Der gestrige Lauf ins Wochenende war eine wirklich ganz hervorragende Idee. Ich bin allerdings nicht so der Wettkämpfer, das stelle ich heute früh fest. Denn, obwohl ich mich für das nächste Event gleich bereitwillig angemeldet habe, bin ich eher auf der Schiene: schaun wir mal unterwegs. Eines meiner großen Laufziele ist es mal an einem Rock ’n‘ Roll Marathon Event teilzunehmen. Mein absoluter Favorit dabei ist der Lauf in Liverpool. Die Stadt der Beatles und ganz sicher einen Besuch wert. Ich war als Kind bzw. Jugendliche schon mal dort, aber daran erinnern kann ich mich nur schlecht. Hinzureisen und den Rock ’n’Roll Marathon mitzulaufen, wäre also eine tolle Sache.

Hinreisen ist aber in nächster Zeit sicherlich nicht möglich. Die Engländer haben derzeit ebenfalls ordentlich Virusprobleme und bis es auf der Insel wieder Großveranstaltungen gibt, zu denen auch nicht Engländer einreisen dürfen, ist es sicherlich noch etwas hin. Zusätzlich ist dann auch die Frage, ob ich bei den ersten Reisenden dabei sein muß. Nur, weil die Bestimmungen gelockert werden, heißt das schließlich nicht, dass man sofort in die Läden rennen muß. Zu Hause ist es ja auch ganz schön. Der Rock ’n‘ Roll Marathon Veranstalter hat nun also ebenfalls die Gunst der Stunde ergriffen und eine virtuelle Rennserie aufgesetzt. Ähnlich wie die Ironman Virtual Rennserie, gibt es auch hier entsprechende Veranstaltungen, zu denen man sich anmelden kann. Die jeweilig zu laufende Kilometerzahl ist klar vordefiniert.

Dieses Wochenende werden bei der Rock ’n‘ Roll Marathon Virtual Rennserie 5 Kilometer absolviert. Eine für mich absolut machbare Distanz. Natürlich nicht laufend. Allerdings walke ich das flott und habe auch damit schon manchen Jogger in die Tasche gesteckt. Flottes Walken und langsames Joggen unterscheiden sich von der Geschwindigkeit nicht ganz so massiv. Und natürlich ist walken deutlich weniger anstrengend, weil die Flugbewegung fehlt. Und zusätzlich habe ich, weil es eben nicht so anstrengend ist, mehr Kapazitäten frei, um auf einen sicheren Tritt zu achten. In Corona Zeiten, wo die Krankenhäuser für andere Themen benötigt werden, nicht ganz unwichtig. Wäre ich besser trainiert gewesen zum Start der Krise, könnte ich da sicherlich auch anders drüber denken. Aber ich habe schon öfter festgestellt, dass es nichts bringt sich selbst oder das, wie es die anderen machen, anzuzweifeln.

Im Grunde muß jeder die Entscheidungen für sich selbst treffen. Wenn ich nicht draußen rumrenne, kann das für einen Anderen unheimlich wichtig sein, es doch zu tun. Nur weil ich nicht jede Tag einkaufen fahre, kann ich nicht verlangen, dass es alle so tun. Wir sind nicht so extrem gemaßregelt, wie es in Spanien, Amerika oder Italien der Fall ist, so dass viele Menschen eben andere Entscheidungen treffen, als ich. Die Hauptsache ist, dass die mich nicht von ihrer Handhabung überzeugen möchten, und ich sie nicht von meiner. Ich denke, damit ist allen geholfen. Und wenn die Lockerungen dann trotzdem nicht zu einem erneuten Anstieg der Infektionen führen, dann haben wir ja auch jeder alles richtig gemacht.

Der Weg zum Bäcker ist für mich heute die Rock ’n‘ Roll Strecke. Der ist ein bisschen weiter als 5km, aber ich kann passend abstoppen. Allerdings vergesse ich erst mal die Uhr überhaupt zu starten, was natürlich weniger klug ist und der Sache überhaupt nicht in die Karten spielt. Der Zeugwart erinnert mich dran und so marschieren wir gemeinsam durch den Wald und über die Felder. Es ist schon sehr schön bei uns, das muß ich wirklich sagen. Erstaunlich, wie viel Natur wir haben, und das, obwohl Frankfurt, wie alles im Rhein-Main-Gebiet, nur 30 Minuten entfernt liegt.

Wir kaufen Brötchen und Brot ein und ich habe tatsächlich dran gedacht, die Uhr abzustoppen. Das ist ja eine Sensation. Wäre ja auch wirklich unpassend, wenn ich die Bäckerzeit noch zusätzlich auf die Wettkampfkilometer drauf rechnen würde. Wobei ich das bei dem Format ziemlich cool finde, es wird nämlich nicht auf die Zeiten geschaut. Sicherlich gibt’s eine Ergebnisliste, und da kann ich mir dann die Leistungen auch nach Zeiten sortiert ansehen, aber in meinem Profil direkt, werde ich einfach nur als Finisher gelistet. Wie lange ich dafür gebraucht habe, ist im ersten Moment egal. Und so ist es ja auch in Wirklichkeit.

Die 5km sind gleich lang, egal wie viel Zeit ich dafür benötige, sie zu absolvieren. Jeder hat die danach in den Beinen. Die Schnellen mit ihren deutlich unter 20 Minuten und die Langsameren, die eben über 30 Minuten joggen. Ich selbst brauche noch länger, weil ein Waldbesuch für mich in dieser Zeit vor allem auch Abwechslung bedeutet und ich auch noch das ein oder andere Foto schieße. Außerdem gehen wir zum Bäcker, und sind nicht auf der Flucht. Und da es mir nicht darum geht, möglichst flott und damit weit oben in der Ergebnisliste zu landen, sondern einfach dabei zu sein, ist die Zeit auch egal.

Ich bin eben einfach kein Wettkämpfer. Zumindest im Moment nicht. Der Wettkampf, auf den es im Moment eigentlich ankommt, der hat nichts mit 5km oder 3km Distanzen zu tun. Und in dem bin ich auch gar nicht groß beteiligt. Im Moment kommt es eigentlich nur darauf an, dass wir diese Corona Krise schnellstmöglich überwinden und alle als Gewinner daraus hervorgehen. Dabei ist es klar, dass es auch hier welche gibt, die schneller sind, und welche, die es langsamer angehen lassen müssen. Aber die meisten werden durchkommen, so hoffe ich. Die Menschheit fliegt zum Mond und kann Rennautos bauen, wir können exakte Kopien mit Genmanipulation erschaffen und Fotos von Babys im Mutterleib erstellen.

Es muß doch möglich sein, dass wir die Gewinner in dieser Coronavirus Sache sind?

Zu Hause angekommen, beim Frühstück, zeigt mit meine Übersicht, dass ich den Rock ’n‘ Roll 5km Lauf erfolgreich absolviert habe. Der VR1 ist also in den Büchern. Das war auf jeden Fall eine schöne Sache. Auch wenn es keine glitzernde Medaille gibt, wie es sonst bei den Veranstaltungen Usus ist. Aber ganz sicher werde ich irgendwann auch wieder um eine Medaille laufen dürfen… und vielleicht ist es dann tatsächlich der Lauf in Liverpool. Das würde bedeuten, dass wir die Gewinner in der Coronavirus Sache gewesen sind. Das wäre schön.