Mein Sportzeug steht seit Tagen gepackt im Büro. Ich wollte am Dienstag laufen gehen und weil das nicht geklappt hat, und ich daheim für Sport derzeit noch weniger Zeit habe, als in der Mittagspause, steht der Rucksack gepackt jetzt eben hier. Ich glaube dem Rucksack ist es auch total egal, wo er gepackt steht. Im Auto allerdings versuche ich die Lagerung zu vermeiden, weil es bei uns wirklich ziemlich frisch ist und auf 4°C runtergekühlte Klamotten nicht ganz so prima zum anziehen sind. Auch ein so kaltes Duschgel finde ich wenig verlockend. Obwohl ich dann unter der Dusch im Anschluß gleich abgekühlt wäre.

Der Charmeur geht immer nur laufen, wenn ich mitgehe. So zumindest scheint es mir. Denn am Dienstag hätte er sehr wohl Zeit gehabt, gerannt ist er aber nicht. Er mag die Gesellschaft, oder er hat Angst sich zu verlaufen. Orientierungsmäßig ist er nämlich in starker Konkurrenz mit einem Stuhl. Selbst auf freiem Feld mit der Skyline von Frankfurt am Horizont würde er spontan falsch abbiegen. Warum das so ist, konnte ich in den mittlerweile zahlreichen Läufen, nicht herausfinden. Mancher hat’s und andere eben nicht. Der Charmeur ist beim Thema Orientierung  einfach nicht  zu gebrauchen.

Heute verabreden wir uns früher als sonst, damit ich noch etwas abkühlen kann, ehe es mit dem weiteren Programm weitergeht. Ich habe am frühen Nachmittag ein Telefonat und wir sitzen am Ende unserer Leitung in einer Gruppe. Da will ich nicht in durchgeschwitzten Sportklamotten dabei sitzen. Wäre auch blöd für die Kollegen, obwohl alle Sportler sind. Also haben der Charmeur und ich heute ein wunderbares Timing und sind passend zum nächsten Regenschauer pünktlich umgezogen.

Natürlich zum Regenschauer. Der Charmeur weiß noch nicht, dass es für gewöhnlich kräftig regnet, wenn ich laufen gehe. Bislang hat mir das Wetter immer in die Karten gespielt. Es könnte aber sein, dass es jetzt beschlossen hat, dass sich das Blatt wendet und sich die Regenjacke ab sofort wieder lohnt. Ich habe sie ja seit Wochen immer im Rucksack für’s laufen dabei, einfach weil ich eigentlich immer davon ausgehe, dass es regnen wird. Gebraucht habe ich sie noch nie. Heute ist es dafür soweit. Es regnet ordentlich. Aber kneifen wegen des Wetters kommt nicht in Frage. Ich ziehe also eine Kappe auf und ein neues Stirnband um die Ohren, das der Zeugwart für mich besorgt hat. Außerdem trage ich, natürlich, Regenjacke. Der Charmeur läuft im Kapuzenpulli.

Eigentlich läuft er immer wie Rocky neben mir her. Von wirklichen Laufschuhen ist keine Spur, die Jogginghose ist komplett Retro und aus Baumwolle und der Kapuzenpulli zeigt in 9 von 10 Fällen sogar noch ein entsprechendes Statement und wäre für mich auch absolut couchtauglich. Eigentlich müsste der Charmeur auf dem Blog eher Rocky heißen, weil sein Outfit vielversprechend ist. Trotzdem macht er auch heute seinem eigentlichen Spitznamen alle Ehre. Ich erkläre nämlich nach den ersten paar nassen Metern, dass ich total vollgefressen bin, was man ja auch an meiner deutlichen Körperfülle sehen würde und der Charmeur sagt nur ganz trocken, dass ich von Fülle weit entfernt bin und weiterhin ziemlich schnell unterwegs sei. Ahja.

Doch ein Charmeur. Ganz klar. Die jungen Leute geben alles, um die Alten bei Laune zu halten. Als ich diese Position übernommen habe, war ich gefühlt so alt wie alle und doch schon deutlich älter als die meisten Kollegen. Das liegt einfach am Geschäft, denke ich. Jetzt, da ich dieses Jahr die Altersklasse wechsle und zahlreiche junge Kollegen nachgekommen sind, wird der Altersunterschied oft noch deutlicher. Zumindest was die täglich Themen angeht. Der Charmeur denkt gerade intensiv darüber nach seiner Freundin einen Heiratsantrag zu machen… ich bin eine alte Ehefrau.

Wir laufen einträchtig durch den Regen. Es prasselt auf die Felder, für uns fühlt es sich aber gar nicht so kräftig an, wie es in den Pfützen aussieht. Erfreulicherweise haben wir wenig Wind, aber so richtig angenehm zu laufen ist es nicht. Aber egal, es kommt darauf an, dass wir unterwegs sind und etwas frische Luft abbekommen, der Charmeur und ich. Nach fast 6km sind wir wieder zurück am Büro und ich lobe meine Regenjacke. Der Kapuzenpulli ist nass, aber der Charmeur ist diesbezüglich hart im nehmen.

Pünktlich für mein Telefonat sitze ich frisch geduscht und angenehm duftend mit den Kollegen zusammen. 1a Zeitplanung.