Das hier ist mein Tagebuch und es gibt gute und schlechte Tage. Manchmal bin ich mir nicht sicher, ob ich die schlechten Tage wirklich aufschreiben möchte. Oft hilft es mir aber, wenn ich die schlechten Tage aufschreibe. Denn es rückt das Leben ins rechte Licht. Nichts ist immer schlecht oder immer gut. Manchmal fehlt mir aber jedes Verständnis für das, was passiert. Das Warum ist mir oft einfach nicht klar. Und wenn es dann wieder super läuft, dann hilft mir so ein schlechter Tag im Tagebuch nicht abzuheben. Lange Wege sind viel besser nachzuvollziehen, wenn man sich an die einzelnen Etappen erinnert. Meine Seele ist dann ein kleines bisschen freier, wenn die Worte niedergeschrieben sind. 

Es passiert, was passiert, ohne dass man weiß warum.

Das klingt aber toll. Eine freie Seele. Aber wie kann das sein, wenn schlimme Ereignisse passieren? Wie kann man über Schicksalsschläge hinweg kommen? Wie bewältigt man Trauer und Frust, ohne dass man immer nur daran denkt was fehlt, oder was fehlen wird? Wie egoistisch darf ich sein, wenn es darum geht jemanden zu verlieren? In unserem Freundeskreis wird gerade ein schwerer Kampf ausgefochten. Ein Kampf gegen Krebs, der nicht zu gewinnen ist. Was für eine schreckliche Tatsache. Die Ärzte haben mir schon oft gesagt, dass ich Laufen oder Triathlon für mich keine Option mehr sein werden. Das ist aber etwas ganz anderes. 

In diesem Fall sagen die Ärzte, dass das Leben keine Chance mehr hat. Unvorstellbar und doch Realität. Da kann ich einfach nichts weiter zu schreiben. Ich bin nicht betroffen. Außer viel Arbeit und eine latente Unzufriedenheit, weil ich mich nach der Impfung immer noch mit dem Sport etwas quäle und nicht vorankomme, habe ich nichts. Ich komme mit der Kniebandage gut zurecht und ob ich fünf Minuten schneller oder langsamer bin, was bedeutet das schon? Alles in meinem Leben relativiert sich gerade, weil jemand, den ich unfassbar viele Jahre gut kenne unheilbar an Krebs erkrankt ist und geradewegs auf sein eigenes Ende zugeht. 

Ohne Umweg. 

Natürlich kann ich nichts tun. Ich bin kein Arzt und ein Psychologe bin ich auch nicht. Es ist sogar so, dass ich der Familie noch nicht mal wirklich zur Seite stehen kann, weil viele Hundert Kilometer zwischen uns liegen. Ich bin noch nicht mal eine Hilfe. Was kann man aus der Ferne tun? Gar nichts. Ich kann für keinen da sein, oder die Situation ändern. Wenn ich vor Ort bin, bin ich sogar eher eine Last, als eine Hilfe. Weil man sich dann auch noch zusätzlich um Besuch „kümmern“ muss. Obwohl das sicherlich eine Abwechslung sein kann. 

Aevor Front Pack

Wenn alles gut läuft, dann denkt man nicht daran, was passieren kann. Und wenn dann so eine Botschaft kommt, dann bricht ein Kartenhaus schnell zusammen. Was man noch alles hätte tun können, kommt einem in den Sinn. Und mir geht auch durch den Kopf, was wäre, wenn ich die Nachricht bekäme. Außerdem frage ich mich, wie es ist so einen nahen Angehörigen zu verlieren, weil jedem von uns das noch bevorsteht, wenn man es nicht schon längst durchgemacht hat. Der Tod holt sich die Menschen, wie es ihm beliebt. Das kann man nicht beeinflussen. Das ist wohl auch besser so. 

Gedankenlos

Meine Seele ist schwer und der Lauf läuft heute auch so gar nicht. Vielleicht läuft es auch, aber ich bin nicht bei der Sache? Dabei habe ich nichts. Ich könnte einfach gut laufen. Aber ich kann nicht. Ich stelle mich an. Meine Seele lenkt mich ab, meine Gedanken ziehen weg. Ich denke nicht an den IRONMAN oder das Training. Das beschäftigt mich gar nicht. Ich denke aber auch nicht an den Tod. Oder an das, was kommt. Was zwangsläufig kommen muss. Klar, wir alle sterben mal, aber irgendwie ist der Tod für mich nie sonderlich präsent. Die leere Litfaßsäule auf meiner Laufstrecke lenkt mich ab. 

Warum würde man die leer stehen lassen? Platz für meine Gedanken? Sind Litfaßsäulen out? Werden die heutzutage nicht mehr beklebt? Oder findet schlichtweg nichts statt für das Plakate gedruckt werden, die so eine Säule ansonsten füllen? Meine Seele und ich laufen gequält zurück nach Hauses. Wir können nicht mehr und ich glaube ein paar Tage ohne Laufschuhe sind angebracht. Die Gedanken werden nicht verschwinden, weil sich die Situation nicht ändert. Aber es gibt sicherlich auch da gute und schlechte Tage.