Da Coach Amy nun mal kein wirklicher Mensch ist, sondern dem Garmin Algorithmus lediglich ein paar Vorgaben gemacht hat, weiß sie nicht, dass sich mein Arbeitstakt geändert hat. Wenn ich einen richtigen Coach hätte, so wie die Chefin zum Beispiel, dann hätte ich Bescheid sagen können, dass ich heute ins Büro fahren soll. Die Chefin hätte meine Woche sinnvoll umgeplant. Coach Amy tut das nicht. Zumindest war meine letzte Erfahrung einen Lauf umzuplanen nicht sonderlich erfolgreich.

Wenn sich aber im Leben etwas ändert, zum Beispiel der Arbeitstakt, dann muß man umplanen. Einen Lauf aus dem Trainingsplan ausfallen lassen geht natürlich auch immer. Obwohl das sicherlich für einen Läufer oder Triathleten die am wenigsten genutzte Lösung ist. So ist das auch bei mir. Klar, könnte ich den Lauf schieben, aber dann verwirrt es die ganze Woche. Also belasse ich es beim Lauftraining und packe mir eine Tasche für das Büro. Wie vor Corona. Also fast zumindest.

Vorbereitung läuft

Vor Corona war eine Duschtasche immer im Büro geparkt. Frische Klamotten sind mehrfach die Woche gegen komplett durchgeschwitzte Klamotten ausgetauscht worden. Aber Shampoo, Duschgel und Handtuch waren eben dauerhaft vor Ort. Da wäre ein hin- und her Schleppen ja auch total sinnlos gewesen. Heute trage ich aber die komplette Tasche ins Büro, mit Duschzeug und Klamotten. So habe ich sie erfreulicherweise den ganzen Tag vor Augen, während sich mein Kalender füllt. Irgendwie ist das mittlerweile vorprogrammiert. Corona sei Dank. Bei einer ursprünglichen Tagesplanung zu bleiben kann man zwar versuchen, ist aber meistens nicht von Erfolg gekrönt.

Ich schiebe meinen Lauf in eine Lücke, die sich damit nicht anderweitig schließen kann. Eine gewisse Struktur dient ja auch der mentalen Zufriedenheit. Und zusätzlich ist es sicherlich sinnvoll, dass ich den Lauf durchziehe, statt ihn ausfallen zu lassen. Kondition und Fitness aufzubauen ist, gerade in der Corona Krise, sinnvoll. Besser zumindest, als es nicht zu tun. Mein Kalender erinnert mich rechtzeitig an das Umziehen und das ist auch gut so, weil ich nämlich sonst einfach das Training vergessen hätte. Ich bin gerade wirklich vertieft in einer Abstimmung, da ist das Laufen so gar nicht im Kopf.

Da aber der Kalendereintrag unerbittlich aufscheint, folge ich natürlich dem Ruf. Wofür einen Trainingsplan anfangen, wenn ich ihn dann nicht durchziehe? Das wäre ja ziemlich dämlich. Klar, wenn etwas wichtiges dazwischen kommt, sieht die Welt etwas anders aus, aber so? Ich kann gut jetzt eine Stunde vom Schreibtisch verschwinden und die Arbeit dann im Anschluß erledigen. Immerhin ist sie dann ziemlich sicher noch da. Sollte sie sich in der Zwischenzeit von selbst erledigt haben, ist die Laufpause ja auch noch umso besser.

Nicht umsonst

Sonst hätte ich meine Zeit mit etwas verbracht, das eigentlich gar nicht nötig gewesen wäre. Und dafür dann so ein Arbeitstakt? Ich ziehe mich um und melde mich bei Walter Mitty ab. Statt dem Zeugwart, der mir hier auf der Arbeit natürlich nicht zur Verfügung steht, übernimmt er den Livetrack. Also nicht direkt. Mir ist es vielmehr wichtig, dass jemand Bescheid weiß, dass ich nun unterwegs bin. Und auf der Arbeit ist das entweder Walter Mitty oder William Thacker. Beide Herren sind diesbezüglich sehr zuverlässig. Allerdings sind wir -dank Corona- nicht alle im Büro. Die Abstände werden sonst zu klein. Walter Mitty ist in einem Telefonat, wirft aber trotzdem einen prüfenden Blick auf die Uhr und sagt verschmitzt: „dann bis in 20 Minuten“.

Klar. Witzbold. Auf dem Plan von Coach Amy stehen 4,83km drauf. Von 20 Minuten kann keine Rede sein! Allerdings laufe ich meine übliche Runde heute anders. Um genau zu sein: ganz anders. Erst renne ich wie bekloppt in eine andere Richtung als sonst und dann, als es heiß und schwer wird, mitten im Feld, drehe ich eine Runde um den Block. So stelle ich klammheimlich sicher, dass ich auf gar keinen Fall auch nur einen Meter zu weit unterwegs sein werde. Faulheim pur irgendwie. Heute ist aber auch der Wurm drin! Es ist heiß und stickig. Auf dem Feld gibt’s keinen Schatten und natürlich weht auch nicht ein Minilüftchen. Natürlich nicht. Wäre ja auch zu schön.

Mehr schein als sein

Und dann schläft mir noch mein rechter Fuß ein. Und das, obwohl ich gar nicht so langsam unterwegs bin, wie man sich das vielleicht denkt, wenn man einschlafen hört. Meine Schuhe sind schuld. Die machen schon seit ein paar Läufen immer mal wieder Probleme. Erst hat nur der Fuß nach dem Laufen weh getan, dann fing die Fußsohle an während des Lauftrainings zu kribbeln und zu schmerzen und jetzt das. Dabei sind sie eigentlich noch gar nicht alt. Zumindest aussehen tun sie, wie neu. Das weiß an der Sohle ist noch kaum verdreckt. Und es ist jetzt wirklich nicht so, dass ich mich sonderlich um eine Reinigung bemühen würde.

Die Schuhe sind also meiner Meinung nach neuwertig und zusätzlich ein leibgewonnenes Modell von Brooks. Eines, das ich seit Jahr normal und als Trailversion immer wieder kaufe. Einfach, weil sie so super bequem sind. Außer eben dieses Paar. Was eine Krux. Ich versuche es auf jeden Fall noch mal mit anderen Einlagen, ehe ich sie weggebe. Allerdings werde ich mich nicht noch mal so quälen, wie heute. Ein ganz großer Mist. Ich mache die Schnüren praktisch auf und jetzt reibt natürlich die Ferse vom Schuh an meiner Achillessehne. Wenn ich so weiter jogge laufe ich mir eine Blase. Auch keine gute Idee. Wenn der Schuh aber geschnürt ist, dann kann ich eben gar nicht laufen. Auch nicht gehen.

Ich entscheide mich den Schuh zu öffnen und freue mich, dass wieder etwas Leben in den Fuß kommt. Und dann walke ich weiter. Ganz einfach. Walken ist zwar nicht laufen, wie es im Plan steht. Aber es ist kein Unglück und kein Versagen. Es ist eben einfach walken. Fertig. Manch einer joggt nicht so flott, wie ich walke. Eine Blase laufe ich mir trotz allem. Na großartig.