Ich bin begeistert, wie viele Möglichkeiten es für Sport zu Hause mittlerweile gibt. Abseits von meinem Rücken Präventionskurs und den Workouts, die mir die Chefin immer mal zusammengeschrieben hat. Es gibt einfach unglaublich viele Online Fitnessstudios.  Für meine heutige Mattenarbeit stöbere ich also vor dem Arbeitsbeginn etwas rum. In der Mittagspause will ich heute einkaufen fahren, deshalb plane ich das Athletiktraining für heute nach Feierabend ein. Beim stöbern komme ich auf ein 20 Minuten Video der Triathletin Laura Philipp, in dem sie ihre Übungen zeigt. Na bravo! Ich überschätze mich selbst und beschließe, dass ich das heute Abend mit ihr turne.

Einkaufserlebnis der besonderen Art

Die Mittagspause verbringe ich beim Edeka und erlebe die Krise und ihre Auswirkungen auf den Verstand der Menschen direkt und unverblümt. Der Eingang ist abgeriegelt. Ein geschätzt 6,80m großer Riese in einer Security Uniform hält die Schlange davor in Schach. Kein Problem. Ich habe für diesen Einkauf Zeit eingeplant. Im Stress bin ich nicht. Ich lächle den Riesen an, der mich nach ein paar Minuten eintreten lässt und beginne meinen Einkauf. Lebensmittel einkaufen ist das, was ich wirklich am Allerwenigsten mag. Noch schlimmer sind wahrscheinlich Hosen, aber Lebensmittel sind schon wirklich ätzend.

Die Einkaufsliste kann ich gut abstreichen, der Wagen füllt sich langsam. Ich laufe an komplett leeren Brot Regalen vorbei und beobachte, wie eine Frau viele 3kg Säcke Mehl in ihren Einkaufswagen trägt. Sieht aus, als absolviert sie ihr Krafttraining nicht im Fitnessstudio, was ja eh geschlossen ist, sondern eben hier, neben dem Backzutatenregal. Wofür braucht man denn so viel Mehl? Bei 15 Paketen höre ich auf zu zählen und laufe weiter. Eine Verkäuferin spricht die Dame darauf an und fordert sie auf, dass Mehl zurückzurufen. Sie darf gerne einen 3kg Sack im Wagen lassen. Der Rest muß zurück.

Wirklich?

Wofür sie das ganze Mehl denn braucht, fragt die Verkäuferin. Ich kann das Gespräch noch lange mit anhören, weil ich bei Essig und Öl raussuche, was noch da ist, und was ich dann statt dem mitnehme, was wir üblicherweise zu Hause haben. Die Mehlfrau sagt erst, dass sie viel backt. Dann sagt sie, dass sie für ihre Mutter einkauft, die auch viel backt und dann antwortet sie schrill und verlangt nach dem Vorgesetzten. Die Verkäuferin bleibt ganz ruhig. Auch der Vorgesetzte ist total nett, als er ihr wahrscheinlich zum wiederholten Male in den letzten Tagen, erklärt, warum ein Einkaufswagen voller Mehl nicht auf einmal an eine einzige Person verkauft wird. Die Mehlfrau beginnt zu schluchzen.

Ich glaube wirklich, dass sie selbst nicht weiß, was sie mit so viel Mehl eigentlich möchte.

Ich glaube, das ist eines der Hauptprobleme, die diese Krise aufwirft. Die Menschen drehen durch, sei es nun bezüglich Klopapier, Mehl oder Rapsöl. Die Angst, nicht das zu bekommen, was es immer gibt, die Tatsache, nicht die Auswahl zu haben, die man üblicherweise immer vorfindet, das ist neu und lässt die Synapsen im Gehirn ganz offensichtlich fehlerhaft schalten. Die Mehlfrau steht mittlerweile mit einer Packung Mehl im Einkaufswagen im Klopapiergang und teilt mit, dass vier-lagig leer ist.

Alles leer

Wenn ich ehrlich sein darf… auch drei- lagig und zwei- lagig ist leer. Das komplette Regal ist schlichtweg leer. Die Frau gerät in Panik. Ich kann das förmlich sehen. Das ist einfach zu viel für ihr Gemüt. Sie lamentiert lautstark, dass sie ja nun auch heim gehen kann, weil sie ja gar nichts zu essen findet und jetzt sogar noch nicht mal Klopapier. Ich stehe in der Zeit vor dem prall gefüllten Joghurt Kühlregal und wähle meine Lieblingssorte aus. Ich glaube von „nichts zu essen finden“, sind wir -zumindest in diesem Edeka- wirklich extrem weit entfernt.

Dieses Erlebnis schafft mich. Ich bedanke mich bei der Kassiererin, die mittlerweile durch eine Plexiglasscheibe vor mir geschützt arbeiten kann. Die Mehlfrau verstehe ich, auch nach mehrmaligen überlegen über und erzählen der Situation,  einfach nicht. Das kann man sicherlich rein psychologisch erklären… aber mein Verständnis setzt da eben aus. Vielleicht überschätze ich mich selbst aber auch?

Der schöne Teil des Tages – der Feierabend

Wenigsten muß ich mich nicht mehr mit der Sportauswahl für heute befassen. Das Video von Laura Philipp steht und ich freue mich drauf. Nach Feierabend schnappe ich mir deshalb meine Matte, ein Gewicht, ein Gummiband und einen Tennisball, und dann geht es auch schon los. Laura turnt auf einer Dachterrasse, ich zu Hause im Esszimmer. Uns verbindet die Leidenschaft zum Sport und ein Tennisball.

Während Laura Philipp die Übungen mit einer 7kg Hantel durchführt, starte ich deutlich leichter und bin trotzdem viel mehr durchgeschwitzt, als sie. Toll finde ich, dass ich manche Übungen wirklich gut umsetzen kann. Manch andere kann ich gar nicht. Allerdings finde ich einfach eine Alternative, die für mich anstrengend ist, und die sich trotzdem wenigstens ein bisschen, an ihrer orientiert.

Es ist wirklich erstaunlich, wie gut durchtrainiert Laura Philipp ist. Und wie wenig ich es im Gegensatz bin. Planken und dabei einen Ball hin und her werfen ist eine spektakuläre Übung. Ich bin mir nicht sicher, ob ich abschätzen kann, wie lange ich trainieren müsste, um das zu können. Ich wähle deshalb den Unterarmstütz und spiele dort mit dem Tennisball. Steigern kann ich mich ja immer noch. Und vielleicht nützt mir dieser verordnete Hausarrest ja, um mich diesbezüglich besser aufzustellen?

Sich mit einem Triathlon Profi zu vergleichen ist ja sowieso nicht erstrebenswert. Sie hat ihren Job, ich habe meinen. Allerdings ist es richtig cool, Einblicke in das Profitraining zu bekommen und dann auch noch mitmachen zu dürfen. Diese Krise bietet viele solcher Möglichkeiten. Über die sozialen Netzwerke ist man sich, trotz der Distanz, die wir sinnvollerweise einhalten, um das Virus nicht zu verbreiten, in diesen Tagen wirklich nah. Und so lassen allerlei Prominente und eben auch der ein oder andere Triathlonprofi, wie Laura Philipp, einen Blick in die heimeligen vier Wände zu.