So bin ich schon lange nicht mehr ins Büro gefahren, bepackt mit Arbeitstasche und Lauftasche. Ich kann mich gar nicht mehr daran erinnern, wann das zum letzten Mal der Fall gewesen ist, das ist tatsächlich lange her. Also nicht nur Wochen, sondern viele Monate. Das muß vor dem Frankfurt Marathon gewesen sein, lange davor. Aber heute hat die Chefin Laufen auf den Plan geschrieben und ich will das nicht früh um 5h machen und auch nicht erst, wenn ich im dunklen später daheim bin. Also in der Mittagspause.

Ich genieße Sport bei Helligkeit. Es macht soviel mehr Spaß im Hellen Sport zu machen, draußen an der frischen Luft, das so viel mehr als nur Bewegung. Laufen ist natürlich bei mir nur Walken. Aber es kommt auch darauf an, mit wem man spricht, so hat Laufen ja die ganz unterschiedlichen Bedeutungen und das was für einen Läufer laufen ist, ist für einen nicht Läufer rennen oder joggen. Ein Läufer würde sich aber nicht zum joggen hinreißen lassen. Ein Läufer läuft. Er geht auf eine Laufrunde. Es wird nicht gejoggt. Joggen machen Leute in Jogginghose und Kaputzenpullis. Ein Läufer trägt eine entsprechende Laufausstattung.

Klar. Meine Laufausstattung zum walken ist heute in meiner Sporttasche verstaut. Ich bin mir über die Temperatur unsicher und habe deshalb lang und kurz eingepackt und tatsächlich an ziemlich viele Utensilien gedacht, die mir so gar nicht mehr geläufig sind, dass man sie besser einpackt. Weil ich ja die letzten Male immer von daheim aus losgegangen bin und da ist ja eben eh alles beisammen. Und ich finde es auch logischer, wenn ich quasi daran vorbeilaufe und alles greife, was ich brauche. Wenn ich von der Arbeit aus laufe, ist das natürlich anders. Und wenn es dann zusätzlich keine Routine gibt, weil ich keine habe, dann macht es das doppelt schwer an alles zu denken.

Beim packen der Tasche habe ich also mehrfach überlegt, ob ich wirklich alles habe. Und tatsächlich wirkt es nun, als ich mich im Büro umziehe, ziemlich komplett. Ich habe wirklich alles, was ich brauche. Das überrascht mich wirklich ein bisschen. Immerhin habe ich auch schon so logische Sachen wie Socken vergessen. Aber heute wurde an alles gedacht und so bin ich nach nur wenigen Minuten dem Büroalltag entflohen und unterwegs. Die frische Luft tut gut. Und vor allem, dass hier nicht ständig jemand nur eine kurze Frage hat. Und dass nicht permanent das Telefon klingelt.

Hier marschiere ich einfach. Auf den ersten Kilometern habe ich Rückenwind und bin dadurch schneller unterwegs, als sonst. Und ich habe grandiose Ausblicke auf die Wolkenformationen und die Felder. Im Hintergrund, weit am Horizont zeigt sich die Frankfurter Innenstadt im Sonnenlicht. Die Fenster und verspiegelten Fassaden der Hochhäuser glitzern, das sieht super aus.

Die Sonne kämpft sich mehr als einmal den Weg durch die Wolken und der Himmel ändert sich rasch, durch den kräftigen Wind, der auch hoch oben zu herrschen scheint. Als ich die Richtung ändere, ändert sich auch meine Geschwindigkeit rasant. Ich muß auf einmal richtig kämpfen und mich gegen den Wind legen. Und zusätzlich geht’s dann jetzt hier auch ein bisschen Berg an. Natürlich kein richtiger Berg, obwohl ich den richtig merke. Richtige Sportler können darüber nur lachen, aber mein Knie und ich sind hier durchaus angestrengt.

Aber Anstrengung ist ja nicht verkehrt. Immerhin hat die Chefin ein deutliches Programm auf den Plan geschrieben und so marschiere ich gegen den Wind und bin sehr froh, dass die Chefin das Training heute so platziert hat und ich die Gelegenheit nutzen konnte. Wahrscheinlich wird es heute auch noch irgendwann regnen, aber derzeit weht es nur ordentlich. Und es ist wirklich nicht unangenehm kalt. Meine Lunge und vor allem mein. Kopf wird vom Wind mal so richtig durchgepustet und kommt auf komplett andere Gedanken. Vielleicht lösen sich manche Fragen ja während meines Laufes heute einfach von selbst und es muß mich keiner mehr dazu befragen? Wer weiß?

Auf den letzten Meter habe ich wieder Rückenwind und ich habe auch das Gefühl, dass es in den letzten Minuten merklich dunkler geworden ist. So lange war ich nun auch nicht unterwegs. Es stand ja nur eine Stunde auf dem Plan. Aber gut, dunkler ist es tatsächlich geworden. Ich schließe das Bürogebäude auf und betrete den Flur, und wusch, fängt es hinter mir an wie aus Eimern zu schütten. Das war ja mal eine unfassbar gute Zeitplanung von der Chefin. Sie hat genau die Zeit bis zum Regen aufgeschrieben. Gut, dass sie nicht 1,5 Stunden auf dem Plan notiert hat, dann wäre ich nämlich jetzt kräftig nass geworden. Deshalb schreibt eben ein Profi meinen Trainingsplan.