunde auch sehr schwer zu erlernen. Ich zumindest kenne viele Sportler, denen das vollkommen abgeht.

So eine Ruhewoche, egal, ob der Kopf sie für den Körper verlangt, oder ob der Trainingsplan es eben vorgibt, weil der Körper es verlangt, der Athlet es aber selbst nicht weiß, heißt nicht: weniger Sport. Eine Ruhewoche bedeutet: weniger Intensität.

Wahrscheinlich habe ich Lovis nicht richtig informiert, als wir uns für das heutige Athletiktraining verabredet haben. Ob ihr Athletenkörper auch nach einer Ruhewoche verlangt, das weiß ich außerdem gar nicht. Lovis ist im Krankenhaus tätig und ich glaube, selbst wenn sie sportlich gesehen eine Belastungswoche hätte, würde ihre derzeitige Arbeitsbelastung das kaum gut heißen. Selbst der ehrgeizigste Sportler und auch der dümmste Trainer würden Bewegung gut heißen, aber totales auspowern sicherlich nicht. Lovis und alle ihre Kollegen sind in dieser #stayhome Zeit schwer beschäftigt und statt sich aus den Gefahrensituationen raus zu halten, gehen sie einfach mitten rein. Systemrelevant nennt man diese Berufe.

Ein Begriff, der mir natürlich nicht neu ist, den ich aber vor diesem Corona Zeitalter noch nie wirklich gehört habe. Verkäufer, Lebensmittelhersteller, LKW Fahrer, Logistiker, Mitarbeiter in Pflegeberufen, Müllabfuhr und Klärwerkbedienste… alle total wichtig für unsere Gesellschaft. Immer. Und trotzdem alle keine Großverdiener. Wie viel mehr oder weniger Verantwortung trägt denn ein Vorstandsvorsitzender bei einer Bank im Vergleich zu einer Krankenschwester? Eine klare Antwort darauf gibt es natürlich nicht. Sieht ja auch jeder Anders. Natürlich. Vielleicht haben wir Glück und erinnern uns auch im Anschluß an diese Krisenzeit daran, wer das Land am Laufen gehalten und die Kranken versorgt hat?

Mit Lovis bin ich also zum Athletiktraining verabredet und weil das Wetter so wunderbar ist, baue ich alles auf dem Balkon auf. Wenn Balkonien schon groß genug ist, dann sollte man das auch ausnutzen. Aus motiviationstechnischen Gründen, haben wir uns verabredet und wollen gemeinsam sporteln. Per Video. Das hat ja schon mit den Tricampern am Montag gut geklappt und auch mit den Mädels beim letzten Mal. Auch wenn man nicht zusammen ist, hält man die Wiederholungen so etwas leichter durch. Und die Haltearbeit ist auch einfacher, wenn jemand mit mir zusammen im Seit- oder Unterarmstütz leidet. Ich kann zwar auch gut alleine sporteln, aber zusammen ist es eben doch noch ein bisschen witziger.

Übungsabfolge

  1. 5-10 Minuten aufwärmen 
  2. Sit-up mit Gewicht/ 10 pro Seite
  3. Rückenlage, Bein rechter Winkel oben, Fuß heben vom Bodenbein, Gewicht mit Bodenbein- Arm stemmen / 10 pro Seite 
  4. Rückenlage, Gummiband um Beine, Po anheben – 10 mal 
  5. Stand, Gewicht hoch, Hand zum Fuß, Blick zum Gewicht/ 10 pro Seite
  6. Bauchlage, Füße hoch, Arme vor, Ball rumreichen / 8 pro Seite
  7. Planken mit Ballwechsel 10 x
  8. Kniebeugen beide Beine 10x 
  9. Seitstütz
  10. Einbeinig Kniebeugen 10x pro Seite 
  11. Crunches 20
  12. Vierfüßler Stand, über Kreuz Streckung 10x pro Seite 
  13. Ausfallschritt 10x pro Seite
  14. Band um Knöchel, seitliche Schritte (bis zur Tür)
  15. Bauchlage oder vornüberbeugen, Schulterblätter zusammen ziehen 10x
  16. Noch ne Runde? Ansonsten Dehnen.

Alle benötigten Utensilien sind mit mir nach Balkonien gegangen und nach dem Aufwärmen, legen wir auch gleich los. Lovis will zwei Runden machen, obwohl mir dank körperlich gewünschter Ruhewoche ja auch eine gelangt hätte. Aber gut. Motivierte Sportler soll man nicht bremsen und so turnen wir also zwei Runden der Übungsabfolge auf Balkonien, stemme, halten, drehen und wenden, was das Zeug hält. Stehen auf, dann wieder zurück auf die Matte, es ist ein wahres Spektakel. Aber es ist gut und es macht Spaß! Und darauf kommt es schließlich an. Und vermutlich muß Lovis ihre Eindrücke aus dem Krankenhaus einfach auch entsprechend verarbeiten. Da ist ja jeder anders.

Nass geschwitzt lege ich mich nach unserem Athletiktraining einfach hin und wir quatschen noch ein bisschen, bis die Sonne hinter dem Haus verschwunden ist und ich deshalb fröstle. Erst dann bewege ich mich. Mühsam.