In unserem Flur liegen Bretzelkrümel. Die letzten Vorbereitungen für den heutigen Moret Triathlon stehen an. Der Zeugwart montiert nämlich Brezeln am Rad, aber offenbar hat nicht jede Lust mitzusporteln. Gut, Triathlon ist eben nicht für jeden was. Es gehört schon eine Menge Motivation dazu, 2km zu schwimmen, rund 90km Rad zu fahren und danach noch einen Halbmarathon zu laufen. Brezeln sind dafür vielleicht nicht gemacht?Ich kümmere mich deshalb um die Sauberkeit des Flurs, während der Zeugwart seinen Kram zusammenpackt und alles zum Auto trägt. Nach Münster ist es nicht weit, also sind wir heute relative zeitig vor Ort und dank der prima Organisation hier, hat der Zeugwart seine Startunterlagen schnell geholt und kann seine zweite Wechselzone aufbauen. Die ist in Münster Altheim am Sportplatz. Hier beginnt nachher auch der Halbmarathon.

Der See, wo der Zeugwart heute seine erste Mitteldistanz beginnen wird, ist ungefähr 8km entfernt von hier. In Babenhausen wird in der Kiesgrube geschwommen. Wir fahren mit dem Auto dort hin, damit ich dann später, wenn der Zeugwart mit dem Rad unterwegs ist, entsprechend mobil bin. Heute ist alles ganz genau geplant. Das Zuschauen bei so einem Wettkampf erfordert mindestens genauso eine gute Vorbereitung wie der Aufbau einer Wechselzone. Seine Wechselzone hat er auch hier am See schnell eingerichtet. Da merkt man, dass er schon ein paar Wettkämpfe hinter sich hat… das Einrichten geht zack zack und schon warten wir auf den Schwimmstart.

Der Himmel ist bewölkt. Die Hitze der letzten Tage hat den See aufheizen lassen, so dass ohne Neoprenanzug geschwommen wird. Trotzdem ist die Luft frisch und es ist windig. Wind ist fies. Im Wasser genauso wie auf dem Rad. Da muß ich mit Petrus noch mal Kontakt aufnehmen. Der Zeugwart und all die anderen Athleten sollen einen schönen Wettkampf haben… und da wäre wenig Wind noch das I-Tüpfelchen. Immerhin haben wir die Hitze oder Regen schon mal eliminiert. Das find ich prima.
Der Zeugwart schwimmt flott und bringt mich leicht außer Atem, als ich ihn im Wasser erblicke. Ich laufe neben ihm her und Feuer ihn an, dass er ja viel schneller als vereinbart ist und wie toll ich das finde. Dass der Zeugwart mit Ohrstöpseln schwimmt und mich überhaupt nicht hören kann, fällt mir dabei erst später ein. Wenigstens haben die umstehenden Zuschauer Spaß an meiner Anfeuerei. Das ist doch auch was wert. Ich schaffe es dann noch vor dem Zeugwart zur Wechselzone, weil ich eine Abkürzung nehmen kann und er natürlich nicht. Geschwommen wird bis zum Schluß, das ist ja wohl klar.
In der Wechselzone geht alles recht flott und ich gebe mir Mühe Fotos zu machen und Mut zuzusprechen. Beides klappt so mittelmäßig, wobei die Sache mit dem Mut fast überflüssig ist, denn jetzt kommt des Zeugwarts Paradedisziplin. Ich schaffe es kaum ihn am Balken noch zu erwischen und schon ist er weg. Auf dem Weg zum Auto treffe ich den Motivator. Er ist mit dem Rad unterwegs und ist extra für des Zeugwart’s Mitteldistanzpremiere an die Strecke gekommen. Jetzt will er mit dem Rad weiter und einen der Anstiege für eine Fotosession nutzen und außerdem nochmals anfeuern. Klasse. Das wird den Zeugwart freuen… da bin ich sicher. Ich fahre mit dem Auto nach Kleestadt. Erstens, weil der Name so schön ist und zweitens, weil ich mir erhoffe da gut parken zu können, um die Radfahrer anzufeuern.
