Am Heiligen Abend steht üblicherweise jede Menge Vorbereitung an. Oder einfach gar keine. Es gibt nur diese Extreme, zumindest in den Haushalten, die ich so kenne. Bei uns ist es recht entspannt. Ich fülle nur noch eine Biskuitrolle für heute Abend und ziehe mich dann um. Für heute hat der Coach mir ein Lance Armstrong Gedächtnistraining in den Trainingsplan geschrieben. Und alle Athleten, die ich so kenne, die auch von meinem Coach trainiert werden, haben dieses Training ebenfalls im Plan stehen. Manche müssen Rad fahren gehen, andere gehen laufen. Hauptsache am Heiligen Abend wird trainiert, denn Lance Armstrong hat das auch so gemacht. 

Und wenn Lance Armstrong das gemacht hat, dann kann das per se nicht schlecht gewesen sein. Nicht alles, was der Lance so gemacht hat war schlecht, soviel ist klar. Das Leben ist selten schwarz oder weiß. Für den Coach ist auf jeden Fall glasklar, dass wir Athleten heute ein Training absolvieren und dass der Trainingsplan am Heiligen Abend so richtig los geht. Nicht, dass wir vorher nicht ordentlich trainiert hätten, aber heute ist es noch mal ein besonderer Startschuss. Zumindest, was das Trainingsbewusstsein angeht. Für mich ändert es nicht so viel, ob jetzt heute Heilig Abend ist, oder nicht. 

Ich schau mir den Trainingsvorschlag für heute an und ziehe mich um. Ich glaube, dass ich den nicht in die Uhr einspeichern muss. Drei Zwischensprints nach 25 Minuten werde ich mir wohl merken können. So schwierig dürfte das nicht sein. Heute ist es nicht sonderlich warm, obwohl Heilig Abend ist. Da sind es doch normalerweise kuschelige 15°C und Regen. Statt kühlen 7°C. Aber gut. Es ist eben nichts mehr so, wie es früher mal war. Regnen tut es heute nicht. Ich muss mir sogar meine Sonnenbrille aufsetzen, weil die Sonne sich tatsächlich raus traut. Ziemlich verrückt. 

Nachdem ich kurz mit mir selbst gewettet habe, wie vielen Leuten ich am Heiligen Abend so begegne, starte ich meine Uhr und trabe los. Es fühlt sich gut an. Mein letzter Lauf war in Nizza, oder? Ich erinnere mich nicht. vielleicht bin ich auch dazwischen schon mal wieder gelaufen? Irgendwie war so viel los die letzten Wochen, ich bin im Kopf ganz verloren. Lance Armstrong hin oder her. Ich gewinne die Wette gegen mich selbst bezüglich des Geschlechts der Läufer, die mir heute begegnen. Nur Männer, war mein Tipp und so ist es auch. Heute laufen hier nur Männer rum. Aber sie sind oft in Begleitung ihres Nachwuchses unterwegs. 

Meine Laufrunde ist durch die Laufplaylist, die ich höre, recht kurzweilig. Die Playlist habe ich mir nämlich nicht selbst zusammengestellt. Ich höre Lieder, die jemand bei meinem Musikanbieter für das Laufen passend zusammengestellt hat. Manchmal bin ich mir nicht sicher, ob der Computer, der diese Liste zusammenstellt und für das Laufen passend findet, wirklich Ahnung hat. Und nach welchen Kriterien die Lieder in die Liste kommen, kann ich auch nicht nachvollziehen. Die Playlist enthält langsame und schnelle Lieder, Motivationstexte und Liebeslieder. Eine wirkliche Musikrichtung ist nicht zu erkennen. Oder ich habe einfach auch gar keine Ahnung. 

Das ist natürlich generell immer möglich.

Entgegen meiner Annahme, dass ich die drei Sprintaufgaben schon irgendwie richtig hinbekommen werde, laufe ich heute ziemlichen Mist zusammen. Statt 25 Minuten einlaufen, und dann loszulegen, laufe ich 20 Minuten und mache dann die Sprints. Und statt 500 Meter schneller zu machen, laufe ich 100 Meter. Wenigstens mache ich die 3 mal richtig, das ist doch wenigstens etwas. Der Coach wird sich trotzdem seinen Teil denken. Lesen, merken und umsetzen ist halt einfach das A und O bei einem Trainingsplan. Ob das Lance Armstrong Gedächtnistraining trotzdem zählt? Wahrscheinlich schon. 

Ich würde mal ja sagen. Immerhin habe ich mich am Heilig Abend ordenlich bewegt, wenn auch nicht ganz nach Plan. Und ich habe eine Laufplaylist angehört, die aussortiert gehört. Außerdem habe ich meine eigene Wette gewonnen und gleichzeitig auch verloren. Ich habe nur Männer und Kinder beim Laufen getroffen. Alle Frauen sind heute im Auftrag des Herrn unterwegs. Wie auch immer dieser heißen mag. Meiner heißt heute Lance Armstrong und das Gedächtnistraining ist im Kasten.