Mein Hüftbeuger tut mir noch immer weh. Ich bin immer noch nicht richtig mobil, bei vielen Stufen macht mein linkes Bein schlapp und das nervt. Immer noch. Heute gehe ich deshalb wieder zu Physig, meiner Physiotherapiepraxis in Hanau, auf die Trainingsfläche. Ich komme schon in Sportklamotten, heutzutage ist das Rumlaufen in Leggins und Sportshirt ja total normal, und muss nur die Schuhe wechseln. Dann stecke ich mir die Kopfhörer ins Ohr und schnappe mit meinen Chip und die Trinkflasche. Es ist warm heute und trinken ist nicht nur deshalb eine gute Idee. 

Nach Feierabend zu trainieren ist für mich immer anstrengend, aber heute war das nicht anders möglich. Nach so vielen freien Tagen fange ich gerne früh an zu arbeiten, um schon eine gute Portion weggeschafft zu haben, ehe die Kollegen mit neuen Themen ankommen. Die Erinnerungen an den Kurztrip zum Reischlhof haben mich heute früh auch beflügelt, der frühe Start war also nicht ganz so dramatisch. Trotzdem ist es heute dann tatsächlich so, dass die normale Bürozeit hauptsächlich durch die Kollegen bestimmt wird. Jeder hat natürlich immer nur eine ganz kurze Frage. Dazu dann noch der übliche Bürosmalltalk und im Endeffekt habe ich von meiner Arbeit eigentlich kaum etwas weggearbeitet. 

Aber ich habe den Kollegen geholfen. Ausgiebig. Wir haben alles besprochen, jede Frage durchgekaut, ich habe Prozesse erklärt und die Hintergründe erläutert und außerdem mehr als einmal mitgeteilt, dass ich längst Kinder hätte, wenn ich welche hätte haben wollen. Das ist allerdings nur ein einziges Mal verstanden worden. Nun gut. Nach Feierabend bin ich froh, dass ich mein Training noch mache und nicht einfach auf der Couch versacke. Ich fülle also meine Trinkflasche und starte die Musik. 

Zwar läuft bei Physig immer Radio, aber das Gequatsche hilft mir nicht beim Training. Ich habe eine Sportplaylist und die spiele ich heute in zufälliger Reihenfolge ab. Die Geräte sind heute übersichtlich besetzt. Ich reihe mich einfach ein, und fange an. Die Frau, die ein Gerät weiter ist, als ich, hat es deutlich leichter, als ich. Oder sie ist stärker. Wie auch immer bewegt sie das Körperteil, was gerade trainiert wird, deutlich lockerer, als ich es tue. Heute atme ich zum ersten mal richtig. Also bei der Belastung aus, bei der Entlastung ein. Keine Ahnung, warum ich das auf einmal kann? Es klappt auf jeden Fall, das freut mich. 

Mitten in meiner dritten Belastungsrunde, hört die Frau, der alles so leicht gefallen ist auf und sagt, dass sie so gerne noch weitermachen würde, aber eben nur drei Runden machen darf. Ich antworte, dass ich mir keine weitere Runde vorstellen kann. Und darauf sagt sie, dass sie ja auch viel weniger Gewicht macht und das Gefühl, hat, dass sie gar nichts leistet. Mmhh. Ich erwidere, dass sie vielleicht einfach stärker ist, als ich es bin und ich mich deshalb mehr anstrengen muss. Und dass es auch total egal ist, ob sie es einfach hat, oder nicht, denn der Trainer wird sich bei genau ihrem Training für ihren Körper schon etwas gedacht haben. Die Frau strahlt mich an. Sie hätte das so noch überhaupt gar nicht gesehen, sagt sie. 

Jetzt würde sie sich gut fühlen, weil sie ihr Training geschafft hat. Und sie fühlt sich stark. So muss das sein. Die Frau geht lächelnd in die Umkleidekabine. Ich atme wieder zufällig richtig, als ich mich wieder auf die Maschine konzentriere. Toll, dass es anscheinend nun einfach so klappt, mit dem richtigen Atemrythmus. So muss das sein. Nach Feierabend tue ich mir immer schwer mit dem Training. Eigentlich egal bei welchem Training. Das war so, als ich noch laufen konnte und ist auch beim Rollentraining nach Feierabend so. Klar also, dass mir auch das Krafttraining abends auch schwerer fällt. 

Komplett durchgeschwitzt höre ich dann nach meiner dritten Runde auf und hole mir noch mal etwas zu trinken. Ich bin für einen Moment schmerzfrei und zufrieden.