Laufen war ich heute nicht. Es war einfach viel los und irgendwie hat ein Lauf nicht in den Tag gepasst. Da ich mir aber „Time to Shine“ das Program von Mady Morrison, was sie für den Januar zusammengestellt hat, vorgenommen habe, mache ich wenigstens das. Es ist spät und das ist ein Morgen – Yoga – Video, also ob das klug ist, weiß ich nicht, aber ich mache es. Video Nummer sechs zeigt ein Reisfeld in Bali und mitten drin führt ein Weg hindurch. Mady begrüßt mich gut gelaunt und teilt mit, dass sie den Yoga Ablauf, den ich gleich mit ihr zusammen turne, jeden Morgen in Bali durchführt. Anscheinend hat sie mal eine Reise gemacht und das Video ist vermutlich dort entstanden?

Das Reisfeld sieht auf jeden Fall ganz verlassen aus und einsam genug für Yoga, Mady und die Matte. Die heutige Yoga Aufgabe machen wir also im Reisfeld. Um wenigstens etwas in eine ähnliche Stimmung zu kommen, hole ich mir Reis aus unserer Vorratskammer. Das geht dann zumindest etwas die Richtung. Heute komme ich wieder in die Situation, dass ich am Anfang  auf der Matte stehe und den Monitor auf dem Boden habe. Ich sehe so nicht ganz so gut, was Mady macht, weil ich ja nach unten schauen muß, um das Video zu sehen. Laut Ansage soll ich aber den Blick erhoben haben.

Eine Yoga Zwickmühle also.

Ich atme nun eben ein und aus. Und während ich da so stehe und nach oben schaue, nimmt Mady ihre Arme schon mit. Also noch mal von vorne. Kein Problem. Es ist ja YouTube und da kann man schnell spulen oder anhalten. Die Abfolge, oder wie wir Yoga Profis sagen: der Flow ist heute einer der schnellen Sorte. Zumindest wurde mir das so von Mady gesagt in der Einführung. Bereits verstanden habe ich, dass das bedeutet ich mache alles zügig hintereinander weg. Und manchmal geht’s sogar so weit, dass ich  pro Ein- oder Ausatmung eine neue Pose einnehme. Heute ist das zum Beispiel so. Das Video ist ziemlich beschleunigt im Gegensatz zu manch anderen, die ich schon mit Mady geturnt habe.

Beschleunigung ist ja nicht unbedingt etwas schlechtes. Jeder Atemzug und jede Ausatmung gibt’s also eine neue Pose und ich komme dabei ganz schön aus der Puste. Also ich muß da wirklich atmen dazwischen. Nicht erst, wenn Mady ausatmet und das ansagt. Ich muß vorher pusten und neue Luft in die Lunge bekommen. So geht das nicht. Also ich pfeife hier buchstäblich auf dem letzten Loch, während die sanfte, biegsame, Mady alles ganz locker nimmt in ihrem Reisfeld. Da erzählt sie mir ganz entspannt, dass ich beim Einatmen das Bein hoch und beim Ausatmen das Bein zur Brust ziehen soll. Beides fühlt sich wie eine Verrenkung an. Diese Übungen sind so krass verrückt anstrengend, dass ich einfach dazwischen atmen muß.

Es geht gar nicht anders!

Ich bin einfach zu schnell für Yoga. Oder Mady ist zu langsam? Oder ich bin nicht trainiert genug um die Kraft aufzuwenden, die man benötigt um das alles so langsam zu machen und gleichzeitig nicht zu atmen. Diese Yoga Menschen sind einfach ganz irre durchtrainiert. Und ich dachte wirklich, dass ich mit meinen erst kürzlich wiedererlangten 12km jetzt wieder zu den etwas durchtrainierteren Athleten gehöre. Das ist aber ganz augenscheinlich nicht der Fall. Ich kann im Prinzip gar nichts.

Die Wahrheit

Und ganz schnell bekomme ich abseits vom Hund und dem Knie, dass ich abwechselnd zur Nase oder zu den Oberarmen führen soll, auch die reine Wahrheit eingeschenkt. Ich dachte ehrlich gesagt, dass es heute -in diesem Flow- nicht noch schlimmer werden kann. Immerhin schnaufe ich ganz schön und brauche mindestens 3-4 Zwischenatmer, während Mady ganz entspannt einmal aus- oder einatmet. Aber ich wurde jäh getäuscht. Natürlich geht es noch schlimmer. Die Wahrheit ist, dass Mady nun, mitten in ihrem Reisfeld, ganz locker flockig und ohne Anstrengung in die Rockstar Pose geht. Sie erwartet anscheinend, dass derjenige, der das Video ansieht, das mitmachen kann!

Also im Grunde ist doch diese Verrenkung überhaupt gar nicht möglich. Klar, sie macht sie auf der Matte im Video vor und es sieht wirklich leichtfüßig aus. Aber das muß eine Fotomontage sein. Oder ein Wunder. Oder Beides. Es ist auch jeden Fall glasklar, dass ich in keinster Weise auch nur im Ansatz in die Nähe dieser Pose komme. Schon der Weg dorthin ist total verrückt und ich muß ihn auf halber Strecke abbrechen. Ich schwanke wie ein alternder Baum in einem krassen Herbststurm, kann die Balance nicht halten und nehme mir strikt vor, dass mich Yoga nicht kleinkriegen wird!

Oh man ist das deprimierend. Wir machen die Rockstar Pose nämlich auch noch auf der anderen Seite. Natürlich. Weil Mady das immer mit mir macht. Wenn ich eine der Aufgaben geschafft habe und mich vermeintlich mit ein paar Atemzügen auf der Matte in Sicherheit wiege, dann kommt ihr sympathisches „und noch mal so“ oder „weiter geht’s“ und sie sagt die andere Seite an. Zack und da hänge ich nun also wieder in der noch immer vollkommen unwirklichen Yoga Anfängersteifigkeit und hoffe, dass sie vielleicht auf dieser Seite die Rockstar Pose im Reisfeld einfach vergisst.

Tut sie aber nicht.

Nach diesen 15 Minuten heute bin ich nass geschwitzt und sehe Yoga noch mal mit anderen Augen. Das ist heftiges Krafttraining! Ich bin gespannt, was sie sich für morgen hat einfallen lassen. Ein Blick in die Playlist zeigt, es geht um den Rücken. Na, da bin ich ja mal wieder gespannt. Wahrscheinlich wird die Rockstar Pose wieder eingebaut. Aber bis morgen kann ich die nicht, da bin ich sicher!