Beides klappt vorbildlich. Ich beziehe Stellung auf einer Verkehrsinsel und keine 5Minuten später kommt die Spitze vorbei. Einsam und verlassen radelt der Führende wie der Teufel, tief in Aeroposition, windschnittig wie ein Porsche und ohne eine Miene zu verziehen, an mir vorbei. Ihm ist mein Geklatsche sowas von egal, dass ich es kaum in Worte fassen kann.
Dafür treffe ich den Nerv vieler anderer Athleten. Die meisten bedanken sich sogar für mein Geklatsche und machen eine entsprechende Geste. Darüber freue ich mich mindestens genauso, wie die Athleten sich über meine Aktion freuen. Eine typisch neudeutsche Win-win-Situation eben. Und dann winkt so ein Athlet von weitem. Ich schalte sofort und deute das Winken als das Zeugwartsignal und krame die Kamera hervor. Leicht gehetzt, das muß ich zugeben. Irgendwie wartet man die ganze Zeit auf den einen Moment, aber wenn er dann da ist, dann ist es doch zu schnell. Wie immer eben.
Für die Hetze gelingt mir ein ganz schönes Bild. Und schon ist er auf dem Weg in die zweite Runde und ich wieder alleine mit den fremden Athleten. Es lohnt sich nicht im Anfeuern zu pausieren. Jeder bringt hier eine super Leistung und hat sich mein Geklatsche verdient. Ich kann deshalb nicht einfach teilnahmslos am Straßenrand stehen.
Als der Zeugwart zum zweiten Mal an mir vorbei kommt geht’s ihm immer noch super. Er lächelt und ich erwähne, sinnloserweise, dass jetzt ja nur noch gelaufen wird und dann wäre alles gelaufen. Und schwupp ist er auch jetzt wieder vorbei. Also springe ich ins Auto und fahre den Radfahrern nach, biege natürlich einmal falsch ab und komme deshalb später als geplant in der Wechselzone zwei an. In Altheim wurden fleißig Knöllchen verteilt, weshalb ich mehr Zeit als ursprünglich gedacht dazu aufwende, einen Parkplatz zu finden.
Irgendwann komme ich dann aber auch an der Wechselzone und damit bei km 7, 14 und 21 an. Hier geht die Laufstrecke entlang und die Athleten kommen dreimal vorbei. Bekannte informieren mich, dass der Zeugwart gut unterwegs ist und sich bereits seit einiger Zeit auf der ersten Laufrunde befindet. Sehr gut. Heute bin wieder mal nur ich langsam…
Bei Beginn seiner zweiten Laufrunde sieht der Zeugwart nicht glücklich aus. Er berichtet über Probleme und ich spreche ihm gut zu… aufgeben wäre blöd, so kurz vor dem Ziel. Aber anscheinend ist das für ihn sowieso keine Option, denn schon ist auf der zweiten Runde. Das nenne ich Kampfgeist und ich bin mir nicht sicher, ob ich den so hätte.
Beim Beginn der dritten Laufrunde schenkt mir der Zeugwart ein Lächeln und winkt. Er zehrt an seinen Kräften, das sehe ich… aber er läuft und schleppt sich nicht mehr so extrem, wie vorhin. Jetzt sind es auch „nur“ noch 7km und wahrscheinlich weiß er jetzt auch, dass er heute seine erste Mitteldistanz auf jeden Fall ins Ziel bringt. Ich wußte das ja schon letztes Jahr, als er sich angemeldet hat, aber das nur Nebenbei. Für die dritte Laufrunde bekomme ich Gesellschaft. Die besten Nachbarn der Welt rücken an, um den Zeugwart ins Ziel zu schreien und sie sind was das Timing angeht wirklich vorbildlich. Respekt.
Und dann sehen wir ihn kommen! Er rennt aus dem Wald raus und lächelt immer noch. Wunderbar. So kann er nun also die letzten Meter richtig genießen und auf Ratschlag des Moderators sogar noch eine Siegerpose auf den roten Teppich packen.
Und später, als er wieder ordentlich durchatmen kann und wie ein Honigkuchenpferd strahlt, da sagt er voller Stolz… JETZT bin ich ein richtiger Triathlet. Das treibt mir eine Träne ins Auge. Weil er so zufrieden ist und ich mich so wunderbar für ihn freuen kann.