Eigentlich wollte ich heute früh gleich nach dem Aufstehen laufen gehen. Noch im frühmorgendlichen Nebel, als es noch richtig kühl war. Aber das hat hungertechnisch nicht so hingehauen, weil manchmal der beste Plan nichts bringt, wenn der Körper anders entscheidet. Ich frühstücke also erst mal und als sich der Morgennebel verzogen hat, stelle ich den Plan einfach um und laufe nach dem Frühstück. Nicht sofort natürlich. Zum Essen brauche ich etwas zeitlichen Abstand, aber den kann ich natürlich ganz gut nutzen, um etwas klar Schiff zu machen und mich umzuziehen.

Heute soll es bei uns extrem warm werden. Da wir Ende Juni haben, überrascht mich das nicht. Allerdings kann ich mich natürlich danach richten. Denn es ist auf jeden Fall für mich deutlich klüger den Plan umzusetzen, wenn es noch kühler ist, oder nutze ich die Mittagshitze? Der Abend kommt nicht in Frage, denn da findet die Videoschalte zum Athletiktraining statt. Das machen wir ja nach wie vor regelmäßig. Für mich ist es also klar, dass ich versuche den Plan umzusetzen, wenn es noch kühl ist. Obwohl kühl in diesem Fall nicht heißt, dass ich eine Jacke brauche. Eine kurze Hose und kurzes Shirt als Outfit sind vollkommen passend.

Als ich vor die Haustür trete, weiß ich noch gar nicht, wo ich heute so entlanglaufen möchte. Das liegt einfach daran, dass ich zwar eine Strecke im Kopf habe, der Plan sich aber in meinem Kopf ständig ändert. Mal wählt mein Kopf das Feld, dann wieder den Waldrand und zu guter Letzt denkt mein Kopf sich, dass die Umsetzung vom Plan perfekt auf einer Strecke durch das Dorf statt finden kann. Immerhin will ich nicht einfach nur hin und wieder zurück laufen. Irgendwie liegt mir unheimlich viel dran nicht einfach einen Umdrehlauf zu machen.

Runden liegen mir einfach viel mehr. Reine Psychologie. Natürlich. Aber da ich das weiß, kann ich genauso gut darauf achten und eben nicht einfach nur Hin- und Zurück rennen. Ich laufe heute spontan ganz woanders entlang, als ich dachte und lasse mich einfach nur treiben. Weil ich das eben kann. Der Konditionsaufbau der letzten 6 Trainingswochen hat mir diesbezüglich wieder eine Tür geöffnet. Erfreulicherweise. Wirklich. Ich gehe viel befreiter raus zum Training, jetzt, wo ich weiß, dass ich ein gutes Stück traben kann, ohne gleich fix und foxi zu sein.

Das Leben als Läufer kann so einfach sein. Dieser Zustand beginnt gleich da, wo der Kopf abschaltet und man einfach losläuft. Vielleicht nicht unbedingt so weit, wie es nun mal geht, aber doch schon ein ganzes Stück. Für mich zumindest ist das ein sehr schönes Gefühl. Und so biege ich ganz locker in eine andere Richtung ab und bin auf ungewohnten Pfaden unterwegs. Dieser Weg ist nicht sonderlich belebt, was ihn noch eine Idee attraktiver macht. Und er führt teilweise durchs Dorf, wo sich die Bewohner natürlich für die Arbeit bereit machen. Mittlerweile haben auch Schulen und sogar teilweise Kindergärten wieder regulären Betrieb, so dass auch die kleinsten Mitglieder der Gesellschaft zurück zu ein bisschen Schein Normalität gehen können.

Denn wirklich Normal ist das ganze Lockerungszeug ja nicht. Und ob es sinnvoll ist, oder nicht, werden wir in den nächsten Wochen ganz sicher knallhart erleben. Aber wie man es macht, ist es ja sowieso verkehrt. Bleiben alle weiterhin zu Hause, ist das nicht gut, gehen alle raus, ist das ebenfalls nicht gut. Im Grunde hat man hier kaum eine Chance etwas richtig zu machen. Und während ich so durch das Dorf trabe und dann einen letzten Abzweig nehme, denke ich über all das nach und bin heilfroh, dass ich keine solche Entscheidung treffen muß. Und dann piepst meine Uhr zum Countdown und ich bin noch nicht mal fertig mit dem Nachdenken…

Aber der Plan ist absolviert und Coach Amy ist zufrieden. Mehr kann man ja nun wirklich nicht verlangen.