Meine Ruhewoche plätschert nur so dahin und von überall her erfahre ich, dass es bis zum Kraichgau nicht mehr lange hin ist. Andere Starter zählen die Tage runter und auch der Veranstalter erinnert mich unermüdlich daran, dass ich bald an der Startlinie stehe, weil Wettkampftag ist. Runde 7 Wochen sind es noch. Viel Zeit oder nur ein Augenzwinkern, je nach Blickwinkel und Lebensalter, so scheint es zumindest. Je älter ich werde, desto schneller geht die Zeit auch vorbei. Bald ist es also soweit. Und damit am Wettkampfsonntag dann auch tatsächlich alles paßt, werden die nächsten Ausfahrten bevorzugt mit dem Triathlonfahrrad durchgeführt. Der Trainer hatte Crosser und Rennrad bis jetzt den Vorzug gegeben um Grundlagen aufzubauen, jetzt will er allerdings eher in Richtung Wettkampf und mehr auf das Wettkampfrad. Und damit ich da endlich auch mal bequem drauf sitze und gut voran komme, machen wir eine Radeinstellung oder neudeutsch ein Bikefitting.

Ich gehe dafür ins Labor zu IQ Athletik. Da dort seit 2013 auch mein Trainingsplan geschrieben wird und mein Trainer mich mittlerweile wirklich ganz gut kennt, fühle ich mich hier auch für das Einstellen meines Rades richtig beraten. Nicht, dass ich bisher schlecht drauf gesessen hätte, aber nach vielen Radkilometern hat mir doch immer was weh getan und die Aeroposition war auch nicht immer grandios. Also auf jeden Fall bietet mein Rad zusammen mit mir Optimierungspotential. Schön, dass der Trainer also gleich mal weiß, dass es was zu tun gibt.

Im alten Bahnhof in Rödelheim, wo IQ Athletik zu Hause ist, treffe ich zeitgleich mit dem Trainer ein und dann geht’s auch schon los. Wie immer, wenn ich hier bin, muß ich erst mal einen Bogen ausfüllen, dann ziehe ich mich um und der Trainer und ich quatschen ein bischen. Dabei werde ich gelobt, weil ich so eine tolle Ausdauer habe nicht aufzugeben und ich erzähle, dass ich gestern richtig flott unterwegs gewesen bin. So ein Trainerlob tut gut, auch wenn es natürlich um nichts geht, so ist es trotzdem immer schön, wenn er es gut findet, was ich mache und wie. Er hat den Unfall und die nachfolgende Entwicklung mitbekommen und kann deshalb Ausdauer, Talent und Grundeinstellung gut beurteilen. Außerdem weiß er, dass ich nicht in der ersten Liga kämpfe und auch nicht kämpfen kann, aber er motiviert mich trotzdem immer so, als wäre ich erste Liga. Er freut sich über meine Trainingserfolge, versteht, wenn es mal nicht so läuft und gibt Ratschläge oder macht Anmerkungen, wenn sie angebracht sind. Nicht immer gefallen sie mir, aber trotzdem höre ich meistens drauf. Immerhin ist er der Trainer  und ich kann was anderes. Warum sollte ich mir einen Spezialisten zur Seite stellen, wenn ich dann doch alles besser weiß? Das wäre Zeit- und Geldverschwendung. Gerade diesen Eindruck habe ich bei meinem Trainer aber nicht. Ich fühle mich hier, obwohl auch genug weitaus bessere, talentiertere Sportler bei IQ Athletik betreut werden, immer in besten Händen… und meine Trainingserfolge seit meinem Fahrradunfall im November 2013 sprechen auch dafür.

