Mittlerweile schreibt die Chefin nicht nur das Training auf den Plan, sondern zusätzlich erwähnt sie auch, wann ich es ihrer Meinung nach absolvieren soll. So steht heute also im Trainingsplan, dass ich vor der Arbeit einen Techniklauf machen soll. Techniklauf heißt dabei: einlaufen, Lauf ABC und dann wieder auslaufen. Von Gehpausen steht nichts im Trainingsplan. Hat sie die vergessen zu erwähnen? Oder will sie nicht, dass ich welche mache? Schaffe ich das denn überhaupt? Einlaufen am Stück und dann auch wieder das Auslaufen am Stück? Ich zweifle daran gestern, immer, wenn ich im vollen Arbeitskalender mal ein bischen Luft zum Zweifeln habe, und bin immer noch dabei, als ich mich heute früh also vor der Arbeit umziehe. Heute soll das Wetter ja besonders unschön werden. Viel Wolken, keine Sonne und auch ansonsten sagt der Wetterbericht nicht so besonders herrliche Temperaturen und Wetterkapriolen voraus. Aber als ich angezogen bin und meine Uhr GPS gefunden hat, kann ich mich nicht beklagen.
Es ist Bilderbuchwetter. Die Sonne strahlt und die Kälte ist mit 4°C wirklich erträglich. Wahrscheinlich aber genau nur deshalb, weil die Sonne so toll hinter dem Wald hervorkommt? Ich laufe los und weil keine Gehpause im Einlaufen drin steht, mache ich auch keine. Ich laufe einfach 10 Minuten lang, wie es die Chefin notiert hat. Meine Geschwindigkeit ist überraschend flott mit deutlich unter 7 Minuten pro Kilometer, was ich beeindruckt zur Kenntnis nehme. Schnell fühlt es sich nicht an und anstrengend auch nicht, vielleicht doch schon ein Trainingseffekt? Ich bin ausgeruht, denn gestern habe ich das Training ausfallen lassen. Es stand zwar Schwimmen auf dem Plan, aber die Badezeiten, die für mich in einem örtlich erreichbaren Rahmen gelegen haben, waren dann doch nicht erreichbar. Und zwar zeitlich. Ich kann mich einfach nicht zerreißen und wenn ich von ganz früh, bis ganz spät arbeite, dann passt Schwimmtraining noch weniger rein, als Rad fahren. Letzteres könnte ich nämlich auch spät Abends nach der Arbeit machen, auf der Rolle.
Ich laufe also sehr ausgeruht zu meinem üblichen Lauf ABC Trainingsplatz. Ich kann den in 2 Minuten erreichen, oder eben auch 10 Minuten brauchen, weil viele Wege nach Rom führen und eben auch zum Lauf ABC. Während ich mich so einlaufe, fällt mir auch auf, dass ich mich nicht so schleppe, wie sonst. Ich stelle mir heute vor, dass ich ein Läufer bin, weil vieles ja Kopfsache ist und das Bewußtsein ein Läufer zu sein sicherlich sein Übriges dafür tut, dass ich auch einer bin. Zumindest während der 10 Minuten Einlaufzeit, die auch ganz genau am Lauf ABC Startpunkt endet. Perfektes Timing. Wer hätte das gedacht? Ich zumindest nicht.
Das Lauf ABC absolviere ich mittlerweile auch recht flüssig. Ich bin ja auch ausgeruht, es ist also keine Kunst. Obwohl es in der Vergangenheit auch ausgeruhte Tage gab, an denen das Lauf ABC trotzdem eine einzige Quälerei war und keine Hoffnung auf Besserung bestand. Auch hier vermute ich stark, dass der Judithathletenkörper bereits ein bischen an die neuen Aufgaben gewöhnt ist und deshalb das Lauf ABC etwas routinierter von statten geht. Wirklich cool, und der erste Trainingsmonat ist noch nicht mal rum. Was ein Erfolg!
Ich hüpfe und springe was die Schuhe hergeben. Ich mache Ausfallschritte, beschleunige und sprinte, ich erhole mich auf dem Rückweg und kann mich währendessen noch darüber wundern, was für manche Autos 30km/h sind, denn mein Lauf ABC Trainingsgelände liegt in einer 30er Zone und tatsächlich hat das Schild nicht jeder gesehen. Oder nicht jeder kann es umsetzen. Als ich mit den üblichen Sprints nach 10 Minuten den Technikteil beende und zum Auslaufen übergehe, gibt sich die Sonne nochmals besonders Mühe mir einen sehr schönen Auslaufabschluß zu kredenzen. Die Stimmung ist wirklich ganz wunderbar herbstlich und wie ich da so in Richtung zu Hause laufe, vorbei an den Feldern und Wiesen, finde ich ausschließlich positives am heutigen Tag.
Das Training lief gut, sogar das Ein- und Auslaufen habe ich ohne Gehpausen absolviert. Das Wetter hat toll mitgespielt, obwohl der Wetterbericht das anders vorhergesagt hatte. Irgendwie habe ich den Eindruck, dass ich das Chaos auf der Arbeit deshalb heute einfach nicht so schwer nehme, wie sonst. Weil der Lauf mich einfach auf andere Gedanken gebracht hat und es manchmal auch wichtig ist, dass die Arbeit eben nicht alles ist.