Ein großartiger Morgen! Es ist zwar erneut recht frisch, für Juli, aber sicherlich kommt das der Natur, oder den hitzeempfindlichen Zeitgenossen gelegen. Nicht immer sind 30°C eine Sommer – Wunschtemperatur. Dass es allerdings dieses Jahr wieder so einen sehr heißen Jahrhundertsommer geben soll, davon merke ich nichts. Aber es könnte natürlich auch sein, dass ich, wie so oft, keine Ahnung habe. Im Prinzip ist das auch nicht so wichtig. Heute ist es nicht besonders warm, als ich mich zum Lauftraining mit Coach Amy umziehe. Zusätzlich fühle ich mich fit und voller Elan. Als würde eine Last von mir abfallen vielleicht?

So richtig ist das aber nicht der Fall. Vielmehr nimmt die Last irgendwie gerade zu. Während viele die Corona Lockerungen auskosten und es in Frankfurt auf der Zeil so zugeht, als hätte es Corona nie gegeben, oder als wäre es nur ein schlechter Traum gewesen, ist bei mir auf der Arbeit die Lage weiterhin angespannt. Die Veranstaltungsbranche leidet weiterhin massiv. Und natürlich ist das auch eine Branche auf die man gut verzichten kann im ersten Moment. Wenn eine Veranstaltung fehlt, dann fällt das im ersten Schritt nicht so auf. Ähnlich wie mit Bars. Die Menschen suchen sich dann einfach eine Alternative und machen ihre eigenen Treffen.

In Frankfurt passiert das zum Beispiel auf den großen Plätzen. Es hinterlässt leider auch jede Menge Müll und wahrscheinlich auch die ein oder andere Coronainfektion, aber in erster Linie fördert es die sozialen Kontakte, die die Menschen während der Lockdown Phase vermisst haben. Und ob dabei die ein oder andere Bar oder Veranstaltung eben auf der Strecke bleibt, fällt kaum auf. Gerade in der Frankfurter Innenstadt wechselt ein Laden schnell mal Aussehen und Besitzer, da ist wenig in Stein gemeißelt. Und statt Museumsuferfest trifft man sich eben einfach so, bringt alles selbst mit, hinterlässt oft den Müll und macht sich sein eigenes Fest. So einfach kann das Leben sein.

Welche Restaurants, Bars oder eben auch Veranstaltungen dabei um das Überleben kämpfen, während andernorts gefeiert wird, das kann man als Bürger ja sowieso nicht beeinflussen. Und dass die Abstandsregeln, vor allem für geschlossene Räumlichkeiten, aber natürlich auch generell, nach wie vor Sinn machen, das steht außer Frage. Dieses Virus ist nach wie vor aktiv, hochansteckend und kann tödlich enden. Wer möchte sich den Schuh anziehen, dass ein ganzes Land ins Verderben rennt, weil man so eine Bedrohung nicht ernst nimmt? Ich verstehe jeden, dem dieser Schuh nicht passt.

Voller Elan und Kraft laufe ich dem ganzen Schlamassel heute davon. Zumindest habe ich das Gefühl, als ich nach dem 2 minütigen eingehen, was Coach Amy auf meinem Plan notiert hat, lospresche. Es ist nicht so, als gebe ich mit Absicht Gas. Es ist vielmehr so, dass ich einfach super schnell laufe. Einfach so. Schneller wird man ja bekanntlich von alleine, wenn der Trainingszustand sich verbessert und man sich einfach weiter entwickelt. Das ist eine altbekannte Weisheit. Trotzdem kann ich selbst immer nur bedingt daran glauben. Wenn man knapp unter 7 Minuten auf den Kilometer läuft, dann ist schneller laufen halt auch schwer vorstellbar. Wobei das sicherlich auch jemandem so geht, der eben 4:30 Minuten auf den Kilometer läuft. Limit ist Limit. Egal wo man es setzt.

Ich laufe also richtig flott und das mehr so nebenbei. Ein Blick auf meine Uhr zeigt mir, dass ich mich bei 6:20 Minuten auf den Kilometer eingependelt habe. Verrückt. So viel Elan und gleich richtig umgesetzt. Ein gutes Beispiel, wie viel Erfolg Training haben kann, wenn man sich an einen Plan hält. Und wenn der auch nur aus einem vor-gefütterten Computer kommt. Immerhin wird Coach Amy sich meine Werte und Leistungen niemals angesehen haben. Davon bin ich überzeugt. Zwar wirkt der Plan individualisiert und viele Nutzer behaupten auch, dass Coach Amy sich die Erfüllung der Vorgaben ansieht, aber ich bin diesbezüglich realistisch. Allerdings habe ich es aufgegeben, den Menschen klar zu machen, wie viel Arbeit der Job eines Trainers tatsächlich macht. Wer glaubt, dass es das kostenfrei gibt… bitte.

Ich versaue Kindern auch nicht den Glauben an Osterhase oder Weihnachtsmann. Die Realität kommt früh genug.

Ich laufe heute durchs Wohngebiet und nur am Feldrand entlang. Hier entstehen einige neue Häuser und ich will einfach mal schauen, wie weit die Bauarbeiter schon sind, wo wird gestrichen, wo kommen Fenster rein? Hier ist der Keller schon fertig, dort wird noch die Baugrube stabilisiert. Es gibt wirklich viel zu sehen und da ich so viel schneller unterwegs bin, als sonst, kann ich auch das komplette Wohngebiet mit allen Baustellen, die ich kenne, ablaufen. Denn auf meinem Plan geht es, bisher zumindest, nie um Zeit. Ich laufe immer eine Streckenvorgabe. Wahrscheinlich, weil mein Ziel einfach ein reines Streckenziel ist? Das würde Sinn machen.

Der Start in den Tag voller Elan hat mir heute gut gefallen. Ich bin gespannt, wie ich mich morgen fühle. Da laufe ich die doppelte Distanz. Allerdings muß ich das morgen nicht vor der Arbeit tun. Ich habe frei. Kurzarbeitsfrei. Eigentlich traurig. Wenn ich aber einen Lauf geplant habe, dann ist das wenigstens eine Aufheiterung. Das ist gut.