In meinem Trainingsplan steht für heute Rollentraining drin, und für morgen Bergsprints. Da hat sich der Coach mal wieder was ausgedacht. In Duisburg ist die Strecke flach, wie ein Brett. Was braucht die Athletin da wohl Bergsprints für? Deshalb habe ich einen Coach und mache nicht einfach selbst nur so ein bisschen Training. Der Profi denkt sich was dabei, und zwar ganz bestimmt etwas Passendes. Ich habe allerdings morgen keine Zeit für Bergsprints. Morgen findet die FiBloKo statt und ich nehme teil. Abends sind wir eingeladen. Dazwischen ist keine Zeit. Also nutze ich die Möglichkeit zur Kontaktaufnahme und frage den Coach nach einer Lösung. Meine Erwartung ist, dass er sagt: die Bergsprints morgen fallen aus. 

Die Realität sieht allerdings ganz anders aus. Der Coach sagt: „Dann machst Du die Bergsprints eben auch heute. Hauptsache es liegt genügend Zeit zwischen den beiden Einheiten.“ Aha. Also da war ich schon überrascht. Vor allem, wo es hier kaum einen passenden Anstieg gibt. Aber jetzt muss ich also einen finden. Der Zeugwart und ich kommen auf zwei passende Anstiege, denn die Bergsprints sollen laut Trainingsplan auch noch eine bestimmte Länge haben. Ich schlage, während wir in einer Kaffeepause kurz über passende Strecken sinnieren vor, den Coach einfach zu betrügen. 

Ich könnte einfach 10 Minuten in unseren Wald oder auf das Feld laufen und dann die Sprints machen. Sprint ist doch schließlich Sprint, oder etwa nicht? Ich werde im Anschluss sicherlich eh total fertig sein, auch wenn ich die einfach nur auf dem Feld laufe. Aber der Zeugwart teilt klar mit, dass der Coach das ersten merken würde, weil meine Uhr ja die Höhenmeter aufzeichnet, und zweitens es mir auch nicht das Gleiche bringen kann. Sonst würde es ja keinen Unterschied zwischen Sprints und Bergsprints geben. Ja. Das sind Argumente, die ich gelten lasse. Außerdem ergibt es keinen Sinn einen Coach zu haben und dann dennoch einfach was anderes zu machen. 

Das stimmt auf jeden Fall. Immerhin ist der Coach ein Profi.

Meine Mittagspause findet heute also nicht ausschließlich essend statt. Ich fahre mit dem Auto zu einer Straßenbrücke und mache Bergsprints. Also das hätte ich mir ja auch nicht träumen lassen. Die Sache mit dem IRONMAN 70.3 Duisburg ist ernst. Offensichtlich. Lovis ist ja auch schon voll im Training. Ich parke an einem kleinen Parkplatz, ziehe meine Laufjacke an, verstaue den Autoschlüssel und trabe gute 10 Minuten zu meinem Berg. Also zur Straßenbrücke. Natürlich komme ich auf sowas perfektes nicht alleine, der Zeugwart hat mir dabei geholfen. Wir sind schon ein gutes Team

Die Trainingseinheit habe ich mir von der Trainingsplattform zu Garmin exportiert und so gibt meine Uhr mehr oder weniger passende Alarme und Hinweise, für das, was ich machen soll. Es sind hier um die Mittagszeit nur die Brücke und ich. Wir haben keine Gesellschaft. Und so sprinte ich also 25 Sekunden die Brücke hoch und komme noch nicht mal oben an. Wer baut denn bitte solche Brücken? Und warum? Dann spaziere ich wieder runter und sprinte wieder hoch. Viermal mache ich das. So sagt es die Uhr und der Trainingsplan. Dann laufe ich 5 Minuten durch die Gegend. Ich versuche meine Geschwindigkeit so zu wählen, dass ich mich erholen kann. Das funktioniert bedingt. 

Und weil ich hier nie laufe, versuche ich vorherzubestimmen, wo ich sinnvollerweise umdrehe, um wieder pünktlich nach den angesagten 5 Minuten am Fuße der Brücke zu stehen. Mein Drehpunkt passt perfekt und so geht’s nach den 5 Minuten laufen wieder mit den Bergsprints weiter. Ich sprinte wieder viermal die Brückenauffahrt hoch, als wäre der Teufel hinter mir her und gehe langsam wieder hinunter. Das ist anstrengend, macht aber tierisch Spaß. Jetzt bin ich mir unsicher, ob ich das dem Coach sagen soll. Also wie viel Spaß ich an seinem Trainingsplan habe. Nicht, dass er sich dann weitere Verrücktheiten ausdenkt. 

Oder vielleicht freut er sich auch? Und vielleicht will ich auch weitere solcher Trainingseinheiten? Nach meinem letzten Brückensprint laufe ich 15 Minuten und bin zurück am Auto. Dort schlüpfe ich aus der verschwitzten Laufjacke, ziehe mir meine dicke Winterjacke und meine Mütze an und trinke etwas. Auf der kurzen Heimfahrt überlege ich mir, wie verrückt es ist, dass mir diese Trainingseinheit so unheimlich viel Spaß gemacht hat. Woran das wohl liegt? Ich kann es nicht klar sagen, aber ich bin so richtig zufrieden jetzt. Das Mittagessen schmeckt hervorragend und der Nachmittag vergeht wie im Flug. So ist das oft, wenn etwas schön ist. Die Zeit rast.