Zurück zum Bikefitting. Erst mal stellt der Trainer fest, dass ich einen Beckenschiefstand habe. Frei nach den Ansichten meines Orthopäden und des Physiotherapeuten erkläre ich, dass das wegen der Fehlbelastung nach meinem Unfall kommt. Das ist aber nicht ganz so wichtig. Entscheidend ist, dass der da ist und ich damit ja auch auf dem Rad sitze. Nur weil ich sitze, ist das Becken ja nicht auf einmal gerade. Verstehe ich. Also muß der Trainer einen Kompromiss finden.

Mein Rad ist auf einer Rolle eingespannt und, genau wie daheim auf meinem Rollentrainer, steige ich erst mal etwas wackelig auf. Das Bikefitting macht erst mal eine Analyse wie ich jetzt so dasitze und dann geht es an die Stellschrauben. Der Trainer sieht gleich, dass ich zu hoch sitze. Kann ich mir irgendwie gar nicht vorstellen, denn auf meinem kleinen Fahrrad kann man ja im Prinzip gar nicht zu hoch sitzen. Es ist ja eh nur Shetland Pony groß. Trotzdem sagt der Trainer, der Sattel ist zu hoch und beweist es auch noch. An seinen Aufnahmen erkenne selbst ich, dass meine Beine, trotz Shetland Pony, immer noch zu kurz sind. Gut, dass sie wenigstens bis zum Boden reichen… da kann ich ja wirklich froh sein.

Der Sattel rutscht also mehr nach unten. Und wir reden nicht über Millimeter. Jetzt kann man Cannondale auf meiner Sattelstütze nicht mehr komplett lesen. Gut, ich sitze ja eh drauf und weiß, was für eine Marke es ist. Nicht, dass das wichtig wäre, aber bemerkenswert ist es trotzdem. Nun können, zumindest an Hand der Sattelstütze, nur noch Profis wissen, was das Rad für eine Marke ist. So kann man Schwätzer und Kenner ab sofort gut auseinanderhalten. Mit der tieferen Sattelposition wird selbiger sofort bequemer. Also wer hätte das denn gedacht? Ich zackere jetzt auch nicht mehr so rum um die Pedale auf der unteren Kehre zu erwischen. Cool.

Jetzt macht der Trainer sich an die Aeroposition. Quasi die Königsdisziplin der Triathleten. In erster Linie geht es hierbei ja um Aerodynamik und dann natürlich, gleich im Anschluß, darum cool auszusehen. Ich bin mir nicht sicher, wie wichtig das coole Aussehen bei mir gewertet  werden kann, denn wenn ich mit 10km/h im Kraichgau die Berge hochschleiche ist es wurscht, ob das cool aussieht oder nicht. Aber bei meiner Geschwindigkeit in der Ebene, so sagt der Trainer, ist die Aerodynamik mittlerweile eine wichtige Komponente. Wir wollen also das Windfenster kleiner machen. Je weniger Angriffsfläche ich biete, desto besser schlüpft die Luft um mich rum und ich werde quasi noch schneller. Das ist ja mal eine vielversprechende Aussicht bei so einem Bikefitting. Herrlich. Ich bin gespannt, ob ich jetzt, wo er an meinem Steuersatz rumgeschraubt hat und mein Vorbau weiter nach unten gewandert ist, da überhaupt noch runterkomme. Sieht nicht viel aus, aber ich kann mich ja auch nicht verbiegen, wie eine Brezel. Ich lege ein Lächeln auf und versuche es einfach mal.

In dieser neuen Position kann ich dann sogar noch mal selbst optimieren, wenn ich es hinkriege. Der Profi kann seinen Kopf ja förmlich zwischen seine Schultern ziehen und trotzdem noch rund und kraftvoll treten. Bei mir geht das vom Prinzip her auch – ein paar Minuten. Ich  muß das trainieren. Sieht ja schließlich zusätzlich auch noch wesentlich cooler aus. Und wäre auch auf jeden Fall vom aerodynamischen Gesichtspunkt her deutlich erstrebenswert. Sagt der Trainer und sehe ich auch selbst.

Ich werde daran arbeiten.