Der Zeugwart hat heute eine Radeinheit auf seinem Trainingsplan stehen und so schiebe ich mein heutiges Lauftraining, weil ich auch Lust zum Rad fahren habe. Aber übernehme ich mich damit nicht? Behindere ich den Zeugwart nicht bei seinem Radtraining? Ich bin ziemlich lange draußen nicht mehr Rad gefahren. Auf der Rolle habe ich mich sicher gefühlt, aber wie ist es mittlerweile draußen? Ob der Cyclocrosser mich noch kennt? Zumindest weiß ich, wo ich ihn finde. Und das ist ja schon mal die halbe Miete in unserer Beziehung. Der Zeugwart montiert mir noch einen neuen Flaschenhalter, der die Flasche mit einer Magnethalterung festhält, und dann kann es vermeintlich auch schon los gehen.

Außer, dass meine Kette ein bisschen steif geworden ist und wir die erst noch gangbarer machen müssen. Und dann müssen wir natürlich auch noch kurz besprechen, wo wir denn so entlang fahren wollen. Durch unsere Erkundungsgänge der letzten Wochen, haben wir jede Menge neue Regionen in unmittelbarer Nähe entdeckt. Mit den Rädern sind wir aber natürlich deutlich mobiler, als zu Fuß. So können wir unseren Entdeckungsradius deutlich erweitern. Und das tun wir deshalb auch. Gut eingesprüht mit Autan gegen Mücken und Zecken machen wir uns, in ordentlicher Cyclocrosser Manier, auf zu neuen Abenteuern.

Das erste Abenteuer ist meine Hinterradbremse, die heute so extrem laute Geräusche macht, dass ich mich kaum traue zu bremsen. Da kriegt man ja automatisch was an die Ohren. Allerdings für die Wahrnehmung von Autofahrern, wenn wir mal im Verkehr unterwegs sind heute, ziemlich gut. Welcher Autofahrer nimmt schon eine Fahrradklingel wahr? Wie auch, mit Musik im Auto und geschlossenen Scheiben hat man da ja auch kaum eine Chance zu. Mein Bremsgeräusch allerdings, geht durch alles durch. Keine Scheibe, und sei sie auch noch mehrfach verglast, hält dem Ton stand. Selbst Menschen in geschlossenen Wintergärten schauen sich nach uns um, wenn ich bremse. Wenn man auf Aufmerksamkeit aus ist, kann ich meine Hinterradbremse heute absolut empfehlen.

Erfreulicherweise bremst sie auch, was ja ebenfalls ziemlich wichtig ist. Allerdings ist es für mich natürlich am aller Lautesten und deshalb ganz besonders nervig. Ich fahre also möglichst bremsarm, was auf den Feld-, Wald- und Wiesenstrecken auch problemlos möglich ist. Die Fahrradstunde, die beim Zeugwart auf dem Plan steht, dient auch mehr der generellen Bewegung und hat ansonsten keinerlei Anweisungen vom Trainer. Ich wäre sonst sicherlich auch nicht einfach so mitgefahren. Es ist heute immerhin das erste Mal seit Monaten mit dem Fahrrad draußen. Rolle fahren hilft natürlich für die Kondition, aber es schult keinerlei Fahrradbeherrschung.

Und gerade die Fahrradbeherrschung ist in meinem Fall ein wichtiges Thema. Gerade nach den zwei Fahrradunfällen ist es mir wichtig, dass ich ohne Stress und mit einem guten Gefühl radeln kann. Ich will Fahrrad fahren, vor allem mit dem Cyclocrosser, mit schönen Gedanken verbinden und mir die neu erarbeitete Freiheit, bei der mir ja im letzten Jahr Eva vom Rückenwind Mental Coaching geholfen hat. Das ist jetzt wirklich nur etwas über ein Jahr her und trotzdem ist alles noch total präsent. Es geht diesbezüglich einfach nichts über die Praxis. Draußen fahren heißt die Devise. Mut aufbauen und wenn nötig eben auch mal anhalten.

Wir fahren heute mit dem Cyclocrosser abwechslungsreiche Wege. Natürlich im Verkehr, auf wenig befahreneren Straßen, aber auch da, wo etwas mehr los ist. Wir fahren im Wald auf Waldautobahnen, Schotterpisten und durch Traktorenspuren auf den Feldern. Wir nutzen Pfade über Wiesen und schlammige Bereiche, um möglichst viel Technik mit drin zu haben. Allerdings passiert das eher so nebenbei. Wir fahren eben und dabei passieren wir all diese Untergründe und ich komme immer besser zurecht.

Geschwindigkeit bringt Sicherheit.

Ein wesentlicher Leitsatz, wenn es darum geht, durch sandige Bereiche hindurch zu fahren. Und ähnlich wichtig ist eben auch, dass die Haltung auf dem Rad nicht zu angespannt ist. Konzentriert ja, aber nicht verkrampft. Dann kann man nämlich kaum mehr reagieren, wenn wirklich mal eine schnelle Reaktion gefordert ist. Das ist für mich heute wirklich so eine Fahrt zum reinkommen. Ohne Corona wäre ich dieses Jahr schon viel länger und weiter auf dem Rad unterwegs gewesen. Vor allem auch draußen. Das, was ich wirklich gerne tue. Wir wären ja auch im Trainingslager im Mohrenwirt gewesen… aber es kam ja alles anders.

Die Runde, die wir heute drehen, ist wirklich überschaubar, aber dadurch eben auch besonders schön. Wir sind nicht weit von zu Hause weg und entdecken trotzdem komplett neue Wege. Erstaunlich eigentlich, dass erst so ein Virus die Welt fast komplett lahm legen muß, damit man sich mal dazu aufrafft und seine Umgebung erkundet. Aber so ist das ja oft. Erst, wenn man dazu gezwungen wird, kehrt man vor seiner eigenen Haustür. So scheint es zumindest oft. Ich bin gespannt, was wir in den nächsten Wochen noch alles für schöne Stellen entdecken. Bei uns in der Nähe.